Finanzen. Die Banken müssen Kreditrisiken künftig genauer einschätzen. Der Bundestag hat am 29. Juni einstimmig bei Enthaltung der Linksfraktion den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie ( 16/1335) in geänderter Fassung beschlossen. Er folgte dabei einer Empfehlung des Finanzausschusses ( 16/2018, 16/2056). Die dem Gesetz zugrunde liegenden EU-Richtlinien gehen auf die Beschlüsse des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht aus dem Jahre 2004 zurück, in dem sich die Bankenwelt auf internationale Vereinbarungen über die angemessene Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute geeinigt hatte (Basel II).
Das Gesetz bedeutet für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, dass die Anforderungen an das Eigenkapital stärker als bisher vom eingegangenen Risiko abhängig sind. Den Kreditnehmern wird eine individuelle Risikoeinstufung ermöglicht. Dazu müssen die Banken Risikomesssysteme entwickeln. Von den jeweiligen Kriterien hängt dann der Grad der erforderlichen Ausstattung mit Eigenkapital ab. Darüber hinaus werden die Offenlegungspflichten von Banken und Wertpapierhäusern erweitert. Zudem wird die Kooperation der Aufsichtsbehörden in der EU ausgedehnt.
Die Risikomessung der für die Bankenaufsicht zuständigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird an die Risikosteuerungsmethoden der Banken angenähert. Für das Kreditrisiko, das Marktpreisrisiko und das operationelle Risiko legt das Gesetz wahlweise einen Standardansatz, einen auf internen Ratings basierenden IRB-Ansatz und einen fortgeschrittenen IRB-Ansatz (Internal Rating Based Approach) fest.
Nach dem Standardansatz werden nicht beurteilte Unternehmensforderungen mit 100 Prozent und beurteilte Forderungen mit Anrechnungsansätzen zwischen 20 und 150 Prozent bewertet. Neu ist das "aufsichtliche Privatkundenportfolio" (retail portfolio), wonach Forderungen gegen natürliche Personen und Kredite an kleine und mittlere Unternehmen bis zur Höhe von einer Million Euro mit einem Risikogewicht von 75 Prozent belegt werden. Da das Risikogewicht für solche Forderungen zuvor 100 Prozent betrug, werden Privatpersonen und Mittelstand begünstigt.
Beim Basis-IRB-Ansatz werden die Kreditrisiken aller Darlehensnehmer mit Hilfe bankinterner Verfahren nach Risikogewichtsfunktionen ermittelt, die von der BaFin vorgegeben werden. Auch bei diesem Ansatz fallen Kredite bis zu einer Million Euro in das Privatkundenportfolio. Beim fortgeschrittenen IRB-Ansatz können die Banken die Risikoparameter selbst schätzen. Das interne Risikomesssystem muss allerdings von der BaFin genehmigt werden.
Der Bundestag hat eine Reihe von Änderungen am Entwurf vorgenommen und dabei Erleichterungen für die Banken beschlossen. Mit den Stimmen der Koalition und der FDP bei Enthaltung der Linksfraktion nahm das Parlament eine Entschließung an, die sich auf die Rating-Entscheidungen der Banken (Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen) bezieht. Darin werden die Banken aufgefordert, ihre Entscheidungen offenzulegen. Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft sollen dazu eine Selbstverpflichtung formulieren. Sollte diese nur unzureichend wirken, müsste der Gesetzgeber tätig werden. Die Bündnisgrünen lehnten die Entschließung mit der Begründung ab, eine gesetzliche Lösung wäre einer Selbstverpflichtung der Banken vorzuziehen. Die FDP sprach von einem "guten Kompromiss", trotz einiger ungelöster Probleme. Der Bundestag lehnte ferner Entschließungsanträge der Linksfraktion ( 16/2042) und der Grünen ( 16/2043) ab. Nach dem Willen der Linksfraktion sollten die Banken Kostenentlastungen, die sich durch die Basel-II-Regelungen ergeben, an die kreditsuchenden Unternehmen weitergeben. Die Grünen hatten unter anderem verlangt, das Datenschutzrecht so zu ändern, dass es nicht zu diskriminierenden Datensammlungen über Privatkunden kommt.