Martin Torrijos Espino
Panamas Präsident hofft auf einen Aufschwung durch den Ausbau des Panama-Kanals. Auch deutsche Investoren sind willkommen.
Herr Präsident, welche Bedeutung hat die Erweiterung des Panama-Kanals, des größten Bauvorhabens Lateinamerikas, für Ihr Land?
Der Panama-Kanal wurde im August 1914 eingeweiht und seitdem haben gut eine Million Schiffe ihn passiert. Mein Vater, General Omar Torrijos Herrera, hat mit dem damaligen amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter 1977 den Vertrag ausgehandelt, durch den die Souveränität des Kanals Ende 1999 endgültig in unsere Hände übergehen konnte. Seitdem haben wir bewiesen, dass wir den Kanal gut und sicher managen können: Dies zu betonen, ist wichtig, denn die Vorbehalte gegen eine Übergabe entzündeten sich nicht zuletzt immer an der Sicherheitsfrage. In den letzten Jahren haben wir 1,5 Milliarden Dollar in die Verbesserung der Anlagen gesteckt. Aber ohne eine Erweiterung geht es nicht mehr: Die Postpanamax-Frachter - eine neue Generation von Schiffen mit einer Länge von fast 500 Metern - können den Kanal, so wie er ist, nicht mehr passieren.
Gegen dieses Vorhaben gab es aber erheblichen Widerstand!
Ja, aber in dem von uns einberufenen Referendum hat sich 2006 eine Mehrheit für die Erweiterung ausgesprochen.
Wie hoch sind die Kosten?
Wir kalkulieren 5,2 Milliarden Dollar. Damit wollen wir eine partiell neue Streckenführung finanzieren, ebenso wie neue Schleusen, durch die die Transportkapazitäten verdoppelt werden können. Containerschiffe, die den Kanal zurzeit passieren, können nur bis zu 4.500 TEU (Twenty Feet Equivalent Unit - Maßeinheit für Containerschiffe; Red.) transportieren, danach werden es bis zu 12.000 TEU sein. Mit dieser Kanalerweiterung katapultiert sich Panama in eine noch bessere geostrategische Ausgangslage. Unsere beiden großen Häfen - Panama am Pazifik und Colon am Atlantik - gehören zu den weltweit wichtigsten Knotenpunkten. Sie liegen nur 80 Kilometer auseinander und sind über eine Straßen- und eine Bahnverbindung erreichbar.
Welche Bedeutung hat der Kanal für Europa?
Die größte Bedeutung hat der Panama-Kanal für die Vereinigten Staaten und Asien: Die meisten Schiffe, die ihn passieren, fahren zwischen der amerikanischen Ostküste und China. Der Warenfluss von und nach Europa entspricht hingegen nur etwa 15 Prozent des gesamten Transportvolumens. In diesem Jahr werden das 30 Millionen britische Tonnen sein. Davon entfallen übrigens zwei Prozent auf Waren von oder nach Deutschland mit einem Volumen von fünf Millionen britischer Tonnen.
Welche europäischen Länder sind die wichtigsten Kunden Ihres Landes?
Deutschland, Holland, Belgien, Spanien, Italien und Großbritannien. Wir schätzen, dass drei Prozent aller europäischen Überseeexporte den Kanal passieren und etwa zwei Prozent aller Importe, die Europa erreichen. Mehr denn je ist heute der Zeitfaktor entscheidend: Durch den Kanal reduzieren sich die Lieferzeiten signifikant, das gibt ihm noch mehr Bedeutung als früher, immer vorausgesetzt, wir rüsten uns für die Zukunft. Für Europa hat der Kanal aber nicht nur Bedeutung für den Containertransport, sondern vor allem auch für die Kühlindustrie: 40 Prozent der Kühlwaren, die den Kanal passieren, sind Produkte, die von der Westküste Lateinamerikas für Europa bestimmt sind. Ecuador etwa ist der größte Bananenproduzent und hat als wichtigsten Kunden die Europäische Union. Chile wiederum beliefert Europa in der nördlichen Wintersaison mit frischem Obst, das durch den Panama-Kanal transportiert wird: Für den gesamten Handelsaustausch zwischen Europa und den Ländern der lateinamerikanischen Pazifikküste ist der Panama-Kanal die wichtigste Lebensader.
Und die Beziehungen zu Deutschland?
