Staatsbürgerschaft
Meinungen, Hoffnungen und Enttäuschungen um den deutschen Pass
Sie haben die ausländische Staatsangehörigkeit? Sie leben schon lange in Deutschland? Sie wollen dauerhaft bleiben? Dann laden wir Sie ein, gleichberechtigte Bürgerin oder Bürger unsers Landes zu werden" - so wirbt die Migrationsbeauftragte Maria Böhmer auf ihrer Internetseite für Einbürgerung. Wer so freundlich eingeladen wird, möchte man denken, warum sollte der sich zieren? Ja, warum? Wer sich für diese Frage interessiert, dem sei das Buch "EinBÜRGERung" empfohlen, geschrieben und zusammengestellt von Canan Topcu, Redakteurin bei der "Frankfurter Rundschau".
Die Autorin, geboren im türkischen Bursa, die seit 1973 in Deutschland lebt, verdankt ihre eigene Einbürgerung eher einem Zufall. Vor einigen Jahren musste sie, nachdem ihr die Reisetasche gestohlen worden war, vor der Tür des städtischen Fundbüros warten. Daneben befand sich das Einbürgerungsamt. Halb im Ernst, halb im Spass besorgte sie sich die entsprechenden Formulare. 14 Monate später - und nach etlichen inneren Kämpfen - war es dann soweit. "Das Prozedere dauerte keine fünf Minuten und ich war wieder draußen. Damit endet mein Deutschwerden", schreibt sie enttäuscht. Und machte gleich ein Buch darüber.
Es wurde ein "Lesebuch über das Deutschwerden". In ihm finden sich neben flüssig geschriebenen biografischen Texten lebendige Reportagen, etwa über gelungene Einbürgerungsfeiern, Gespräche mit Wissenschaftlern und Verwaltungsexperten sowie Interviews mit den Politikern Cem Özdemir (Grüne), Wolfgang Bosbach (CDU) und Sebastian Edathy (SPD). Es enthält farbige Porträts von Migranten, solchen, die sich haben einbürgern lassen ("Mit dem deutschen Pass fühle ich mich sicherer") und solchen, die diesen Schritt nicht vollziehen wollen ("Ich bleibe doch immer der Türke, mit oder ohne Pass"). Eine besondere Note enthält das Buch noch dadurch, dass die Autorin auch mit Deutschen über ihr Deutschsein gesprochen hat, Menschen, die übrigens nicht selten mit ihrer eigenen Nationalität hadern: "Fünf Tage Deutschland und ich bin kuriert", fasst ein deutscher Soziologe, der mit türkischer Frau und kleinem Kind seit langem auf Zypern lebt, sein Nationalgefühl zusammen, um gleich darauf zu bekennen, dass seine türkischen Nachbarn eine solche "gebrochene Identität" nur schwer nachvollziehen können.
In ihrem Buch räumt Topcu mit manchen schmeichelhaften Lebenslügen auf. Etwa der Vorstellung, alle Migranten würden sofort Deutsche werden wollen, wenn man sie denn nur ließe. Obwohl ungefähr etwa vier Millionen Ausländer einen Anspruch auf Einbürgerung haben, machen nur gut 150.000 von ihnen in jedem Jahr davon Gebrauch.
Ähnlich hartnäckig hält sich die Fehleinschätzung, das deutsche Recht lasse eine Mehrstaatlichkeit nicht zu. Von allen Menschen, die 2005 eingebürgert wurden, durften fast 50 Prozent ihre alten Pässe behalten - völlig legal. Dass die Bundesrepublik ausgerechnet gegen die türkische Community besonders streng verfährt und die Doppelstaatlichkeit kategorisch ausschließt, verbittere viele Türken.
Wenn die Mehrheitsgesellschaft die Zahl der Einbürgerungen wirklich erhöhen will, müsse sie den Migranten mehr bieten, schreibt die Autorin. So konnte Berlin mit der öffentlichkeitswirksamen Kampagne "Der-deutsche-Pass-hat-viele-Gesichter" entgegen dem allgemein rückläufigen Trend seine Einbürgerungszahlen um 15 Prozent steigern. Durch viele Texte schimmert aber auch der Zweifel, ob die deutsche Gesellschaft das denn wirklich will. Mehrfach äußern sie und ihre Gesprächspartner in den Interviews und Texten Kritik an der jüngsten Verschärfung des Einbürgerungsrechts.
Das Buch ist gut lesbar, kenntnis- und detailreich. Es gelingt Canan Tocu, der zuweilen staubtrockenen Materie des deutschen Einbürgerungsrechts jene Anschaulichkeit zu verleihen, die dieses wichtige Kapitel deutscher Innenpolitik verdient.
EinBÜRGERung. Lesebuch über das Deutschwerden. Porträts, Interviews, Fakten.
Brandes & Apsel, Frankfurt/M. 2007; 170 S., 14,90 ¤