Tag für Tag marschieren Lydia und Zulmira daher gemeinsam mit ein paar anderen Frauen aus dem Dorf eine Stunde lang hinaus zu den Feldern, um sie zu bewässern. Das bisschen, was sie wegen der Trockenheit ernten, reicht trotzdem nicht mal, um die Familie zu ernähren. Dem Süden Mosambiks droht eine Hungersnot. Fast 580.000 Menschen benötigen bis zur nächsten Ernte im Frühjahr Nahrungsmittelhilfe, rechnet Angela Van Rynbach vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen vor.
Im Kampf gegen den Hunger in der Welt versprechen sich die Vereinten Nationen viel von der Grünen Gentechnik für die Landwirtschaft der Entwicklungsländer. Gerade Kleinbauern hätten große finanzielle Vorteile, so die hoffnungsvolle Analyse der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Gentechnisch veränderte Pflanzen, die bestimmten Schädlingen oder Unkrautvernichtungsmitteln widerstehen, müssen nicht mehr so oft mit giftigen Chemikalien behandelt werden. Das reduziert die Kosten und erhöht den Ernteertrag.
In dem kleinen Dorf in Mosambiks Süden macht sich Lydia hingegen wenig Hoffnung. Sie hat nun schon die vierte Kanne Wasser auf dem Gemüsefeld geleert. Bei dem Stichwort "gentechnisch veränderter Mais" schaut sie skeptisch und zuckt mit den Schultern. Die Menschen in dem kleinen Dorf Javanahane leben im Moment von der Hand in den Mund. Sie haben kaum Geld, um sich normales Saatgut zu kaufen. Die teureren Genpflanzen könnten sie überhaupt nicht bezahlen, selbst wenn sie wollten. Und auch der Genmais braucht guten Boden, Wasser und Dünger und nach der Ernte Straßen, Transportmittel und einen Markt, auf dem er verkauft werden kann - alles Mangelware in der Region um Javanahane.
Während die Ärmsten der Armen noch zweifeln, ist das Interesse an Gentechnologie in den Entwicklungsländern insgesamt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Sie stellten im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel der weltweiten Genanbaufläche. Und während diese Anbaufläche in den Industrieländern von 2004 auf 2005 nur um fünf Prozent gewachsen ist, legte sie in den Entwicklungsländern im gleichen Zeitraum 23 Prozent zu, berichtet das ISAAA, das "International Service for the Acquisition of Agribiotech Applications". Die Organisation wurde von den großen Gentechnik-Konzernen gegründet, ist also nicht neutral. Es ist aber die einzige, die jährlich einen Bericht über den Anbau von Genpflanzen vorlegt.
"Transgene Nutzpflanzen tragen zu einer Einkommensverbesserung von 7,7 Millionen Landwirten in China, Indien, Südafrika, auf den Philippinen sowie in sieben weiteren Entwicklungsländern bei und lindern somit die schlimmste Armut", interpretiert Clive James, Vorsitzender der ISAAA, seine Statistik. Ulrike Bickel nennt es dagegen "Besorgnis erregend", dass in den Entwicklungsländern der Anbau von Genpflanzen so massiv zugenommen hat. Sie setzt sich als Referentin bei Misereor für das Recht auf Nahrung ein. "In den Ländern der Dritten Welt gibt es zum Beispiel keine politischen Institutionen, die Zulassungen von neuen Gensaaten auf ihre Sicherheit prüfen oder Verunreinigungen in eigentlich konventionell bebauten Nachbarfeldern kontrollieren. Da ist der unkontrollierten Auskreuzung Tür und Tor geöffnet", warnt sie.
