BILDUNGSBERICHT
Schavan verkündet zinsgünstige Kredite für Studenten. Für SPD und Opposition ist das Augenwischerei
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kam sich "gleich beim ersten Satz von Frau Schavans Rede veräppelt" vor. Den von Schavan hervorgehobenen Erfolgen in der Bildungspolitik stellte Künast am 16. Oktober im Bundestag während der Debatte über den Nationalen Bildungsbericht Negativpunkte gegenüber. Unterstützt wurde sie dabei von den Vertertern der anderen Oppositionsfraktionen und den Sozialdemokraten. Kritisiert wurden vor allem die finanziellen Versprechungen der Union vor dem Bildungsgipfel und die Haltung der unionsgeführten Bundesländer.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte zu Beginn der Debatte die positiven Aspekte des Bildungsberichtes ( 16/10206) unterstrichen. In der frühkindlichen Bildung gebe es Fortschritte. Die Verbindung zwischen der sozialen Herkunft und der Schulart, die ein Kind besucht, werde schwächer. Allerdings sah die Ministerin weiterhin Verbesserungsbedarf. "Die Herkunft darf über die Zukunft nicht entscheiden", so Schavan. Die Aufgabe des Bildungsgipfels am 22. Oktober müsse sein, ein Signal zu senden, dass jeder eine reelle Chance auf kulturelle Teilhabe und individuelle Lebensgestaltung haben solle. Mehr Studienanfänger seien notwendig. Außerdem "wollen wir auch mehr, die ihr Studium nicht nur anfangen, sondern auch beenden". Deswegen müsse auch die Finanzierung gesichert sein, sagte Schavan. Dazu gehörten unter anderem Studienkredite. Sie kündigte an, dass die Zinsen für diese Kredite der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau rückwirkend zum 1. Oktober von 7 auf 6,5 Prozent sinken werden. Aller- dings hatte die KfW die Zinsen am 1. Oktober von 6,29 Prozent auf 7 Prozent erhöht.
Ulla Burchardt (SPD) betonte dagegen, der Bericht übe "scharfe Kritik" an der mangelnden Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems. Außerdem lägen die Bildungsinvestitionen immer noch unter dem Durchschnitt der westlichen Industrieländer. Der Union warf sie vor, mit ihrer Bildungspolitik in den 80er- und 90er-Jahren den heutigen Fachkräftemangel mitproduziert zu haben. Auch Ernst Dieter Rossmann (SPD) übte Kritik. Vor allem der CSU warf er Blockade bei der Erbschaftssteuer vor. Dabei würde der Verlust dieser Einnahmen allein für Bayern rein rechnerisch den Verzicht auf 14.000 Lehrer- und Professorenstellen bedeuten, so Rossmann.
Prinzipielle Unterstützung für den Bildungsgipfel erhielt die Bundeskanzlerin von der FDP. "Die Kanzlerin macht Bildung zur Chefsache, das finden wir richtig", sagte Cornelia Pieper (FDP). Jeder Schulabbrecher sei einer zuviel. Sie forderte eine dauerhaft eingerichtete Bildungskonferenz von Bund und Ländern, die gesetzlich verankert werden solle. Die Bildungsausgaben müssten ebenfalls steigen. Sie kritisierte die von Schavan angekündigten zusätzlichen 6 Milliarden Euro für die Bildung als "Luftbuchung". "Das steht ja alles schon im Haushalt drin", rief Pieper. Wenn die Union bis 2015 das selbstgesteckte Ziel von Bildungsinvestitionen in Höhe von zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen wolle, dann müsse sie mindestens 3,5 Milliarden Euro zusätzlich im kommenden Haushalt einplanen. Die angekündigten 6 Milliarden Euro seien "pille-palle", vor allem, wenn man sie mit dem rund 500 Milliarden schweren Rettungspaket für die Banken vergleiche, warf auch Cornelia Hirsch (Die Linke) der Bundesregierung vor. Nach ihrer Berechnung müsste Deutschland jährlich 18 Milliarden Euro mehr für Bildung ausgeben, um überhaupt auf den europäischen Durchschnitt zu kommen. Sie forderte unter anderem die bundesweite Einführung von Gemeinschaftsschulen, Gebührenfreiheit "von der Kita bis zur Weiterbildung" und einen bundesweit einheitlichen Zugang zur Hochschule.
Künast kritisierte, die von der Bildungsministerin als positive Nachricht verkündete Zinssenkung der KfW verwische die Tatsache, dass der Zinssatz jetzt immer noch höher sei als im September. Künast forderte ein Erwachsenen-BAföG statt Kredite, einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr und mehr Ganztagsschulen.
Im Anschluss an die Debatte wurde das Fünfte Vermögensbildungsgesetz ( 16/9560) in der vom Ausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen der Koalition verabschiedet. Die FDP enthielt sich, Linke und Grüne stimmten dagegen. Zwei Anträge der Grünen und ein Antrag der Linken ( 16/1643, 16/8749, 16/8741) wurden abgelehnt. Je zwei Anträge der FDP und der Grünen sowie einen Antrag der Linksfraktion ( 16/10328, 16/10327, 16/10587, 16/10586, 16/9808) überwiesen die Abgeordneten an den Bildungsausschuss.
Unterdessen mehren sich die kritischen Stimmen vor dem Bildungsgipfel auch außerhalb des Bundestages. Die von Schavan angekündigten 6 Milliarden Euro seien "deutlich zu wenig", kritisiert etwa die Hochschulrektorenkonferenz. Sie verlangt 13 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren allein für die Universitäten. Der Deutsche Kulturrat beklagt ein "verengtes Bildungsverständnis" der Bundesrregierung. Kulturelle Bildung werde in Deutschland immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt.
Nach Berechnungen des Bildungsökonomen Dieter Dohmen in einer im Auftrag der Grünen erstellten Studie wird die "demografische Rendite" weniger hoch ausfallen als erhofft. Die Kultusminister rechnen damit, aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen ab 2015 bundesweit 8 Milliarden Euro pro Jahr mehr zur Verfügung zu haben. Dohmens Berechnungen zufolge werden bis 2020 allerdings nur 2,35 bis 5,3 Milliarden Euro frei.