"Wo auf der Erde, denken Sie, finden Sie irgendwelche religiösen Minderheiten, die so mild und mit so großer Aufgeschlossenheit behandelt werden wie hier im Iran?"Ali Akbar Velayati, ehemaliger iranischer Außenminister
Der Iran ist ein aus einer Revolution hervorgegangener islamischer, theokratischer Staat. 1 Grundlegend für die Minderheitenpolitik ist das staatliche Gebilde aus Verwaltung, Legislative und Exekutive. Vor dem Kontakt mit dem Islam bestand Persien aus einem Gemisch vieler Nationen unter königlicher Führung. Diese Vielfalt hat sich bis heute erhalten. Sprachlich zu unterscheiden sind neben dem modernen Persisch als Landessprache Armenisch, Assyrisch, Arabisch, Türkisch, Kurdisch und eine Reihe von iranischen Dialekten. Kaum die Hälfte der iranischen Bevölkerung ist persophon. Die Vielzahl der lebendigen Sprachen verweist auf eine starke religiöse und ethnische Heterogenität. Es finden sich neben Muslimen kleinere Gemeinden von Juden, Baha'i, Christen (Armeniern, Assyrern und Chaldäern) sowie Zoroastriern. Auch die größte ethnische Gruppe, die der Türken mit ca. 15 Millionen, ist sehr heterogen. Neben den drei größten Volksgemeinschaften - den Persern, den Azaris und den Kurden, existieren kleinere wie die der Baluchi, der Qashqai, der Bakhtiari, der Turkmenen, der Araber, der Shahsevan und der Luren.
Bestrebungen, einen starken zentralistischen Staat zu errichten, lassen sich bis in das 18. und 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Besonders die Regierungszeit Reza Shahs (1925 - 1941) reflektiert diese Absicht. Um die Staatsmacht zu festigen und zu reformieren, setzte er gewaltsam Änderungen in Schulwesen und Verwaltung durch. Hierzu zählen die Einführung des obligatorischen Schulunterrichts in persischer Sprache sowie der Erlass von 1935, nach dem Persien von nun an nur noch als "Iran" zu bezeichnen sei. In herkömmliche ethnische Strukturen wurde eingegriffen, die Kommunikation und der Verkehr zwischen den Provinzen und dem Machtzentrum wurden verbessert, die Gesetzgebung verändert und exekutive Gewalt angewendet. Dadurch konnte der Einfluss der Ulama (religiöse Gelehrte) auf die Gesellschaft eingedämmt werden.
Diese Politik wurde unter seinem Sohn Mohammad Reza Shah (1941 - 1979) in abgewandelter Form fortgesetzt. Eine Zäsur erlebte das Land durch die kurzzeitige Machtübernahme des Premierministers Mohammad Mossadeq, der die Zentralmacht schwächte, aber die Ölindustrie nationalisierte. Nach Mossadeqs Abdankung kehrte der Schah zu seiner Ideologie der Staatsmacht als zentralem Angelpunkt zurück. Das Augenmerk auf Erneuerung gerichtet, nutzte die Regierung den durch die Öleinnahmen wachsenden Reichtum für eine kontrollierte und gezielte Minderheitenpolitik, die auch die Diskreditierung religiös und intellektuell Andersdenkender einschloss. Bildungspolitisch wurde auf die Durchsetzung des Persischen als alleinige Unterrichts- und Publikationssprache hingearbeitet; die Benutzung anderer Sprachen in den genannten Bereichen wurde untersagt. Das Schah-Regime errichtete ein System von Anreiz und Druck als Basis politischer Repression.