Gentechnik gegen den Hunger in der Welt, daran glaubt Ulrike Bickel nicht. "In den Entwicklungsländern werden hauptsächlich Genbaumwolle, Gensoja und Genmais angebaut. Das ist nicht das, was die Armen in diesen Ländern essen", wendet sie ein. "Das sind Produkte für die industrielle Verwertung und vor allem für die Viehmast in den Industrieländern." Ein Beispiel dafür sind die Genpflanzen in Argentinien. Nahezu die gesamten Sojafelder im Land sind mit gentechnisch veränderten Bohnen bepflanzt. Das meiste davon geht als Futtermittel in den Export. Allein die Europäische Union bezieht die Hälfte ihres Sojaschrots aus Argentinien. Die weitflächigen Monokulturen erobern sich seit 1996 Stück für Stück immer mehr argentinisches Terrain. Wälder werden dafür gerodet. Die Böden werden durch den fehlenden Fruchtwechsel ausgelaugt. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisiert, dass "Anbauflächen, auf denen einst Weizen, Mais, Sonnenblumen, Hirse, Reis, Bohnen oder das Viehfutter für den Eigenbedarf gewachsen ist, heute der großindustriellen Sojaproduktion dienen". Für die Kleinbauern Argentiniens bringt die Grüne Gentechnik also kaum Vorteile. Ulrike Bickel von Misereor fürchtet sogar eher Nachteile. Den Einstieg mit dem teureren Gensaatgut über Kredite können sich nur größere landwirtschaftliche Betriebe leisten. Es kommt zu Konzentrationsprozessen, und die Kleinbauern werden am Markt verdrängt. Selbst da, wo Landwirte das Geld für die vielversprechende Gensaat für ihre kleinen Felder gerade noch so zusammenbekommen, ist ein Markterfolg nicht garantiert, wie ein Beispiel aus Südafrika zeigt.
Moses Gumede steht in seinem Baumwollfeld in der südafrikanischen Region KwaZulu-Natal, im Nordosten des Landes. An den Sträuchern quellen fast überall die weißen, flauschigen Samenhaare aus den walnussgroßen Fruchtkapseln heraus, wie kleine Wattebausche. Es ist Genbaumwolle. Sie ist genetisch so verändert, dass sie das Gift gegen ihren Schädling, den Baumwollkapselbohrer, selbst produziert. Das Gensaatgut ist zwar teurer, aber dafür müssen die Felder nicht so oft mit Pestiziden gespritzt werden und man erntet pro Hektar doppelt so viel, versprechen die Saatguthersteller. Worauf die Industrie trotz allem Gentech-Know-how aber keinen Einfluss hat, das ist die derzeit erdrückende Situation auf dem Baumwollmarkt, die gerade die Kleinbauern in den Entwick-lungsländern schmerzlich erfahren. So kommt es, dass Moses keine Anstalten macht, auf seinem Baumwollfeld zu arbeiten. Er steht nur da, mit hängenden Schultern, und erzählt, dass er das Feld diesmal einfach stehen lässt, gar nicht aberntet. Kosten und Aufwand für die Ernte lohnen sich einfach nicht mehr. Der Baumwollpreis am Weltmarkt ist im Keller. Auf dem internationalen Markt können die großen Baumwollfarmer aus den USA ihr Produkt dank staatlicher Unterstützung zu Billigstpreisen anbieten. Da können die afrikanischen Bauern nicht mithalten - auch mit Genbaumwolle nicht. Im vergangenen Jahr gab es noch vier südafrikanische Rand für den Sack, in diesem Jahr liegt der Auszahlungspreis schon nur noch bei zwei Rand und neun Cent. "Wenn wir die Baumwolle an die Fabrik verkaufen, bekommen wir doch so gut wie nichts mehr dafür", seufzt Moses Gumede. Aufgrund des Preisverfalls geht die Zahl der Baumwollfarmer seit Jahren zurück. 1990 waren es noch 4.000, heute sind es gerade mal noch die Hälfte.
