Petitionen
Beim Bundestag belebt das Internet ein altes Bürgerrecht. Vielleicht bald auch in den Ländern
Wenn es nach Mark Vogelsang geht, müssen künftig alle Bundesbürger an die Urnen: In seiner Petition, veröffentlicht auf der Internetseite des Deutschen Bundestags, plädiert er für die Einführung der Wahlpflicht. Bislang hat Vogelsang 48 Unterstützer für sein Anliegen gefunden. Sie alle nutzen, was ihnen Artikel 17 des Grundgesetzes garantiert: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."
So alt das Petitionsrecht selbst ist - schon im römischen Kaiserreich konnten sich die Bürger mit einem "supplicum" (demütiges Bitten) an den Kaiser wenden -, so neu sind die erweiterten Möglichkeiten, die der Bundestags-Petitionsausschuss dafür heute bietet. Seit 2005 können Petitionen nicht mehr nur schriftlich per Brief oder Postkarte, sondern auch online eingereicht werden. Wer will, kann sein Anliegen - sofern es im allgemeinen Interesse ist - auch öffentlich machen: Die Petition ist dann auf der Bundestagsseite im Internet für alle Interessierten einsehbar und kann von anderen Unterstützern mitgezeichnet werden.
Wie erfolgreich diese Neuerung ist, wird deutlich, wenn man sich die bislang eingegangenen Petitionen online anschauen will: Weil so viele Bürger diese Möglichkeit nutzen, ist die genutzte Software vollkommen überlastet und der Seitenaufbau dauert zum Teil mehrere Minuten. "Das soll noch im Laufe dieses Jahres geändert werden", kündigt Ulrich Riehm an. Er ist Projektleiter beim Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestags und hat gemeinsam mit seinen Kollegen das Projekt evaluiert.
Obwohl sein Bericht erst im Sommer veröffentlicht werden soll, zieht er bereits ein erstes Fazit: Die Möglichkeit, Petitionen veröffentlichen, sie online mitzeichnen und darüber im Internetforum diskutieren zu können, werde von einer großen Mehrheit der befragten Petenten begrüßt. Die, so Riehm, unterscheiden sich in einigen Punkten vom Bevölkerungsdurchschnitt: Sie seien durchschnittlich höher gebildet, zumeist männlich und politisch stärker engagiert. Dabei differieren die Anliegen stark: Sie reichen von der Beschwerde über einen Behördenbescheid über den Wunsch nach Gesetzesänderungen bis hin zu der Forderung, eine Luxussteuer auf hohe Einkommen zu erheben.
Rund 17.000 Petitionen haben den Bundestag im vergangenen Jahr erreicht, unterstützt von fast 500.000 Petenten. Im Jahr 2006 waren es annähernd genauso viele Petitionen. Schon zehn Prozent der Eingaben erreichen den Bundestag über das Internet - Tendenz steigend. Einige Petitionen fanden große öffentliche Unterstützung: Mehr als 100.000 Bürger stellten sich im Jahr 2007 hinter die Forderung, die Streichung der Pendlerpauschale zurückzunehmen. Mehr als 60.000 Bürger schlossen sich der Petition für ein Praktikumsgesetz an.
Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Kersten Naumann (Die Linke), betont, dass jedoch alle Petitionen gleich behandelt werden: "Wir kümmern uns nicht nur um die, die von den meisten Bürgern unterstützt werden. Wenn uns eine Oma schreibt, weil der Enkel keine Lehrstelle findet oder ungerecht behandelt wird, ist uns das genauso wichtig."
Bei der Konferenz der Petitionsausschüsse von Bund und Ländern am 20. und 21. April in Dresden berichtete Naumann ihren Kollegen aus den Ländern von den Erfahrungen mit den so genannten E-Petitionen und öffentlichen Petitionen. "Ich würde mir wünschen, dass alle Länder das einführen, aber das muss in den einzelnen Ausschüssen beschlossen werden. Es gibt aber schon erste Anzeichen, dass die Anregungen des Bundestags aufgenommen werden", hebt die Bundestagsabgeordnete hervor.
Einig sei man sich länderübergreifend über die große Bedeutung des Petitionsrechts. Naumann ist optimistisch, wenn sie den Erfolg ihrer Arbeit einschätzen soll. "Ein Praktikumsgesetz gibt es zwar noch nicht, aber es wird endlich fraktionsübergreifend darüber gesprochen." Etwa 35 Prozent der Petitionen würden mit einem positiven Ergebnis für den Petenten abgeschlossen. "Das sind in aller Regel Fälle, die gar nicht erst in die Ausschusssitzungen gelangen, sondern relativ schnell über eine Nachfrage beim zuständigen Ministerium geklärt werden können." Bei den Petitionen, die nicht im ersten Anlauf abgeschlossen und im Ausschuss diskutiert werden, seien es fünf Prozent.
Nach seinen Beratungen gibt der Petitionsausschuss Empfehlungen ab, über die der Bundestag meist in Form von Sammelübersichten abstimmt. Die Petition kann "als Material" an Regierung oder Fraktionen überwiesen werden, damit sie bei künftigen Entscheidungen berücksichtigt wird. Die Überweisung "zur Erwägung" bedeutet, dass der Ausschuss der Ansicht ist, das Anliegen solle noch einmal geprüft werden. Die stärkste Form ist schließlich die Überweisung "zur Berücksichtigung". Damit wird gesagt, dass das Anliegen des Petenten so wichtig ist, dass Abhilfe unabdingbar ist. Dass die Empfehlungen des Petitionsausschusses nicht verbindlich sind, empfindet Naumann als Nachteil. "Das wäre anders besser. Aber die Erfahrung zeigt, dass viele der Anliegen eben doch aufgegriffen werden." Ob das auch in Sachen Wahlpflicht passiert, ist fraglich. Einen Bescheid über den Abschluss seiner Petition wird Mark Vogelsang in einigen Wochen bekommen. Susanne Kailitz z