UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS
Deutschland wusste im Fall des Ägypters Khafagy offenbar früh von US-Misshandlungen
So etwas ist filmreif. In Sarajewo studieren in einem Hotel mit dem schönen Namen Hollywood spät in der Nacht ein damals 69jähriger Münchner Kleinverleger und sein Begleiter Übersetzungen des Korans, die sie in Bosnien drucken lassen wollen. Plötzlich wird die Zimmertür eingetreten, uniformierte Kapuzenmänner stürmen herein, schlagen die Männer mit Gewehrkolben zusammen und transportieren sie in einem Hubschrauber in ein US-Gefängnis in Tuzla. Eine Platzwunde am Kopf des alten Mannes mit Namen Abdel Halim Khafagy wird notdürftig genäht - "ohne Narkose, ich habe es ertragen". Der Ägypter wird in eine fensterlose Zelle gesperrt, ständig beim Schlafen gestört und zehn Tage verhört. Auf dem Umweg über Kairo kann er vier Wochen später nach München zurückfliegen, wo er bei der Ankunft ein "Bild des Jammers bietet", so sein Anwalt Walter Lechner.
Khafagy, dessen Tochter Ahlem und Lechner schildern dem Untersuchungsausschuss bei dessen jüngster Sitzung die Zeit während und nach dem Überfall im Hotel, der sich in der Nacht zum 25. September 2001 ereignet hat. "Ich dachte, das sind Serben, die Bosnien wieder angreifen", reagierte Khafagy im ersten Moment angesichts der hereinstürzenden Meute, bei denen es sich mutmaßlich um US-Soldaten handelte.
Lechner erläutert dem Ausschuss, dass trotz vielfältiger Bemühungen bis zum Kanzleramt und bei der SFOR-Truppe in Bosnien Khafagy bis heute nicht wisse, warum er verhaftet wurde, wer die Täter seien und wer sich bei ihm zu entschuldigen habe. Spielte eine Rolle, dass er in jungen Jahren wegen Verbindungen zur Moslembruderschaft in Ägypten im Gefängnis saß?
Laut Lechner hat die Bundesanwaltschaft bereits kurz nach der Verhaftung in Sarajewo ein Ermittlungsverfahren gegen Khafagy mangels Anfangsverdachts verworfen, deutsche Stellen waren demnach rasch eingebunden. Angesichts der Misshandlungspraxis in Tuzla lehnten Mitarbeiter des BKA und BND ein Verhör des Gefangenen ab, ihnen waren dort auch blutverschmierte Dokumente Khafagys übergeben worden. Offenbar hatte man in Deutschland also schon wenige Wochen nach dem 11. September Kenntnis von Kidnapping und Folter Terrorverdächtiger durch die USA - was Vertreter von Sicherheitsbehörden und Regierung im Ausschuss bislang anders dargestellt haben. Brisanter Stoff für neue Nachforschungen.