ONLINESUCHT
Sachverständige plädieren für mehr Forschung
Ein bißchen Spiel, Spaß und Abenteuer. Es beginnt immer harmlos. Doch wenn man das Spiel nicht ende lassen will, wird es zur Sucht und alle anderen Interessen verblassen. "World of Warcraft" heißt zum Beispiel eines dieser Rollenspiele, in dem Ziele oftmals nur in einer Gruppe erreicht werden können. Das erhöht den sozialen Druck und lässt die Spieler niemals zur Ruhe kommen. Manche verbringen 12-18 Stunden täglich vor dem Bildschirm zukosten von Schule, Beruf, Familie und Freunden.
Onlinesucht ist eine Krankheit, betonten die sechs Sachverständige am 9. April in einer öffentlichen Anhörung des Ausschus für Kultur und Medien. Zugrunde lag ein Antrag ( 16/7836) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit dem sie auf die Problematik hinwies.
Heutzutage besitzen 73 Prozent der deutschen Haushalte einen Computer. 61 Prozent aller Internetnutzer sind mittlerweile fast jeden Tag im Internet. Die Gefahr süchtig zu werden wachse deshalb rapide, erklärte Raphael Gaßmann, Stellvertretender Geschäftsführer der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in seiner Stellungnahme. Auch Gabriele Farke, Initiatorin und Vorstandsvorsitzende des Vereins Hilfe zur Selbsthilfe für Onlinesüchtige (HSO) bestätigte, dass immer mehr Menschen onlinesüchtig werden. Heute gebe es schon zwei Millionen Onlinesüchtige in Deutschland.
Doch es geht nicht nur um die Onlinespielsucht. Ebenso die Onlinechatsucht und die Onlinesexsucht sind Abhängigkeiten die mit dem Internet entstanden. Entzugserscheinungen, Rückfallneigung, Kontrollverlust, soziale sowie körperliche Probleme - all dies können Folgen dieser Suchterkrankung sein.
Trotz der immer weiter anwachsenden Zahl von Betroffenen ist das Krankheitsbild nicht offziell anerkannt. Nur eine Anerkennung durch die World Health Organisation (WHO) und den Staat würde zu einer Veränderung der Sachlage führen und die Finanzierung der Behandlung durch Krankenkassen ermöglichen, erklärte der Psychologe Klaus Wölfing der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Auch eine Akzeptanz der Sucht als Krankheit innerhalb der Gesellschaft müsse entstehen. Bisher begene man nur Unverständnis und Scharm, so Gabriele Farke.
Als Gegenmaßnahmen empfahlen die Experten deutliche Hinweise zu den Spielen. Eine Anzeige der Spieldauer, Warnhinweise zur Suchtgefahr oder zeitliche Sperrungen können als Schutzmaßnahmen gegen Onlinespielsucht helfen.
Die Sachverständigen waren sich vor allem darin einig, dass es an Forschung mangelt. Zwar gibt es bereits Forschungszweige im asiatischen Raum, jedoch könne man dies nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übetragen. "Jedes Land hat je nach Medien-Mix unterschiedliche Phänomene", erklärte Professor Angela Schorr, Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Medienwirkungsforschung. Erst durch interdisziplinäre Forschung könne man die Krankheit genau beschreiben. Dies sei die Voraussetzung um ein effizientes Therapie- und Beratungsangebot zu entwickeln. Auch Raphael Gaßmann sprach das Forschungsdefizit an: "Wir ahnen sehr viel und wissen sehr wenig".