Aus dieser Konstellation heraus ist der Ausbruch der Islamischen Revolution im Februar 1979 zu betrachten, der von einer Koalition religiöser und weltlicher Vertreter befürwortet wurde. Im Februar 1979 kehrte der seit 1964 im Exil lebende Ayatollah Khomeini in den Iran zurück und wurde zum Symbol der Revolution. Mit dem viel diskutierten Artikel 12 der Verfassung, die unter Mehdi Bazargan ausgearbeitet worden war, bekannte sich der Iran offiziell zur Zwölfer Schia: "Die Zwölfer-Schia ist die offizielle Religion Irans, und dieses Prinzip bleibt für immer und ewig unabänderlich. Die anderen islamischen Rechtsschulen (...) genießen die volle Achtung und die Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaften sind bei der Praxis ihrer religiösen Riten entsprechend ihrer Lehre frei. Sie genießen die Anerkennung in Bezug auf ihre religiöse Didaktik und Pädagogik, persönliche Angelegenheiten und deren Rechtsansprüche."
Dieser Schritt führte zur Durchsetzung des Schiitismus als Staatsreligion. Es folgte eine Zeit der politischen Wirren, die von Machtkämpfen zwischen der Islamisch-Republikanischen Partei (IRP, gegründet im Februar 1979) und unterschiedlichen Personen und autonomen Gruppen wie Hezbollah geprägt war. Radikale Maßnahmen wie Hinrichtungen, Beschlagnahme von Eigentum sowie die Besetzung der amerikanischen Botschaft, die maßgeblich von der IRP getragen wurden, fallen in diese Phase. 1980 fand die erste Präsidentschaftswahl statt, die Hassan Banisadr gewann. Seine lediglich 18-monatige Regierungszeit wurde überschattet von einem Geiseldrama, Terroranschlägen auf Revolutionsführer, innerklerikalen Streitigkeiten, Zusammenstößen mit islamischen Gruppen, der Geistlichkeit und der IRP sowie dem Überfall Iraks auf die neu gegründete Republik.
Von 1981 bis 1989 war Seyyed Ali Khamenei Präsident. Er wurde von Hassan Rafsanjani abgelöst, so dass sich schließlich eine doppelte Staatsführung mit Rafsanjani auf weltlicher und Khamenei auf geistlicher Seite die Macht teilte. Die 1980er Jahre waren von großen innenpolitischen Veränderungen geprägt. Es kam zu einer Rationalisierung der Bürokratie, zur Neukonzeption des Bildungswesens sowie zur Versetzung von Geistlichen ins Bildungs- und in andere Ministerien. Entscheidende Faktoren waren am Ausgang dieser Dekade das Ende des Golfkrieges sowie der Tod Khomeinis, die auf eine Öffnung im innen- wie außenpolitischen Bereich und im Bezug auf ethisch-moralische Grundwerte der Gesellschaft hoffen ließen. Reformversuche der Regierung im folgenden Jahrzehnt blieben jedoch eher unbedeutend.
Der revolutionäre Charakter der Islamischen Republik bildet den Rahmen für die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Regierung und Minderheiten. So genannte "kulturelle Säuberungen" und andere Eingriffe in das Leben der Angehörigen der religiösen Minoritäten waren besonders in den Jahren von 1981 bis 1985 kennzeichnend. Staatliche Zensur und Repression haben mit der Machtübernahme Mahmud Ahmadinejads zugenommen.
Die religiöse und linguistische Vielfalt, die für den Vorderen Orient kennzeichnend ist, resultiert aus dessen geopolitischer Lage an der Kreuzung verschiedener Einflusssphären: der persischen und indischen Religionen sowie der zentralasiatischen und mediterranen Kulturen. Bis zum Auftreten des Islam hielt sich der Staat politisch weitgehend zurück, kommunale Angelegenheiten blieben den Gemeinden überlassen, und er stellte, abgesehen vom Gebot der Gehorsamkeit dem Staatsoberhaupt gegenüber, der Zahlung von Steuern sowie von gelegentlichem Militärdienst, keine weiteren Forderungen an die Bürger. Hier brachte der Islam anfänglich kaum Veränderungen mit sich. Muhammad ging von einer Wurzel des Religiösen aus, die bereits in den Menschen vorhanden, jedoch wenig entwickelt war. Seine Überzeugungen lassen erkennen, dass der Islam gewissermaßen als Reformbewegung zum Judentum fungierte, von dem er sowohl den Monotheismus als auch grundlegende Hinweise zur Lebensführung entlehnte. Die späteren Entwicklungsphasen der neuen Religion stellten einen bedeutenden Kontrast zu dieser Anfangszeit dar.
