MENSCHENRECHTE
60 Jahre nach Annahme der Allgemeinen Erklärung steht die Staatengemeinschaft vor neuen Herausforderungen
Sie ist das meist übersetzte völkerrechtliche Dokument der Welt: die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Seit die Mitglieder der Vereinten Nationen die Charta vor 60 Jahren, am 10. Dezember 1948, in Paris unterzeichnet haben, ist sie in über 360 Sprachen verfügbar, in Englisch ebenso wie in Afrikaans oder Kashmiri. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", heißt es in Artikel 1 der Erklärung. Der Schutz der Menschenrechte, der vorher fast ausschließlich Sache der Nationalstaaten war, wurde in diesem Dokument erstmals auf internationaler Ebene geregelt.
Doch Regeln aufstellen ist das eine. Die Verwirklichung der Menschenrechte etwas anderes. Und so steht die deutsche Menschenrechtspolitik auch heute, 60 Jahre nach Annahme der Erklärung, vor neuen, schwierigen Herausforderungen. Das war Thema und Tenor des 20. Forums Globale Fragen, an dem am 14. Oktober Vertreter von Bundesregierung, Bundestag und zahlreicher Nichtregierungsorganisationen im Auswärtigen Amt in Berlin teilnahmen.
"Neue Fragestellungen und Spannungsfelder kommen auf den Menschenrechtsschutz zu", machte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Auftakt deutlich. Er erinnerte an die Situation nach dem 11. September 2001 und den damals begonnenen, "nicht ganz einfachen Dialog" mit den USA über die Auslegung von Menschenrechten im Kampf gegen den Terrorismus. Die Universalität von Menschenrechten, betonte er, gelte "auch im Zeitalter von Guantanamo". Dieses Bewusstsein auf allen Seiten zu stärken, darum sei es letztlich in den Gesprächen mit den USA gegangen. In Bezug auf China kündigte Steinmeier an, dass die Bundesregierung den Menschenrechtsdialog nach den bilaterale Schwierigkeiten im vergangenen Jahr am 4. November wiedereröffnen werde. In Zentralasien, dem Balkan und Afghanistan sollen ebenfalls Menschenrechtsdialoge eingeführt werden.
Terrorismus, Klimawandel, Nahrungsmittelkrise - auch Navanethem Pillay, vor sechs Wochen zur neuen Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen ernannt, sieht einiges auf die Menschenrechtspolitik zukommen. "Die derzeitige Finanzkrise wirkt sich stark auf die Menschenrechte aus", betonte die Südafrikanerin in Berlin. Hinsichtlich der Umsetzung der Milleniumsziele forderte sie, diese nicht isoliert von den Menschenrechten zu verfolgen, sondern sie vielmehr durch Menschenrechtsstandards zu ergänzen. "Nur so wird der Entwicklungsprozess langfristig nachhaltiger", so Pillay.
Deutliche Töne fand Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von amnesty international Deutschland. Sie kritisierte steigende Rüstungsexporte, eine verfehlte Migrationspolitik und eine Reihe von Konventionen auf internationaler und europäischer Ebene, die die deutsche Regierung bisher nicht implementiert habe. Außerdem betone die Regierung zwar, dass der Anti-Terror-Kampf unter Einhaltung der Menschenrechte geführt werde müsse. Mit Verweis auf Verschleppungsflüge durch die CIA und deutsche Gefangene in Foltergefängnissen, sehe amnesty "aber in keinem Punkt, dass sie hierfür Maßnahmen auch angelegt" habe.
Herta Däubler-Gmelin (SPD), Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, merkte in der Diskussion an, "Heuchelei auf der einen Seite und Krokodilstränen auf der anderen" seien nicht auf eine bestimmte Staatsform beschränkt. Mit Sonntagspredigten erreiche man nichts, Menschenrechtsfragen müssten in der Fachpolitik eine Rolle spielen. Derzeit bemühe sich der Ausschuss um eine stärkere Vernetzung der Menschenrechtspolitik in Europa. "Ziel ist es, die Parlamente stärker zu involvieren", und mit dem EU-Parlament und den Nichtregierungsorganisationen enger zusammenzuarbeiten. Keine Frage: Auch 60 Jahre nach Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt es noch viel zu tun.