Unsere Beziehungen sind traditionell gut. Außenminister Frank-Walter Steinmeier war vor kurzem hier - wir hoffen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem EU-Lateinamerikagipfel in Lima im April nach Panama kommt. Außerdem hoffen wir natürlich, dass sich möglichst viele deutsche Firmen an den Erweiterungsarbeiten des Kanals beteiligen. Die Chancen sind immer noch riesig. Von den fünf Vertragswerken etwa zur Vertiefung der Zufahrtswege auf pazifischer Seite stehen noch drei Ausschreibungen aus. Gleiches gilt für die Entwicklung der beiden neuen Schleusenkomplexe, die ein Investitionsvolumen von gut 2 Milliarden Dollar haben. Ein Besuch im Hamburger Hafen hat mir im Herbst letzten Jahres viele Anregungen gegeben für unsere Arbeit in Panama. Hamburg ist für uns ein Vorbild. Wir wollen eines der wichtigsten Servicezentren werden für die internationale Schifffahrt. Mit Deutschland wollen wir übrigens enger zusammenarbeiten im Bereich der Ausbildung, also beim dualen System. Wir hoffen auch auf deutsche Investoren in unserem Bergbau - in Panama gibt es schließlich eines der größten noch unberührten Kupfervorkommen der Welt, auch Gold, Silber und Mangan sind in abbauwürdiger Konzentration nachgewiesen.
In einem Moment, wo in Lateinamerika die Globalisierungsgegner immer zahlreicher zu werden scheinen, haben Sie im Juni 2007 mit Washington ein Freihandelsabkommen unterzeichnet - warum?
Unsere mittelamerikanischen Nachbarn haben ein gemeinsames Freihandelsabkommen mit Washington, CAFTA. Es ist vernünftig, dass wir dies ebenfalls abschließen, um uns die Vorteile einer solchen Übereinkunft zu sichern. Das Abkommen muss allerdings noch vom US-Kongress ratifiziert werden, wir hoffen, dass dies bald erfolgt. Ein weiterer wichtiger Wachstumsmotor unserer Wirtschaft ist im Übrigen unsere Freihandelszone in Colon. Sie wurde 1948 gegründet und ist die größte Freizone auf dem amerikanischen Kontinent und - nach Hongkong - die zweitgrößte der Welt.
Und was macht Panama als Handelspartner interessant?
Mit gut 75.000 Quadratkilometer Fläche ist Panama etwas größer als Irland - hat aber nur etwas mehr als drei Millionen Einwohner. Damit können wir keine konkurrenzfähige Industrieproduktion aufbauen, sehr wohl aber eine breite Palette guter Serviceleistungen anbieten. Darauf setzen wir. Eine gute Serviceindustrie schafft Arbeitsplätze und die brauchen wir, um die Armut zu verringern, unser absolut wichtigstes Regierungsziel. Wir werden dieses Jahr eine Arbeitslosigkeit von 7,3 Prozent haben und wollen bald fünf Prozent erreichen. Unser Wirtschaftswachstum (BIP) lag 2006 bei acht Prozent, 2007 waren es sogar fast zehn Prozent: In der Region liegen wir damit an erster Stelle. Eine Studie der Weltbank attestiert uns ein wirtschaftsfreundliches Umfeld. 2006 haben wir 2,4 Milliarden Dollar ausländischer Direktinvestitionen angezogen und durch eine Steuerreform das Defizit der öffentlichen Hand von 4,5 Prozent vom BIP im Jahr 2004 in einen Überschuss von 0,5 Prozent verwandelt. Es gibt auch Interesse ausländischer Investoren am Aufbau eines Energieparks, der Panama in ein regionales Energiezentrum verwandeln könnte: Neben einer Raffinerie soll ein Logistikzentrum für Import und Export von Treibstoffen entstehen.
Warum haben es bei so viel Erfolg die Befürworter des Freihandels in Lateinamerika denn so schwer?
Ich kommentiere nicht die Politik anderer Länder. Ich kann nur sagen, wofür meine Regierung steht: In einer globalisierten Welt hat Panama einen ausgezeichneten geografischen Standort als internationales Handels-, Banken und Dienstleistungszentrum: Wir wollen außerdem zum größten Logistikzentrum der Region werden. Im Übrigen bin ich fest davon überzeugt, dass die ganze Region vom Kanalausbau profitieren wird.
Sie haben mit den Arbeiten Anfang September 2007 begonnen: Wann wollen Sie mit dem Kanalausbau fertig sein?
Zuerst müssen die riesigen Erdaushebungsarbeiten beendet werden, dann folgt der Rest. Unser festes Ziel ist es, 2014 damit abzuschließen, wenn der Kanal sein dann Hundertjähriges Bestehen feiert.
Das Interview führte Hildegard Stausberg