Im Selbstverständnis der orientalischen Machthaber und Interpreten des Islam vereinigte dieser die Menschen wahren Glaubens in einer Gemeinschaft, die gleichermaßen das kulturelle Fundament für Staat und Religion verkörperte. Durch diese Weltsicht wurden unter den Anhängern anderer Religionen nur die 'Ahl-e Ketab legitimiert, wörtlich "Leute der Schrift", die sich auf heilige Offenbarungsbücher stützen. Darunter verstand man in der Regel Christen, Juden, Sabäer und Zoroastrier. Ihnen wurde zusätzlich der Status 'Ahl-e Dhimmah, "geschützte Menschen", zugesprochen. Diese relativ sichere Position der bedingt freien Religionsausübung, menschenwürdiger Behandlung sowie des allgemeinen Schutzes war allerdings an die Zahlung der so genannten Jizya (Kopfsteuer) sowie die Unterwürfigkeit gegenüber Muslimen geknüpft.
Die Wende im Umgang mit den "Leuten der Schrift" wurde durch den von mohammedanischen Theologen vorgebrachten Glauben herbeigeführt, Christen und Juden (und die Zoroastrier in Persien) hätten die wahre Botschaft der Heiligen Schrift - das Kommen Muhammads und den Aufstieg des Islam - verfälscht. Hierfür werden Koranverse als Belege angeführt. Noah, Abraham, Moses und Jesus werden hingegen als Wegbereiter Muhammads anerkannt. Der in der Offenbarung durch den Propheten verkündete Islam gilt als letzte und höchste Stufe aller Religionen, die auch von 'Ahl-e Ketab durch Konversion angenommen werden müsse. Auf den Widerruf der Zugehörigkeit zum Islam innerhalb der eigenen Reihen stand die Todesstrafe. Mit den Jahren setzte sich ein noch strengerer Umgang mit Nichtmuslimen durch.
Die schiitische Weltsicht wird von Gedanken an Martyrium und geduldiges Leiden bestimmt. Zurückzuführen ist dies überwiegend auf den Status des Schiitismus innerhalb des Islam, der sich immer in einer Minderheitenposition befand, was sich in einer Art Verfolgungswahn und Rechtfertigungszwang widerspiegelt.
Des Weiteren spielt das Thema der Rechtsprechung für Muslime und Nichtmuslime, besonders für Christen und Juden, eine wesentliche Rolle. Bei zeitgenössischen islamischen sunnitischen Sachkennern ist der Ruf nach normierter Auslegung islamischer Texte, die den Umgang mit Nichtmuslimen betreffen, laut geworden. Dieser islamische Reformismus empfiehlt eine Angleichung und Zusammenführung der Ansichten der vier einschlägigen sunnitischen Schulen. Faktisch hat vor dem Gesetz immer eine Ungleichbehandlung von Gläubigen und Ungläubigen bestanden; eine Doppelmoral, die einerseits das Prinzip der Gleichheit proklamiert, andererseits aber die Minderwertigkeit Andersgläubiger herausstellt, auf deren Grundlage Ausgrenzung und Diskriminierungen betrieben wurden. Traditionelle mohammedanische Gesetzmäßigkeiten blieben also auf vielen Gebieten des täglichen Lebens dominant, beispielsweise Verbote, Nichtmuslime als Richter einzusetzen, oder von Mischehen.
Trotz dieser gesetzlichen Definitionen bleibt deren Umsetzung dem modernen Staat überlassen. Anzuführen wäre in diesem Zusammenhang die Zahlung der Kopfsteuern durch Nichtmuslime. Das heutige Staatswesen ist auf institutioneller und ziviler Seite allerdings so beschaffen, dass die Zahlung der Kopfsteuern nicht mehr verlangt werden kann. Unverrückbar bleiben die Festlegungen, die im Falle einer häretischen Äußerung eines Ungläubigen gegenüber dem Islam oder dem Propheten Muhammad geltend gemacht werden. Danach ist ein solcher Akt eine staatsfeindliche Handlung. Ähnlich ist es auch im Bildungswesen: Keine Schule darf eröffnet werden, die nicht im Kern mit dem Konzept einer islamischen Schule übereinstimmt.