Die jüngsten Erfahrungen in KwaZulu-Natal trüben zwar etwas die Aufbruchstimmung, aber Südafrika bleibt weiter auf seinem Vorreiterkurs in Sachen Grüne Gentechnik. Die Regierung hat den neuen Entwicklungen der Biotechnologie immer sehr offen gegenüber gestanden. 1990 gab es hier schon die ers-ten Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Das Land hatte als erstes auf dem afrikanischen Kontinent seit 1997 ein verbindliches Gentechnikgesetz. Seit Ende der 90er-Jahre werden kommerziell Genbaumwolle, Genmais und Gensoja angebaut. Es sind Produkte, die allesamt zu dem Repertoire des US-amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto gehören. Andrew Bennet ist für sein Unternehmen absolut überzeugt davon, gerade auch den ärmeren afrikanischen Kleinbauern mit den Genprodukten etwas Gutes zu tun. "Wenn damit mehr Ertrag pro Hektar erzielt werden kann, haben sie doch einen Nutzen davon. Das verschafft ihnen ein Einkommen, und damit können die Bauern Nahrung kaufen, können Traktoren kaufen und ihre Kinder zur Schule schicken." Südafrika ist für den Konzern nur der Anfang. Man wartet darauf, dass auch andere afrikanische Länder Zulassung und Anbau von Genpflanzen gesetzlich regeln. Erst dann kann Monsanto auch dort sein Gensaatgut verkaufen.
Dank des Cartagena-Protokolls zur Biosicherheit, das vor sechs Jahren verabschiedet wurde, haben die Entwicklungsländer so was wie einen Schutzschild gegen eine unkontrollierte Geninvasion. Das Biosicherheits-Protokoll der Vereinten Nationen legt Mindeststandards für den Handel mit gentechnisch veränderten Organismen fest. Damit können Länder die Einfuhr von Genpflanzen und -produkten an der Grenze stoppen, vor allem wenn sie selbst noch kein eigenes Gentechnikgesetz haben, das Import und Nutzung regelt. Mit der Unterschrift unter das Protokoll haben sich die Länder aber auch verpflichtet, ein solches Biosicherheitsgesetz auszuarbeiten. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass genetisch veränderte Produkte gekennzeichnet werden müssen, dass die Haftung geregelt wird und dass es eine klare Trennung zwischen gentechnisch veränderten und gentechnikfreien Produkten gibt. Regeln, die Europa und Deutschland längst kennen. Für die afrikanische Organisation FoodNCropBio, die die Interessen der Saatgutindustrie vertritt, sind die europäischen Gesetzeswerke allerdings kein gutes Vorbild. "Das europäische System ist doch viel zu kompliziert - selbst für die Europäer", kritisiert Wynand J. van der Walt. Genlebensmittel zu kennzeichnen, mache sie teurer. Und das könne man in Afrika, wo den Menschen oft das Geld für Nahrung fehlt, doch niemandem zumuten.
Doch mit so wenig Regulierung, wie sich die Genindustrie das vorstellt, ist es laut Cartagena-Protokoll nicht getan. Danach muss es auf den Lebensmittelverpackungen vermerkt sein, wenn darin gentechnisch veränderte Organismen verarbeitet sind. Die Lebensmittel müssen regelmäßig kontrolliert werden, ob zum Beispiel die nicht gekennzeichnete Schokolade auch wirklich kein Gensoja enthält. Eine Kontrollkette vom Endprodukt bis zurück zu den Rohstoffen muss aufgebaut werden. Dazu sind unter anderem Laborkapazitäten und ein Registrierungssystem nötig. Für all das, so schätzt das südafrikanische Gesundheitsministerium, wird es auf Genfood wohl einen Preisaufschlag von bis zu zehn Prozent geben.
Aber der Verbraucher soll schließlich frei wählen können, was er isst, greift das Ministerium Forderungen von Verbraucherverbänden und Umweltschützern auf. Für eine solche Wahlfreiheit ist aber gerade in Entwicklungsländern erst eine ganz andere Information nötig. So hat eine Studie auf Initiative des südafrikanischen Wissenschaftsministeriums ergeben: Acht von zehn Südafrikanern wissen überhaupt nicht, was Biotechnologie und genveränderte Pflanzen sind.
Alice Thiel-Sonnen arbeitet als freie Journalistin für die Fachredaktion Umwelt und Ernährung des Südwestrundfunks.