RENTE
Bei der Debatte über die geplante Erhöhung steht die Generationengerechtigkeit im Mittelpunkt
Als der FDP-Rentenexperte Heinrich Kolb mit sichtlichem Genuss aus Medienberichten zur aktuellen Rentenpolitik der Regierung zitiert, eilt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von ihrem Platz zum anderen Ende der Regierungsbank im Bundestag. Dort sitzt der angeblich auch von Merkel gescholtene Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und verfolgt den Versuch Kolbs, die zum 1. Juli geplante Rentenerhöhung um 1,1 Prozent als "vergiftetes Geschenk" an die Wähler zu entlarven. Minutenlang unterhält sich die Kanzlerin mit ihrem Minister, Kolb den Rücken zugewandt - ganz so, als wolle sie einen Teil der verbalen Pfeile des Liberalen auf den Minister abfangen.
Den zentralen Kritikpunkt am Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 16/8744) hatte Scholz als erster Redner der Debatte 10. April bereits selbst zu entkräften versucht. Das Vorhaben, die Renten in diesem Jahr mehr als doppelt so stark steigen zu lassen, als es die geltende Rentenformel hergibt, schüre keinen Generationenkonflikt, so der Minister. Dazu verweist er auf eine Umfrage, nach der 61 Prozent der unter 30-Jährigen die Erhöhung um 1,1 Prozent als "gerade richtig" einstuften. "Es gibt keinen Generationenkonflikt in der Bundesrepublik Deutschland", betont Olaf Scholz.
Was ist genau geplant? Nach dem Entwurf sollen die Bezüge der rund 20 Millionen Rentner in Deutschland in diesem Jahr statt um 0,46 um 1,1 und im kommenden Jahr um voraussichtlich zwei Prozent steigen. Dazu wird der so genannte Riester-Faktor für zwei Jahre ausgesetzt. Dieser dämpft den Rentenanstieg und soll die private Vorsorge der im Erwerbsleben stehenden Bevölkerung honorieren. Dem Entwurf zufolge hätte sich die Rentenerhöhung mit dem Riester-Faktor in diesem Jahr um 0,64 Prozentpunkte vermindert.
Dies sei angesichts der Belastungen, die die Rentner zu schultern hätten, nicht akzeptabel, betonte Scholz. "Auch die Älteren in dieser Gesellschaft müssen von dem Aufschwung etwas haben", fügt er hinzu. Ähnlich argumentiert auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ralf Brauksiepe. Da die Kürzungen in den Jahren 2012 und 2013 nachgeholt werden sollen, würden die Jüngeren auch "nicht über Gebühr belastet".
Was die Jüngeren die außerplanmäßige Rentenerhöhung unmittelbar kostet, ist im Gesetzentwurf veranschlagt: Der Beitragssatz zur Rentenversicherung soll nun erst 2012 statt 2011 sinken, und zwar von heute 19,9 auf dann 19,5 Prozent und 19,1 Prozent im Jahr 2013. Die Beitragszahlung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern liegt demzufolge 2011 um jeweils 2,5 Milliarden Euro und im Jahr 2012 um jeweils rund 1,7 Milliarden Euro höher als ursprünglich geplant.
Die Opposition, die - wie auch die Koalitionsfraktionen - keinen ihrer unter 40-jährigen Abgeordneten in die Debatte entsandte, lässt die Argumente von Scholz und Co. natürlich nicht gelten. Der Rentenexperte der Linksfraktion, Volker Schneider, spricht von einer "Verhöhnung der Menschen". Die Rentner hätten trotz der Erhöhung "weniger real in der Tasche". Eine Beteiligung am Aufschwung kommunizieren zu wollen, sei "eine Frechheit". Da der Bonus später wieder verrechnet werde, sei dies ein «Geschenk mit Rückgabeverpflichtung».
Einem ähnlichen Pfad folgt auch FDP-Mann Kolb. Nach der Bundestagswahl 2009 müssten die Senioren "einen guten Teil dessen selber bezahlen", was ihnen jetzt als "rentenpolitische Großtat" verkauft werden solle, so Kolb. Das sei eine "Beleidigung für die Rentner in Deutschland". Eine "Rentenanpassung nach Umfragenlage" lehne die FDP-Fraktion ab. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn kritisiert, die geplante Änderung der Rentenformel sei ein "willkürlicher Eingriff". Er wirft dem Sozialminister vor, das Vertrauen in die Rentenformel zu zerstören. "Wir werden diesen Murks nicht mitmachen", ruft er. Er plädiert dafür, stattdessen Beziehern von Minirenten mit einer Aufstockung der Grundsicherung zu helfen. Einen anderen Vorschlag steuert Kolb bei. Er schlägt eine steuerliche Entlastung für Rentner - etwa bei den Energiekosten - vor.
Das sorgt bei der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Elke Ferner, für Kopfschütteln. Auch ohne Juristin zu sein, scheine ihr ein solcher Vorschlag von vornherein nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung vereinbar. Schließlich litten etwa auch Familien mit kleinen Kindern unter dem Preisauftrieb im Energiebereich.
In den nächsten Wochen werden die Fachpolitiker noch einige Gelegenheiten haben, sich mit den schwarz-roten Rentenplänen zu befassen. Für den 5. Mai etwa hat der Sozialausschuss eine Expertenanhörung auf die Tagesordnung gesetzt.