Noch kaum entwickelt ist die Forschung bezüglich der Unterschiede in der Betrachtung muslimisch-nichtmuslimischer Kontakte durch die Sunna und die Schia. Fest steht allerdings, dass die Schia strengere Regeln für den Umgang mit Andersgläubigen einführte. Der Theologe Mohammad Bagher Madjlesi (gestorben 1699) stellte klare Richtlinien für Muslime auf: Sie dürften bestimmte Menschengruppen wie Juden, Christen, Zoroastrier, Heiden wie auch Spieler, Musiker und Homosexuelle nicht grüßen. Eklatant wird die Spaltung zwischen beiden Richtungen in Bezug auf rituelle Unreinheit. Schiiten sollten den körperlichen Kontakt mit Nichtmuslimen völlig vermeiden. Wenn dies dennoch geschieht, stellen die Theologen und die Rechtsgelehrten eindeutige Weisungen für die rituelle Reinigung auf. Das Fleisch der von Juden rituell geschlachteten Tiere gilt bei den Schiiten als unrein, während es bei den Sunniten keine entsprechenden Hinweise gibt. Möglicherweise könnte dieser Gedanke der Unreinheit dem persischen Zoroastrismus entlehnt worden sein, der sich ebenfalls negativ zur Ehe mit Nichtzoroastriern äußerte und Reinigungen für versehentliche Kontakte vorsah.
Die persische Definition für die Bezeichnung religiöser Minderheiten, Aqalliyyat-e dini, weist ebenfalls auf eine Marginalisierung dieser Glaubensgemeinschaften hin. Die restriktiven Maßnahmen, die gegen die anerkannten (Zoroastrier, Juden, Christen) und nicht anerkannten (Baha'i, konvertierte Christen) religiösen Minderheiten in der Islamischen Republik seit 1979 ergriffen worden sind, waren keine Neuerung der Revolutionsideologen. Bereits unter der sassanidischen Dynastie und in den Pahlavi-Schriften lassen sich diskriminierende Äußerungen der zoroastrischen Priester über die Andersgläubigen, insbesondere Juden, belegen.
Die Schiitisierung des Landes ab 1501 bewirkte indes eine erste Institutionalisierung dieser Denkweise. Die islamorientierte Weltanschauung der schiitischen Ulama, die alle nichtislamischen Elemente verabscheut und zurückdrängt, führte zur institutionalisierten Ausgrenzung der Minderheiten. Der Sieg der islamischen Revolution und die Durchsetzung der schiitischen Ideologie als höchste politische Macht und Legislative des Landes brachte die Zertifizierung der restriktiven Ideologien der Zwölfer Schia in Hinblick auf die religiösen Minderheiten in Persien mit sich, ein für außenstehende Iranexperten verschwommenes, für die einheimischen Nichtmuslime klares, radikales Konzept: eine Doppelmoralideologie für den praktischen Umgang mit religiösen Minderheiten. Dies wird unterstrichen durch den Namen der Regierung Jomhury-e Eslami. Während das Palavi-Regime das Iranisierungskonzept umsetzen wollte, entwickelte sich die islamische Regierung in die entgegengesetzte Richtung. Nun heißen dieselben Individuen "muslimische Schwestern und Brüder". Mit einer solchen Definition fallen alle nichtmuslimischen Bewohner Persiens weg. Das spiegelt sich in allen Bereichen der Gesellschaft wider. Die Inhalte der Lehrmittel an Schulen und Universitäten sowie der Medien und der modernen iranischen Literatur bleiben von der expliziten Äußerung dieser Ideologie nicht verschont. Proteste und Beschwerdebriefe der Vorsitzenden der religiösen Minderheiten und deren Abgeordneter im iranischen Parlament bei den zuständigen Behörden, den jeweiligen Präsidenten und hohen Regierungsbeamten erweisen sich als erfolglos.
