Die Anschläge des 11. September 2001 lösten weltweit Entsetzen aus - führten zu einer unglücklich als "War on Terrorism" bezeichneten, globalen Kampagne gegen ihre Urheber: international agierende islamistisch motivierte Terroristen. Deutschland spielte von Beginn an eine zentrale Rolle, waren die Anschläge doch maßgeblich von in Hamburg lebenden Islamisten vorbereitet und durchgeführt worden.
Unter dem Druck hoher Erwartungen des Bündnispartners USA reagierte die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder entschlossen: Das BKA setzte eine 600 Ermittler umfassende "Besondere Aufbauorganisation USA" ein; der Bundesinnenminister bereitete ein mehrere Rechtsgebiete umfassendes Terrorismusbekämpfungsgesetz vor; die Bundeswehr löste Schröders Versprechen "uneingeschränkter Solidarität" durch eine Stationierung in Afghanistan ein. Zwei "Anti-Terror-Pakete" bündelten Einzelmaßnahmen mehrerer beteiligter Ressorts, darunter das Auswärtige Amt, das Innenministerium und das Ministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Mit der Entstehung des Politikfeldes Terrorismusbekämpfung wurde praktische Politik, was in theoretischen Debatten vorgezeichnet worden war und in einem "erweiterten Sicherheitsbegriff" Ausdruck gefunden hatte: die Notwendigkeit, staatliche Sicherheitspolitik an die Mehrdimensionalität globalisierter Sicherheitsherausforderungen anzupassen, also weiterzuentwickeln. Dieser Wandel vollzog sich rascher, als manchem Kritiker lieb war. Besonders in den Regierungsparteien regte sich heftiger Widerstand; den Kampfeinsatz deutscher Spezial-Kräfte in Afghanistan musste der Kanzler gar mit der Vertrauensfrage erzwingen. Bündnis 90/Die Grünen erreichten im Gegenzug weitgehende Einschränkungen im Vorgehen gegen islamistische Strukturen, etwa den Verzicht auf strafrechtliche Verfolgung der "Sympathiewerbung" für islamistische Gewalt. Umgekehrt gelang es den Unionsparteien, ausländerrechtliche Regelungen im deutschen Vorgehen zu verankern.
Trotz manches Kuhhandels entstand ein sinnvoller, da mehrdimensionaler Bekämpfungsansatz. Die Bundesregierung sprach 2004 von fünf Zieldimensionen: 1) Terroristische Strukturen zerstören; 2) Den Terrorismus bereits im Vorfeld aufklären und abwehren; 3) Die internationale Zusammenarbeit weiter ausbauen; 4) Die Bevölkerung schützen und die Verwundbarkeit des Landes reduzieren; 5) Die Ursachen des Terrorismus bekämpfen. In jeder dieser Kategorien hat Deutschland seither Sicherheitsgewinne erzielt, ohne - vom "Luftsicherheitsgesetz" abgesehen - überzureagieren. Die Rangfolge der verfolgten Ziele ist indes nicht zufällig gewählt. Sie gibt wider, was allen Sonntagsreden zum Trotz bisher nur wenig Aufmerksamkeit findet: die Auseinandersetzung mit den Ursachen und Triebkräften des internationalen islamistischen Terrorismus. Nicht nur gibt es für wirtschaftliche Entwicklung und interkulturellen Dialog weit weniger Mittel als für andere Programme; oft werden sie zur Erledigung von Kernaufgaben der verantwortlichen Ressorts verwendet. So flossen etwa lediglich 5,1 der 102 Millionen Euro, die das Auswärtigen Amt aus dem Anti-Terror-Topf erhalten hatte, in den Etat des "Sonderprogramm europäisch-islamischer Dialog". Selbst diese Mittel wurden überwiegend für befristet eingestelltes Personal ausgegeben, die dem Amt zu "verbesserter Analysefähigkeit" verhelfen sollten.
Problematischer noch ist, dass sich nur langsam ein Bewusstsein entwickelt(e), wie Ursachenbekämpfung zielorientiert gestaltet werden könnte. Mit der islamistischen Ideologie wurde ausgerechnet die Triebfeder des militanten Islamismus lange Zeit ignoriert. Die Legalisierung der Sympathiewerbung ist nur ein, wenn auch besonders problematisches Beispiel dafür. Integrationsfördernde Bestimmungen im "Zuwanderungsgesetz" und viele der seit dem Regierungswechsel angestoßenen Initiativen ("Integrationsgipfel", "Islam-Konferenz") markieren dagegen einen Aufbruch in stärker ursachenorientierte, präventive Sicherheitspolitik.
Kurz hatte die gefühlte Bedrohung seit den Anschlägen von Madrid und London nachgelassen - mit den Kofferbomben in deutschen Regionalzügen ist sie wieder da und zeigt: Der Handlungsbedarf ist trotz vieler Fortschritte weiter groß. Einerseits gilt es, Terrorismusbekämpfung zweckmäßiger zu gestalten - von einer ernsthaften geistig-politischen Auseinandersetzung mit der islamistischen Ideologie bis zu wirklichkeitstauglichen Formen der Kooperation zwischen Polizeien und Geheimdiensten. Andererseits ist geboten, Möglichkeiten des Missbrauchs von Bekämpfungsinstrumenten und übermäßigen Eingriffen in Bürgerrechte durch bessere Kontrollen vorzubeugen. Fünf Jahre nach den September-Anschlägen ist der Wandel des sicherheitspolitischen Instrumentariums der Bundesrepublik in vollem Gange. Gleiches gilt für den Konflikt zwischen der deutschen Demokratie und ihren islamistischen Herausforderern.
Der Autor ist Referent im Innenministerium. Demnächst erscheint sein Buch "Die Bekämpfung des Internationalen Islamistischen Terrorismus" (VS Verlag).