BIOSPRIT
Abgeordnete fordern neue Debatte über Umgang mit Biomasse. Gabriel gibt »Fehler« zu
Er ist kein Mann für die zweite Reihe, vielmehr einer fürs Rampenlicht. Sigmar Gabriel (SPD) mag es nicht, wenn statt ihm andere im Mittelpunkt stehen. Von daher müsste ihm die Aktuelle Stunde am 9. April im Bundestag gefallen haben - schließlich ging es nur um sein Ministerium und um ihn, den Bundesumweltminister. Der Anlass allerdings ist äußerst ärgerlich für Gabriel. Jüngst musste er seine Pläne, die Beimischungsquote für Bioethanol im Sprit zu erhöhen, stoppen.
Anfang März erst hatte er vor den Ausschüssen für Verkehr und Umwelt erklären müssen, warum sein Ministerium den Einbau von wirkungslosen Russpartikelfiltern steuerlich fördern ließ. Jetzt musste der Sozialdemokrat eingestehen, dass offenbar doch deutlich mehr Autos als unrsprünglich angenommen nicht mit einem höheren Anteil an Bioethanol im Benzin betrieben werden können. Zudem musste Gabriel in der Aktuellen Stunde - wie es sich für den Umweltminister protokollarisch gehört - in der zweiten Reihe der Regierungsbank Platz nehmen - ganz hinten links. Vor ihm eine fast leere erste Regierungsbank - und Peter Hintze (CDU), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. So war es also doch ein Tag, den Sigmar Gabriel nicht sonderlich gemocht haben dürfte. So, wie er es nicht mag, wenn etwas nicht läuft, wie er es will.
Gabriel will sich im Klimaschutz profilieren. Deshalb wollte er den Anteil an Bio-ethanol im Benzin von derzeit fünf auf zehn Prozent erhöhen (E10). Dadurch, so der gut klingende Plan des Umweltministers, sollten Umwelt wie Autoindustrie gleichermaßen profitieren. Die Umwelt, weil aufgrund der höheren Beimischung von Bioethanol pro Liter Sprit weniger CO2 ausgestoßen wird. Die Autoindustrie, weil sie die dadurch erreichte Kohlendioxidreduktion auf ihre CO2-Reduktionspflicht hätte anrechnen können: Nach EU-Vorgaben dürfen Autos von 2012 an nur noch 120 Gramm CO2 pro 100 Kilometer ausstoßen. Nicht verwunderlich, dass die Autoindustrie sich für die Erhöhung der Beimischquote einsetzt: Profitieren die Konzerne doch von niedrigerem Ausstoß, ohne selbst in die Pflicht genommen zu werden.
Daraus wird nun vorerst nichts. Statt der vom deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) genannten 189.000 Fahrzeugen seien deutlich mehr PKW für einen Betrieb mit E10 nicht ausgelegt, hieß es in der vorvergangenen Woche von den internationalen Automobilherstellern (VDIK), die sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht konkret geäußert hatten. Insgesamt könnten rund 3,5 Millionen Fahrzeuge nicht unbeschadet E10 tanken. Neben Gummischläuchen und Dichtungen greift der Alkohol vor allem Aluminiumteile im Motor an. Da das Ministerium nur von einem Bruchteil betroffener Pkw ausgegangen war, hat Gabriel die Notbremse gezogen und die Quotenerhöhung am 4. April ausgesetzt.
Für die Opposition ist dies das Ende aller Ambitionen: "Die Klimapolitik der schwarz-roten Bundesregierung ist wie ein Kartenhaus zusammen gefallen", wetterte denn auch Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Von Anfang an sei die Biokraftstoffstrategie der Bundesregierung zum Scheitern veurteilt gewesen. Ein Fehler, so Künast, sei die Besteuerung von reinen Pflanzentreibstoffen. Ebenso falsch sei die Zwangsbeimischung. Ergebnis dieser sei, "dass Treibstoff aus Übersee importiert wird und dass die Zuckerrohrplantagen sich immer weiter ausdehnen", kritisierte Künast. Michael Kauch, Umweltexperte der FDP warnte, die schlampige Gesetzgebung der Regierung dürfe nicht erneut zulasten der Autofahrer gehen. Außerdem, so der Liberale, müsse der Einsatz von Biomasse grundsätzlich diskutiert werden. "Wenn aus Biomasse Strom und Wärme erzeugt werden, ist das klimapolitisch im Durchschnitt dreimal effizienter, als wenn aus Biomasse Biokraftstoffe hergestellt werden."
Ähnlich grundsätzlich klingt die Kritik der Linken. Durch die bisherige Politik mit hohen Biospritzielen würden deutsche Autofahrer gezwungen, Urwälder Südamerikas und Asiens in ihren Tanks zu verheizen, kritisierte Eva Bulling-Schröter. "Reduzieren sie die Agrospritziele auf ein Maß, welches mit inländischer Produktion erreicht werden kann", forderte sie.
Für die Koalition dagegen ist die Entscheidung, die Beimischungsquote nicht zu erhöhen, naturgemäß kein Grund, "die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung insgesamt infrage zu stellen", wie Andreas Jung (CDU) formulierte. Der Bundestag müsse aber, so seine Koalitionskollegin Petra Bierwirth (SPD), durchaus selbstkritisch sein. "Wir sind mit unseren hier im Parlament getroffenen Beschlüssen etwas über das Ziel hinaus geschossen", gestand sie im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Biokraftstoffe ein. Es sei deshalb an der Zeit, vergangene Fehler zu korrigieren. Sie rät, den Umgang mit Biomasse, besonders die Größenordnung, neu zu debattieren.
Sigmar Gabriel verfolgte all das aus der zweiten Reihe der Regierungsbank mit einem Gesicht, das man macht, wenn man einen Tag nicht wirklich mag. Einmal allerdings musste er herzhaft lachen. Nachdem Gabriel in seiner Rede darauf hingewiesen hatte, dass die Futtermittelindustrie in Brasilien "für 80 Prozent der Zerstörung der Regenwälder verantwortlich ist" und nicht die Biomasse und eingestanden hatte, es sei ein Fehler gewesen, nicht die Autohersteller direkt nach der Zahl der betroffenen PKW gefragt zu haben, zitierte Norbert Schindler (CDU) ein Sprichwort aus der Pfalz: "Nichts ist so schlecht, als dass es nicht für irgendetwas gut ist." Ein Satz, der dem Minister sichtbar gefiel.