Das Warten hat ein Ende. Mit der Sozialdemokratin Martina Eickhoff ist ein neues Gesicht aus dem östlichen Ruhrgebiet in den Deutschen Bundestag eingezogen. Warum? Weil die früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Ernst Küchler Oberbürgermeister in Leverkusen und Jochen Welt Landrat in Recklinghausen wurden, gehört Martina Eickhoff neben Hildegard Wester zu den "Nachrückern", wie die Abgeordneten etwas bürokratisch genannt werden, wenn sie im Laufe der Legislaturperiode in das Parlament kommen. Jetzt möchte sie "dort Einblick bekommen, wo Bundespolitik gemacht wird, aber auch genau die Brücke schlagen, wo Politik umgesetzt wird, nämlich in der Region".
Eickhoff geht davon aus, dass ihre beruflichen Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Steinkohle hilfreich dabei sein werden, wenn es darum geht, Politik transparenter zu machen. Es kommt ihrer persönlichen Neigung, aber auch ihrer Qualifikation entgegen, dass sie bei der Energiepolitik mitmischen wird. Die 38-jährige Bergvermessungsingenieurin arbeitet im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie im Auschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Sie wird mit der Forschung und Entwicklung von Energien und regenerativen Energieträgern befasst sein, als "klassische Arbeitnehmerin" sieht sie aber auch gute Mitwirkungsmöglichkeiten beispielsweise in der beruflichen Bildung.
Da sie sich schon mehrere Jahrzehnte ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert, nämlich bei der so genannten Schreberjugend, ein traditionsreicher aus der Arbeiterbewegung stammender bundesweiter Jugendverband, bieten sich ihr im Bildungsausschuss gute Ansätze, sich auf Bildung und Kinder- und Jugendarbeit zu konzentrieren. "In Bergkamen machen wir sehr viel Musisch-Kulturelles. Die Kinder können mit fünf Jahren dazukommen. Und es gibt Leute wie mich, die eben mit 38 Jahren immer noch aktiv sind. So gut ich es kann, werde ich die Arbeit weiterhin unterstützen." Dass sie ihren Beruf in der sitzungsfreien Zeit fortsetzen möchte, zumindest diesen zeitlichen Spagat versucht, kann ein Hinweis darauf sein, wie wichtig es für die Bergkamenerin ist, eine lokale Verbindung zu halten. Das ist verständlich. Sie stammt aus einer Bergbaufamilie, ist mit der Region, mit dem Revier, sehr eng verwachsen.
Aber es gibt für sie noch einen anderen wesentlichen Grund, den Beruf nicht zu unterbrechen: "Gerade als Abgeordnete halte ich weiterhin Kontakt zum heimatlichen Umfeld. Das ist mir wichtig. Meine konkreten Anregungen erhalte ich nicht nur in Berlin, sondern auch im Ruhrgebiet." Eickhoff hat zwar keinen eigenen Wahlkreis, wird aber von Recklinghausen aus die Arbeit vor Ort mit betreuen und "der heiße Draht nach Berlin sein". Im neuen Jahr können Bürgerinnen und Bürger Martina Eickhoff auch in einer Sprechstunde "vor Ort" aufsuchen. Die Strukturen dafür werden in den nächsten Wochen geschaffen. Außerdem arbeitet sie mit ihrem Team aus erfahrenen und neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen an einer benutzerfreundlichen Homepage, um bald auch den Weg der digitalen politischen Kommunikation zu nutzen, gerade um junge Leute anzusprechen und einzubinden.
Eickhoff ist keine unerfahrene Parlamentarierin. Zwar hat sie ihren Sitz im Bergkamener Stadtrat aufgegeben, dem Kreistag Unna wird sie aber weiter angehören. Und doch, als sie in Berlin das Plenum das erste Mal betrat, "war das für mich sehr beeindruck-end, zu sehen, dass ich da rein kam und nicht an der Tür stehen bleiben musste, das war etwas ganz Besonderes". Als jemand, der Neuland betritt, ist Eickhoff angetan von der kollegialen Aufnahme innerhalb der Fraktion. Schließlich ist schon mehr als die Hälfte der Legislaturperiode vorbei, und wer dann einsteigt, muss erst einmal das kennen lernen, was für andere längst vertraut ist. Da tut etwas Zuspruch gut. Immer schon ist die SPD ihr "politisches Zuhause" gewesen, waren ihr die sozialdemokratischen Werte am nächsten, beschreibt Eickhoff ihr politisches Selbstverständnis. 1989 trat sie in die Partei ein, ist stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende. Findet sie sich denn auch in der SPD von heute genauso wieder wie damals? "Wir haben geänderte Rahmenbedingungen, und deshalb ist es gerade wichtig, sozialdemokratische Akzente zu setzen. Ja, ich finde mich da wieder", sagt die neue Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit "Das Parlament". Bis 2006 komme es jetzt ihrer Auffassung nach darauf an, die Veränderungen, die angestrebt sind, zu vermitteln. "Im laufenden Prozess werden sich viele Entscheidungen anders darstellen, als zu dem Zeitpunkt, als sie mit Ängsten behaftet aufgegriffen wurden. Je mehr man erkennt, wo man selber tangiert oder nicht tangiert wird, um so größer wird das Verständnis für Veränderungen werden".
Und weil es so schwierig geworden ist, Politik zu vermitteln, hat sich Martina Eickhoff mit Cornelia Schäfer eine Expertin ins Team geholt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin kommt frisch von der Universität Münster und erlebt nun nach dem theorielastigen Studium das wahre politische Leben in Berlin. Schäfer studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft und wird ihrer neuen "Chefin" nun mit dem ganzen Elan einer jungen Absolventin beratend zur Seite stehen. Und Eickhoff setzt auf den Sachverstand, denn "die Themenvielfalt ist enorm gewachsen in der letzten Zeit. Die Probleme sind die gleichen geblieben. Die Einflüsse aus Europa und der Globalisierung sind gestiegen. Jetzt muss ich genau schauen, wie ich diese Entwicklungen verknüpfen kann - immer einen kompletten Überblick in allen Themen zu bekommen, ist nicht einfach, aber eine sehr spannende Aufgabe", so die SPD-Abgeordnete.
Kommunikation ist so ein Wort, dass Martina Eickhoff im Umgang mit Menschen nicht besonders mag. Miteinander sprechen ist ihrer Meinung nach der persönlichere Ausdruck. Und das will sie mit dem politischen Mandat im Rücken zugunsten der Menschen ausgiebig tun. Noch wichtiger sei aber das Zuhören, um das Gehörte dann strukturiert weiter zu verarbeiten. Eines wird dem Berliner Neuling in jedem Fall zugute kommen. Eickhoff ist eine fanatische Schnellleserin.
Mehrere Bücher pro Woche sind für sie kein Problem zur Freude von Buchhandlungen und Bibliotheken. Das war schon als Kind so, was ihre Eltern stutzig machte. Die glaubten nämlich, dass sie einfach nur neue Bücher bekommen wollte. Um so überraschter waren sie, als deutlich wurde, dass Martina Seite für Seite verschlungen und alles verstanden hatte. Sie liest also mit Leidenschaft und redet auch gern. Und sollte sie demnächst das erste Mal im Bundestag im "Ruhrpott-Dialekt" vor das Mikrophon treten, ist jeder Zuhörerin und jedem Zuhörer sofort klar, wo sie herkommt.