FAMILIE
Mindestens 10 Euro mehr Kindergeld ab 2009. Opposition reicht das nicht
Als konsequente Familienförderung bezeichnen es die einen, als "Wahlkampfgetöse" beschimpfen es die anderen. Die Erhöhung des Kindergeldes und -freibetrages, die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten für Putzhilfen und ähnlichen Dienstleistungen sowie das Schulgeld für Kinder von Hartz IV-Empfängern - alles zusammengefasst im Familienleistungsgesetz ( 16/10809) - fand in seiner ersten Lesung am 13. November im Bundestag keine Anhänger aus den Reihen der Opposition. Auch die Novelle des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes ( 16/9415), die am gleichen Tag beschlossen wurde, stieß auf Kritik bei FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Der Antrag der Linksfraktion ( 16/10616), auch Hartz IV-Empfänger von dem erhöhten Kindergeld profitieren zu lassen, wurde an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) warb für die Mehreinnahmen, die "zielgenau für kinderreiche Familien" angelegt seien, für "kleinere und mittlere Einkommen. Kinderreiche Familien sind aus der Mitte der Gesellschaft verschwunden", sagte von der Leyen. Dem solle mit der Erhöhung des Geldes auch für das dritte und jedes weitere Kind entgegengewirkt werden.
Das Familienleistungsgesetz sieht - erstmals seit sieben Jahren - eine Erhöhung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um jeweils 10 Euro auf 164 Euro vor. Für das dritte sowie für jedes weitere Kind sollen Eltern je 16 Euro mehr erhalten, also künftig 170 beziehungsweise 195 Euro. Der Kinderfreibetrag wird nach den Plänen der Bundesregierung um 192 Euro auf 3.840 Euro angehoben. Insgesamt werden die Freibeträge für jedes Kind somit von 5.808 auf 6.000 Euro angehoben, heißt es im Gesetzentwurf. Außerdem sollen Familien Kosten für so genannte haushaltsnahe Dienstleistungen, also Babysitter, Putzfrau, Gärtner oder Pfleger für Angehörige künftig leichter von der Steuer absetzen können. Bis zu einem Gesamtbetrag von 20.000 Euro würden 20 Prozent von der Steuerschuld abgezogen. Die dritte Änderung ist das Schulgeld in Höhe von 100 Euro für Kinder und Jugendliche, deren Eltern Arbeitslosengeld II erhalten. Die Schüler sollen das Geld von der ersten bis zur zehnten Klasse zu Beginn jedes Schuljahres erhalten, um Bücher, Stifte, Hefte und ähnliches kaufen zu können.
Der Opposition gingen die geplanten Änderungen nicht weit genug. Carl-Ludwig Thiele (FDP) forderte eine Erhöhung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um 16 Euro. Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ina Lenke, kritisierte, "die Große Koalition zieht den Familien mit der Mehrwertsteuererhöhung weiter das Geld aus der Tasche". Sie plädierte für einen niedrigeren Steuersatz zum Beispiel für Windeln, was von der Koalition aber bisher abgelehnt worden sei. "Aber bei der Diätenerhöhung waren Sie schneller als der Wind", hielt sie den Abgeordneten von Union und SPD vor.
Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Koalition vor, lediglich die Vorgaben des Existenzminimumberichtes umgesetzt zu haben. "Sie hätten doch keinen Wahlkampf durchgestanden, wenn die, die nichts haben, nichts gekriegt hätten", rief Deligöz. Die Grünen-Politikerin forderte die Abschaffung des Ehegattensplittings. Der Staat solle "Kinder fördern und nicht Trauscheine". Die Regierung verschenke mit dem Beibehalt des Splittings "die Chance, echte Reformen auf den Weg zu bringen". Barbara Höll (Die Linke) kritisierte das Gesetz ebenfalls als unzureichend. Die Erhöhung des Kindergeldes stehe den Bürgern ohnehin zu. Die vereinfachte Absetzung von Babysittern und ähnlichem von der Steuer sei "nichts mehr als eine kleine Geste und nichts, was die Konjunktur ankurbeln wird". Gemeinsam mit SPD und Grünen forderte sie, die Begrenzung des Schulgeldes für Kinder von Langzeitarbeitslosen auf die zehnte Klasse zu streichen. "Meinen Sie, dass Kinder von Hartz IV-Empfängern zu dumm fürs Abitur sind?" fragte Höll vorwurfsvoll. Die Linke brachte außerdem einen Antrag ein, in dem sie forderte, die Erhöhung des Kindergeldes nicht auf Hartz-IV-Sätze anzurechnen. Auf diese Weise könnten auch sozial schwache Familien von den Hilfen des Staates profitieren.
Die 100 Euro zu Beginn jedes Schuljahres stellten "eine echte Hilfe für Familien" dar, sagte Lydia Westrich (SPD). Für diesen Punkt hätten sich die Sozialdemokraten in besonderem Maße eingesetzt. Sie plädierte dafür, die Hilfe ebenfalls an Oberstufenschüler zu zahlen. Denn gerade Kindern bedürftiger Familien müsse in besonderem Maße geholfen werden, eine höhere Bildung zu erlangen.
Spät abends am 13. November verabschiedete der Bundestag zudem Änderungen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (16/9415). CDU/CSU und SPD stimmten für die Gesetzesnovelle. FDP und Bündnis 90/Die Grünen votierten dagegen. Die Linke enthielt sich.
In Zukunft können auch Großeltern bei ihrem Arbeitgeber Elternzeit beantragen, sofern die Eltern minderjährig oder noch in Ausbildung sind. Voraussetzung ist, dass die Eltern nicht selbst Elternzeit beantragen. Mit dieser Klausel sollen junge Mütter und Väter darin unterstützt werden, Schule und Ausbildung ohne große Verzögerung abschließen zu können. Ein Elterngeld erhalten die Großeltern jedoch nicht, das bleibt den Eltern vorbehalten.
Die zweite Änderung betrifft die Mindestbezugsdauer. Bisher konnten zum Beispiel Männer berufstätiger Frauen auch nur einen Monat Elternzeit nehmen. Voraussetzung für die Verlängerung der einjährigen Bezugsdauer um maximal zwei "Partnermonate" ist nämlich eine zweimonatige Erwerbsminderung, die berufstätige Frauen schon durch die acht Wochen Mutterschutz erfüllen. Zugleich soll der Antrag auf Elterngeld flexibler werden. Sowohl die Bezugsdauer als auch die Aufteilung der Partnermonate können Mütter und Väter künftig einmal ohne Angabe von Gründen ändern. Bislang war das nur bei bestimmten Härtefällen möglich. Außerdem soll Wehr- oder Zivildienst junger Väter künftig nicht mehr in die Berechnung des Elterngeldes mit einbezogen werden. Stattdessen soll das Einkommen früherer Monate berücksichtigt werden.