MITMACHMUSEUM
Konzepte zum Selbstentdecken setzen sich immer mehr durch
Sie rennen, toben, und lachen: Der neunjährige Philipp Trogler ist schon ganz nass geschwitzt. "In anderen Museen kann man nur anschauen und nichts selber machen. Hier ist das ganz anders", sagt er schnell und läuft weiter zu einer großen Schaukel auf der ein Mädchen wild mit den Beinen wippt. Bei Philipp und seinen Klassenkameraden aus der Grundschule Rodalben stand ein Museumsbesuch auf dem Stundenplan. Doch irgendwie haben sie etwas anderes erwartet. Im rheinland-pfälzischen Pirmasens geht es nicht auf leisen Sohlen vorbei an Glasvitrinen. Es ist Aktion angesagt.
In einer ehemaligen Schuhfabrik in der Pfalz entsteht das "Dynamikum", ein Wissenschaftszentrum, das am 29. April von Annette Schavan (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, eröffnet wird. Derzeit testen 15 Schulklassen, ob die rund 150 Experimentierstationen wirklich funktionieren. Dabei geht es nicht um Formeln und Rechenkünste. Das Dynamikum ist das erste Mitmachmuseum von Rheinland-Pfalz. Die Pfälzer liegen im Trend der Museumsbranche: Es ist das 15. Zentrum dieser Art in Deutschland, sagt Marcus Wagner, pädagogischer Leiter des "Dynamikums". "Es gibt einen Unterschied zwischen einem klassischen Museum und uns", erklärt er. Individualität sei das Entscheidende. Besucher können sich auf den 4.000 Quadratmetern frei bewegen, die Exponate anfassen und selbst ihre Schlüsse daraus ziehen. Gerade für Kinder und Jugendliche sei das ein neuer Weg in die Naturwissenschaften und in die Museen, sagt Wagner.
Damit greift er eine Leitidee auf, die in den 1960er-Jahren in den USA geboren wurde. Durch eigenständiges und spielerisches Experimentieren sollen Besucher naturwissenschaftliche Phänomene kennen und verstehen lernen. Anfassen ist ausdrücklich erwünscht. Dass es Philipp und seinen Mitschülern so viel Spaß macht, hat wohl schon Frank Oppenheimer gewollt, der 1969 mit dem Exploratorium in San Francisco das erste "Science Center" initiiert hatte. Dort sollte schon damals über die moderne Wissenschaft und Technik aufgeklärt werden. Ordnungsprinzip der Ausstellung waren die menschlichen Sinne, zu der auch die Kontrolle des Gleichgewichts, der Fortbewegung und des Hantierens gehören. Sie bildeten die Grundordnung, nach der die Experimente präsentiert wurden. So auch in Pirmasens: "Man merkt am Anfang gar nicht, dass es hier um Physik geht", sagt Wagner.
So ergeht es auch Karl Tomberger und Diana Matheis, den beiden Lehrern von der Grundschule Rodalben. "Die Gesetzmäßigkeiten bleiben den Kindern erstmal verborgen", beurteilt Tomberger. "Das ist aber nicht schlimm. Es wird Neugierde geweckt." Mit diesem Effekt könnten interaktive Wissenschaftsmuseen unter anderem einem negativen Trend entgegen wirken: Es sei ein Fachkräftemangel in naturwissenschaftlichen und technischen Branchen zu befürchten, stellte beispielsweise die Kinderkommission des Bundestages 2007 anlässlich des bundesweiten Girls' Day fest. Das Interesse an solchen Berufen und Studiengängen sei besonders bei Mädchen eher gering. Praktische Erfahrungen könnten das vielleicht ändern.
Doch dass es alleine mit dem Toben durch die Exponate in Pirmasens nicht getan ist, erkennt auch Marcus Wagner. Darum erarbeitet er Materialien für Lehrer, die erklären, welche Regeln hinter den Experimenten stecken. "Wir wissen, dass wir nicht im Luftleerenraum stehen", sagt Wagner. Aber bis ins Detail interessieren selbst den studierten Physik- und Mathematiklehrer Wagner die Erklärung der Exponate nicht: Ihm geht es um den Aha-Effekt. Und wenn damit die Physik populärer werde, sei das völlig in Ordnung.