Es geht das Gerücht um, dass die Bundesregierung die Einführung einer CO2-Steuer für Fahrradfahrer plant. Die öffentliche Meinung läuft Sturm: "Steinbrück greift Merkel jetzt auch in die Fahrradtaschen", titelt die Bild-Zeitung. Ein Sprecher des SPD-Parteivorstandes erklärt, bei der geplanten Fahrradsteuer werde es "sozial gerecht zugehen. Große Fahrräder werden höher besteuert als kleine." Die Opposition legt Protest ein. Die Linkspartei demonstriert mit Transparenten, auf denen zu lesen ist: "Wer hat uns fahrradn? Sozialdemokradn!" Auch Grünen-Sprecherin Renate ist gegen das Gesetz, deutet aber die Zustimmung ihrer Fraktion für den Fall an, "dass Lehrer und Sozialarbeiter von der Steuer ausgenommen werden". Und auch der Beamtenbund meldet sich zu Wort: Er fordert eine Erhöhung der Besoldung, da "Beamte am stärksten von der Steuer betroffen seien".
Beim Sketch "Der Gesetzentwurf" des Kabaretts "Die Wasserwerker" bekommen alle ihr Fett weg, die sich auf der politischen Bühne Berlins tummeln. An Kabarettisten herrscht in Berlin zwar kein Mangel; was aber die "Wasserwerker" zu einer ungewöhnlichen Erscheinung in der deutschen Satire-Landschaft macht, ist der Hauptberuf ihrer Mitglieder: Es sind allesamt aktuelle oder ehemalige Mitglieder des Bundestages, die auf der Bühne stehen. Einzig der Pianist Franz Josef Lübken fällt aus dem Muster: Er ist Physikprofessor.
"Die Wasserwerker" fanden sich noch zu Bonner Zeiten zusammen. Ihre Geschichte begann mit einem Umzug: Aus dem Bonner Wasserwerk, wo der Bundestag seit 1986 getagt hatte, zogen die Abgeordneten 1992 in das neugebaute Bonner Plenargebäude. Ironie der Geschichte: Schon vor der Einweihung stand fest, dass die Hauptstadt einige Jahre später nach Berlin verlegt würde. Trotzdem sollte der Abschied aus dem Wasserwerk gebührend gefeiert werden, und die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth bat die Abgeordneten um einen Beitrag aus dem Bereich der "selbstgemachten Abgeordnetenkultur". Der Vorschlag sprach sich herum, Kultur- und Musikbegeisterte aus mehreren Fraktionen meldeten sich bei Eckart Kuhlwein (SPD, 3. von links), der die Truppe koordinierte, und bei der Premiere im Oktober 1992 feierten die "Wasserwerker" einen rauschenden Erfolg.
Ihren Themen sind sie seitdem treu geblieben: den kleinen und großen Absurditäten im Leben eines Bundestags-Abgeordneten. Zum Beispiel, wenn man sich als letzter anwesender Abgeordneter seiner Fraktion zur späten Stunde im Plenum selber applaudieren muss, damit im Protokoll "Applaus bei der eigenen Fraktion" vermerkt wird. "Es geht darum, sich selbst auf die Schippe zu nehmen", sagt Hans Raidel (CSU, 5. von links). Es sei schön, neben der Arbeit im Parlament noch etwas "zur Gaudi und zur Entspannung" zu haben, auch wenn man sich die Zeit dafür "herausschneiden" müsse.
Seit der Bundestag in der neuen Hauptstadt tagt, war es still geworden um die schlagfertigen Parlamentarier. Doch als sie gebeten wurden, einen Spenden-Abend zugunsten der Hilfsorganisation CARE auf die Beine zu stellen, sagten sie zu. So standen auf dem Programm neben eher nostalgischen Stücken, in denen die Bundestagspräsidentin noch Rita Süssmuth und der Kanzler noch Helmut Kohl heißt, auch aktuelle Stücke: Mitten in der Haushaltswoche und unter Parlamentariern bekommt das Lied "Das bisschen Haushalt macht sich von allein" beispielsweise eine ganz neue Bedeutung. Manche Stücke bleiben immer aktuell, ist Eckart Kuhlwein überzeugt: "Ich bin vor zehn Jahren aus dem Bundestag ausgeschieden, aber vieles wiederholt sich einfach."
Ehrengast Rita Süssmuth hofft deshalb, dass die "Wasserwerker" ihr Comeback nicht auf einen Abend beschränken: "Es ist toll, wenn sich Parlamentarier auf den Arm nehmen können - und dabei, wie Hofnarren, auch manche Wahrheiten verkünden."