ERBSCHAFTSTEUER
Bundestag beschließt Reform - CSU fordert bereits weitere Änderungen
So ein langes Ringen habe ich noch nicht erlebt", befand SPD-Fraktionschef Peter Struck - mit immerhin 28 Parlamentsjahren auf dem Buckel. Ausgesprochen ungewöhnlich blieb das zweieinhalbjährige Tauziehen um das Erbschaftsteuerreformgesetz bis zum Schluss. Koalitionsredner betrieben am 27. November mit gegenseitigen Vorhaltungen das Opposi- tionsgeschäft gleich mit. Immerhin reichte es bei der namentlichen Abstimmung dann doch zur Mehrheit.
Das Gesetz ( 16/7918, 16/8547, 16/11075) sieht vor, dass hinterbliebene Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Kinder ein Wohnhaus in den allermeisten Fällen steuerfrei erben können. Bei Betriebsübergängen entfällt die Erbschaftsteuer, wenn die Firmen zehn Jahre fortgeführt (darunter schmilzt der Prozentsatz von Jahr zu Jahr ab) und die Vorgaben für Lohnsummen nicht unterschritten werden. 555 Stimmen wurden abgegeben, 384 Abgeordnete warfen bei der namentlichen Abstimmung die Ja-Karte, 168 die Nein-Karte ein - bei drei Enthaltungen. 28 Gegenstimmen kamen aus der Union, eine aus der SPD. Die Opposition lehnte komplett ab.
Das Ergebnis spiegelte den Debattenverlauf wider. Das neue Gesetz werde "ein kleines Stück dazu beitragen, dass es in dieser Welt gerechter zugeht", gab sich Florian Pronold (SPD) überzeugt. "Linke Neider in unserer Gesellschaft" machte Albrecht Rupprecht (CDU/CSU) aus. Erben sei "kein leistungsloser Erwerb", sondern mit der "Verantwortung fortzuführen" verknüpft. Kanzlerin und Finanzminister verträten "nur die Interessen der Reichen", stellte Barbara Höll (Linksfraktion) fest. Als "ungerecht" stufte Christine Scheel (Grüne) das Paragrafenwerk ein. "Betriebsfeindlich und familienfeindlich" ist es für Hermann Otto Solms (FDP).
Verblüffende Züge bekam die Debatte, als CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer einwarf, Kritiker könnten "sich bei der SPD bedanken". Nichts da, hielt ihm Solms entgegen: Ja, Nein oder Enthaltung sei Sache eines jeden Abgeordneten: "Sie können die Verantwortung nicht auf die SPD abwälzen." Konkret ging es dabei um die Schlechterstellung von Geschwistern im Vergleich etwa zu Eltern/Kindern. Insgesamt passt der CSU jedoch die ganze Richtung nicht: Am liebsten wäre es ihr, jedes Bundesland könnte für sich entscheiden, ob und gegebenenfalls wie die Erbschaftssteuer erhoben wird. Mit dieser Forderung hatte sie sich jedoch in der Koalition nicht durchsetzen können.
Zahlen und Quoten wirbelten durch das Plenum: Bis zu 95 Prozent der Betriebe zahlten schon jetzt keine Erbschaftsteuer, künftig würden es noch mehr. Das machte Pronold geltend. 250 Milliarden Euro pro Jahr würden vererbt bei vier Milliarden Euro Erbschaftsteueraufkommen. Da könne ja wohl von einem "enteignungsgleichen Eingriff" nicht die Rede sein. Er rechnete vor: An Ehepartner, Kinder, Enkel könnten künftig "dreieinhalb durchschnittliche Eigenheime" vererbt werden, ohne dass der Fiskus zulange. Neben dem Umgang mit selbst genutztem Wohneigentum war die Sorge um den Weiterbestand der Betriebe im Erbfall das zweite Kernproblem. Prinzipiell habe das Bundesverfassungsgericht die gleiche Besteuerung aller Vermögenswerte vorgeschrieben, rief Pronold den Ausgangspunkt des Gesetzesvorhabens in Erinnerung. Ausnahmen setzten eine "gute Begründung" voraus - das "Allgemeinwohl". Das sei beim Erhalt von Arbeitsplätzen gegeben. An den dazu gefundenen Regelungen ließ Carl-Ludwig Thiele (FDP) kein gutes Haar: "Totaler Murks, nicht praktikabel, streitanfällig, bürokratisches Monster." Das Gesetz ("So was von verunglückt") werde ein "Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer". Rupprecht hielt dagegen, die angepeilten Neuregelungen brächten eine "dramatische Verbesserung". Wobei Rupprecht aber die Schwachstellen gleich selbst benannte: Das Steuerrecht werden komplexer, die Abgrenzung von Verwaltungsvermögen und Betriebsvermögen weise kritische Punkte auf. Vor allem ging es ihm um Härtefallregelungen bei der Lohnsumme. Schon dieser Punkt werde dazu führen, dass "wir in der nächsten Legislaturperiode Änderungen wollen". Bestand habe das ganze Gesetz ohnehin nicht, gab sich Scheel sicher. Die Neufassung sei "wohl verfassungswidrig", wie sie meinte: "Sie verlagern die Problematik wieder auf das Gericht." Scheel sieht in der Erbschaftsteuer eine "soziale Gerechtigkeitsteuer". Das dabei hereinkommende Geld müsse in das Bildungssystem investiert werden.
Höll verwies auf die bayerische Verfassung. Als eine Begründung der Erbschaftssteuer werde dort genannt, die "Ansammlung von Riesenvermögen in Händen Einzelner zu verhindern". Eine Erbschaft sei ein "Vermögenszuwachs ohne eigenes Zutun". Ihre Besteuerung tue "niemandem weh". Die Sorge um das Überleben von Unternehmen sei ein "Phantomschmerz". Schon mit der noch gültigen Regelung habe es "keine Pleiten und Stundungen" gegeben.
In dem Punkt, aber auch nur da, war Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ganz auf ihrer Seite: Kein Betrieb sei bisher wegen der Erbschaftsteuer geschlossen worden. Andererseits müssten die Betriebe "Gegenleistungen" bringen, wenn sie nicht zur Kasse gebeten werden - sonst wäre das "gleichheitswidrig". Der Bezug nicht auf die Arbeitsplätze, sondern auf die Lohnsumme für den Gesamtzeitraum sei die richtige Vorgabe, damit bei den Betrieben weiterhin "das Atmen gegeben" sei. Aus München meldete sich nach der Entscheidung der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und nannte die Reform nur einen ersten Schritt, "dem weitere folgen müssen".