GEBÜHREN
Künftig dürfen Rechtsanwälte und ihre Mandanten eine erfolgsabhängige Vergütung selbst vereinbaren
Der Wunsch der Mandantin war eindeutig: "Sind Sie geneigt, mich auf prozentueller Gewinn-Beteiligung von einem Drittel als Ihr Honorar zu vertreten?", schrieb die US-Amerikanerin ihrem deutschen Anwalt. Dieser stimmte der erfolgsabhängigen Vergütung zu, setzte dann für seine Mandantin einen Anspruch von über 150.000 Euro durch - und musste dafür eine Strafe von 5.000 Euro zahlen. Der Anwaltsgerichtshof sah in dem Erfolgshonorar eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit.
Das Bundesverfassungsgericht beurteilte den Fall anders, hob die Strafe auf und verurteilte den Gesetzgeber, bis spätestens Juni 2008 eine Neuregelung zu schaffen: Das generelle Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare ist nach Ansicht der Karlsruher Richter unzulässig: Es bedürfe zumindest einer Ausnahmeregelung, um zu verhindern, dass das starre deutsche Gebührensystem potenzielle Kläger davon abhält, ihre Ansprüche zu verfolgen. Die Karlsruher Vorgabe setzte das Parlament am 25. April mit breiter Mehrheit gesetzlich um. Nun dürfen beispielsweise Rechtsanwälte Erfolgshonorare vereinbaren ( 16/8916, 16/8384).
Dies beträfe zum Beispiel einen mittelständischen Bauunternehmer, der eine Vergütungsforderung geltend macht und dabei aufgrund von möglichen Gewährleistungsrechten der Gegenseite ein hohes Prozessrisiko eingehen muss, so Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Eine feste Definition, wann ein Ausnahmefall vorliegt, enthält der Gesetzentwurf jedoch nicht. Außer den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten sollen auch das Prozessrisiko und seine Bewertung von Bedeutung sein, sodass im Ergebnis ein großer Beurteilungsspielraum besteht. Trotzdem ist nicht zu befürchten, dass die erfolgsabhängige Vergütung künftig zum Regelfall wird, denn die formalen Hürden sind sehr hoch: So muss eine entsprechende Honorarvereinbarung zwingend schriftlich geschlossen werden. Fax oder Mail sollen entgegen einer ersten Entwurfsfassung aber ausreichen.
Zudem ist der Anwalt verpflichtet, in der schriftlichen Vereinbarung anzugeben, was er ohne Erfolgshonorar voraussichtlich verdienen würde. Des Weiteren muss der Jurist seinem Mandanten die wesentlichen Gründe für die Höhe des vereinbarten Erfolgshonorars schriftlich darlegen. In der Vergütungsvereinbarung sollen die Geschäftsgrundlagen festgehalten werden, von denen die Vertragsparteien bei der Vereinbarung der erfolgsbasierten Vergütung ausgehen, so die Begründung des Gesetzgebers. Jürgen Gehb von der Unions-Fraktion lobte, mit der Neuregelung könne ein Mandant seine Rechte unter einer erträglichen Kostenperspektive verfolgen. "Amerikanische Verhältnisse" mit einer Anwaltsindustrie, die auf schadensträchtige Ereignisse geradezu lauere und sich dann über die Vereinbarung von Erfolgshonoraren ihre Mandanten erst suche, werde es in Deutschland nicht geben. Christoph Strässer (SPD) argumentierte, hohe Rechtsanwaltskosten könnten potenzielle Mandaten oft davon abhalten, den Rechtsweg zu beschreiten. Auf der anderen Seite habe das grundsätzliche Verbot von Erfolgshonoraren aber seine Berechtigung nicht verloren. Da sich die Regelung an das von Karlsruhe vorgegebene verfassungsrechtliche Minimum anlehne, könne die FDP dieser "geringen Öffnung" zustimmen, so die FDP-Abgeordnete Mechthild Dyckmans. Wolfgang Neškovi?c (Die Linke) führte an, eine unklare Formulierung beim Abschluss der Erfolgsvereinbarung könnte dazu führen, dass ein Mandant, der ein solches Honorar vereinbart habe, am Ende doch die gesetzliche Gebühr zahlen müsse. Deswegen werde seine Fraktion sich enthalten. Auch Wolfgang Wieland (Grüne) war insgesamt mit dem Gesetz zufrieden.
Die Anwaltschaft kritisierte unterdessen, die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Erfolgshonorars seien "unpraktikabel". Zum Zeitpunkt der Mandatsannahme sei es schwierig, die voraussichtliche Vergütung einzuschätzen, sagte Hartmut Kilger, Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Christoph Frank, Präsident des Deutschen Richterbundes, fürchtet, dass durch die neue Regelung die Zahl der Gerichtsverfahren ansteigen werde.