FINANZEN
Erleichterungen für Familien mit Behinderten - Krise zwingt zum Handeln
Das Wort "Jahressteuergesetz" hört sich nach nüchternem Steuerrecht an - ähnlich wie Lohnsteuer-Durchführungsverordnung. Doch von den Vorschriften können Schicksale abhängen, was für die beteiligten Politiker eine große Verantwortung bedeutet. Inmitten einer Serie von immer schlechter werdenden Finanznachrichten, die hektische Aktivitäten des Gesetzgebers ausgelöst haben, ging eine Gesetzesänderung im Jahresteuergesetz ( 16/10189) unter: Familien, die Behinderte aufnehmen, soll finanziell geholfen werden.
Durch die Neuregelung werden alle Einnahmen steuerfrei gestellt, die einer Gastfamilie für Pflege, Betreuung, Unterkunft und Verpflegung eines behinderten Menschen von Sozialleistungsträgern gezahlt werden. "Gastfamilien ermöglichen behinderten Menschen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft außerhalb von Einrichtungen der Behindertenhilfe", heißt es dazu in dem Entwurf. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung begrüßte die Änderung. Im letzten Jahr hatten die Finanzbehörden verfügt, dass das Betreuungsgeld, das diesen Familien gezahlt wird, bis auf einen Freibetrag von 300 Euro zu versteuern sei. Die Lebenshilfe warnte, dass sich dadurch weniger Bürger bereit finden würden, Behinderte bei sich Zuhause aufzunehmen und zu betreuen.
Mit dem Jahressteuergesetz will der Gesetzgeber auch andere wichtige Neuerungen einführen: Ehepaare sollen vom Jahr 2010 an mit Hilfe eines neuen Faktors den Lohnsteuerabzug untereinander neu verteilen können. Mit dem neuen "optionalen Faktorverfahren" soll erreicht werden, den zumeist bei Ehefrauen hohen Lohnsteuerabzug in der heutigen Steuerklasssen-Kombination III/V abzumildern. Der geringer Verdienende in der Steuerklasse V soll künftig mindestens in den Genuss der ihm persönlich zustehenden Steuerentlastung durch Grundfreibetrag, Vorsorgepauschale, Sonderausgaben-Pauschbetrag und Berücksichtigung von Kindern kommen.
Ein weiterer Änderungsantrag betrifft die so genannten Basisrentenverträge zur Altersversorgung. Bisher müssen die Finanzämter jeden einzelnen Vertrag auf Förderungsfähigkeit prüfen. Weil die Einzelfallprüfung sehr zeitaufwendig und fehleranfällig sei, werde jetzt eine einheitliche Zertifizierung eingeführt. Dadurch werde bindend festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Förderung vorliegen. Steuerbürger, Anbieter dieser Produkte und Finanzämter würden entlastet. Eine Umgehung der Abgeltungssteuer wollen Union und SPD mit einem weiteren Änderungsantrag verhindern. So würden Lebensversicherungsverträge mit einem sehr geringen Versicherungsschutz und Verträge mit individueller Vermögensverwaltung angeboten. Im Erlebensfall werde keine Versicherungsleistung garantiert. Bei diesen Verträgen erscheine eine privilegierte Besteuerung wie bei anderen Lebensversicherungen nicht mehr angemessen und solle entfallen.
Da das Jahressteuergesetz wegen der Fülle von 78 Änderungen im Finanzausschuss noch nicht abgeschlossen und damit im Bundestag auch noch nicht beraten werden konnte, dürfte die nächste Sitzungswoche ab 24. November, die eigentlich dem Bundesetat 2009 gewidmet ist, auch zu einer Steuerrechtswoche werden: Neben dem Jahressteuergesetz müssen noch die Erbschaftsteuerreform und das Konjunkturpaket mit seinen zahlreichen Steuerrechtsmaßnahmen auf die Tagesordnung. Die Zeit drängt: Kommt das Erbschaftsteuergesetz nicht rechtzeitig, kann die Steuer ab 2009 möglicherweise nicht mehr erhoben werden. Die aktuelle Wirtschaftslage zwingt die Koali- tion, das Konjunkturprogramm möglichst schnell abzuschließen. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD stimmten dem Paket schon zu. Ein Ende der Finanzkrise sei noch nicht in Sicht, so Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Der Sachverständigenrat setzte alle Wachstumserwartungen für 2009 auf null, und Ewald Nowotny, Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), sieht sogar die ganze Eurozone jetzt schon mitten in der Rezession.
Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages sprach Wirtschafts-Staatssekretär Hartmut Schauerte (CDU) von einer "krisenhaften Zuspitzung der wirtschaftlichen Lage". Es könne noch keine Entwarnung gegeben werden. Experten erwarten von dem Konjunkturprogramm besonders starke Impulse durch die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung und die Ausweitung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms.
Heftigen Streit gab es nur um einen Einzelpunkt des Pakets, der allerdings alle Autokäufer betrifft: Die Regierung wollte Neufahrzeuge bis zu zwei Jahre lang von der Kfz-Steuer befreien. Die Maßnahme sollte für Autokäufe bis zum Jahre 2010 gelten. Dagegen gab es Widerstand in der SPD-Fraktion. Jetzt soll es die Steuerbefreiung nur noch für Autos geben, die bis Ende Juni 2009 gekauft werden.
Der dritte große steuerpolitische Brocken ist die Reform der Erbschaftsteuer. Sie hätte längst in trockenen Tüchern sein sollen, doch die CSU bestand auf Erleichterungen für das Vererben von Betriebsvermögen und verlangte Garantien, dass Familienheime nicht verkauft werden müssen, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können. Die CSU setzte durch, dass Häuser mit einer Wohnfläche bis 200 Quadratmetern im Erbfall steuerfrei bleiben sollen.
Doch jetzt legt sich die FDP über ihre Regierungsbeteiligungen in den Ländern im Bundesrat quer. Damit müsste sich auch das von CSU und FDP regierte Bayern der Stimme enthalten. Im Bundesrat käme das Gesetz jedoch trotzdem durch. Nach dem Scheitern des Versuchs einer rot-grünen Koalition mit Duldung der Linkspartei in Hessen hat die Große Koalition im Bundesrat weiter eine knappe Mehrheit von 35 der 69 Stimmen.