UnterhalTSRECHT
Karlsruhe kippt den Kompromiss der Koalition
Der Bundestag hatte eigentlichen für den 25. Mai die Verabschiedung des neu gefassten Unterhaltsrechts geplant. Dieses schien nach zähen Koalitionsverhandlungen endlich unter Dach und Fach. Aber zwei Tage vor diesem Votum kam eine Entscheidung aus Karlsruhe, die den so sorgsam austarierten Kompromiss zwischen Union und SPD wieder durcheinander wirbelte und schließlich ganz von der Tagesordnung des Parlaments kippen ließ.
Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass Kinder, deren Eltern verheiratet waren und solche, deren Eltern nicht den "Bund fürs Leben" geschlossen hatten, beim Unterhalt gleich zu behandeln seien. Geschiedene Mütter oder Väter hatten bislang Anspruch auf Unterhalt bis spätestens zum Ende der Grundschulzeit ihrer Kinder, ohne dass sich der erziehenden Elternteil um eine Arbeit kümmen musste.
Bei unverheirateten Eltern sah das Gesetz eine wesentlich kürzere Kinderbetreuungszeit vor: Schon drei Jahren nach der Geburt des Sprösslings musste sich der allein erziehende Elternteil wieder um eine Arbeit bemühen. Spätestens bis Ende nächsten Jahres muss der Bundestag eine Regelung treffen, die mit der Verfassung übereinstimmt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach sich bereits kurz nach dem Urteil für eine Verschiebung der Unterhaltsrechtsreform aus. Ihre Hausjuristen hatten ihr signalisiert, dass die dem Bundestag vorliegende Fassung nicht ausreiche, um dem Urteil zu genügen. Nach Ansicht der Bundesjustizministerin kann der Spruch aus Karlsruhe bedeuten, dass geschiedene Mütter möglicherweise künftig eher arbeiten gehen müssen. Wenn es eine ausreichende Zahl von Kinderbetreuungsplätzen gebe, stehe die gegenwärtig vorhandene maximale Betreuungszeit für geschiedene Elternteile zur Diskussion.
Nachdem in der ersten Reaktion auf das Urteil Politiker der CDU/CSU-Fraktion gegen eine Verschiebung der Unterhaltsrechtsreform plädiert hatten, sieht der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, nunmehr die Justizministerin am Zug. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, hatte schon zuvor erklärt, die Entscheidung aus Karlsruhe bestätige die politische und verfassungsrechtliche Position der Union. Oppositionpolitiker sprachen sich für eine sorgfältige Prüfung des Unterhaltsrechts aus.