VOLKSWAGEN-GESETZ
Niedersachsen und der Bund verlieren Anspruch auf Aufsichtsratssitze
Eine überwältigende Mehrheit des Bundestages hat sich am 13. November für eine Änderung des sogenannten VW-Gesetzes ausgesprochen. Die Abgeordneten stimmten einem Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/10389) zu, dass das im VW-Gesetz vorgesehene Recht Deutschlands und des Landes Niedersachsen, je zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, aufgehoben werden soll. Ferner muss die Stimmrechtsbeschränkung eines Aktionärs auf 20 Prozent gestrichen werden.
Die Initiative ist Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Er hatte im Oktober vorigen Jahres entschieden, dass die Beibehaltung dieser Vorschriften eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs in der Europäischen Union sei.
Der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach (SPD) sagte, aufgrund der Geschichte des Volkswagenwerkes sei es gerechtfertigt, dass das VW-Gesetz gewisse Abweichungen vom allgemeinen Aktienrecht vorsehe. Das VW-Gesetz stammt aus dem Jahr 1960, als die Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Ein Ziel der öffentlichen Hand war es damals, wegen der Rolle des Werkes während des Nationalsozialismus Einfluss auf den Autobauer zu behalten. Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) sah das VW-Gesetz darüber hinaus "als stabile Grundlage eines Traditionsunternehmens, als Mittel der Standortsicherung und als Instrument der Beschäftigungssicherung".
Der EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy will auch gegen die Neufassung des VW-Gesetzes vor dem EuGH klagen. Er wendet sich gegen das Veto-Recht des Landes Niedersachsen. McCreevy erntete dafür Kritik: Hartenbach war sich sicher, dass das Parlament das EuGH-Urteil "zu 100 Prozent" in nationales Recht umsetzt. Die Regierung sehe daher keinen Anlass davon abzurücken, die Sperrminorität des VW-Gesetz fortbestehen zu lassen. Auch Grosse-Brömer und die Vertreterin der Grünen, Thea Dückert, waren der gleichen Ansicht.
Dorothée Menzner (Die Linke) warf der EU-Kommission "neoliberale Verblendung" vor. Man müsse das Europarecht so verändern, dass es nicht weiter als "Brechstange gegen den Sozialstaat" eingesetzt werden könne. Lediglich Paul Friedhoff (FDP) war anderer Meinung: Er forderte die komplette Aufhebung des VW-Gesetzes. Es sei nicht mehr zeitgemäß, wenn ein Bundesland bei einem voll im Wettbewerb stehenden Automobilkonzern hineinregiert.
Das Parlament lehnte einen Gesetzentwurf der Linken ( 16/8449) ab. Aus Sicht der Fraktion greift die Entscheidung des EuGH in die Eigentumsordnung Deutschlands ein. Nach den europäischen Vorschriften sei es den Mitgliedstaaten selbst vorbehalten, auch öffentliche Unternehmensformen einzuführen.