Im Bereich der islamischen Jurisdiktion sprechen sich die Strafgesetze des Landes eindeutig gegen Nichtmuslime aus. Die Rechtsprechung über Blutvergeltung stellte bis zu ihrer Milderung im Sommer 2004 durch das Justizministerium und das Parlament eine klare Diskriminierung der religiösen Minoritäten dar. Während diese Strafgesetze nun offiziell und erst seit kurzem keine Unterschiede zwischen den muslimischen und nichtmuslimischen Streitpartnern machen dürfen, stellt sich die Frage, ob diese Verordnung auch in der Praxis und landesweit umgesetzt wird. Trotz der Einführung einiger toleranterer Elemente im Bereich der Jurisprudenz führt die Apostasiestrafe, wie Berichterstattungen von Menschenrechtsorganisationen bestätigen, immer noch zur Exekution. Von dieser islamischen Gesetzgebung sind vor allem die nicht anerkannten religiösen Minderheiten, also die Baha'i und die konvertierten Protestanten muslimischer Herkunft, betroffen.
Die Geschichte des Terminus 'Ahl-e Dhimmah und dessen Status als Dhimmi in den islamischen Ländern erwies sich als Schutz-Verfolgungskonzept und hatte in der Realität wenig mit dem von den muslimischen Gelehrten versprochenen Konzept der "Leute der Schrift" als Schutzbefohlene zu tun. Selbst die etymologische Zweideutigkeit des Terminus Dhimmi, einer sehr relevanten Valenz des Wortes als der "Schuldige", die oft selbst von den Orientalisten vernachlässigt wurde, spricht für diese Doppelmoral der Strategie des Umgangs mit religiösen Minderheiten. Die Islamische Republik betrachtet sich des Weiteren als kompetent für die inneren Angelegenheiten der religiösen Minderheiten. Die Iranideologen und vor allem die Ulama halten Vorträge über theologische Themen der nichtmuslimischen Religionen und verfassen ihre Schulbücher.
Die Reaktionen der religiösen Minderheiten auf diese Behandlung sind sehr unterschiedlich und hängen von ihrer religiösen Zugehörigkeit und der sozialen Akzeptanz ihrer Position ab. Eine zum Teil tausendjährige Geschichte des Aufenthalts in Persien brachte ihnen bei, mit schwierigen Situationen umzugehen, die durch einen schnellen Regimewechsel und Änderungen in den Staatsstrategien zustande kommen können. Im historischen kollektiven Bewusstsein der iranischen Nichtmuslime spielt die Widerstandsfähigkeit gegen die sozialen und politischen Veränderungen und die Anpassung eine bedeutende Rolle. Jede nichtmuslimische Gemeinschaft verfügt über ihre eigenen Ausfluchts- und Kollaborationsfähigkeiten. Sie verhalten sich nach der klassischen, traditionellen Auffassung des Dhimmi-Status geduldig, flexibel und kooperativ. Der Konservatismus dient den religiösen Minderheiten Irans als Strategie, die das Zusammenleben mit ihren muslimischen Landsleuten bis zu einem gewissen Grad ermöglicht.
Fast alle jüdischen Abgeordneten im iranischen Parlament vertreten bis heute einen konservativen Standpunkt. So drückte etwa Manuchehr Nikrooz (gewählt 1984) sein tiefes Bedauern anlässlich des Todes des Generalsekretärs der Hezbollah im Libanon, Mostafa Chamran, im Juni 1981 aus und pries ihn als akademischen "Kämpfer". Kurosh Keyvani (gewählt 1992), ein anderer jüdischer Abgeordneter, missbilligte das "zionistische Regime" Israels und bezog sich auf die historische Rede Ayatollah Khomeinis, in der er festhielt, dass es einen Unterschied zwischen dem Zionismus und den iranischen Juden gebe. Am Ende seiner Rede betonte er: "Die persischen Juden glauben und haben sich immer darauf verlassen, dass die gehisste Fahne des Islam und die erhabenen Ulama die Beschützer dieser religiösen Gemeinschaft sind." Auch Manuchehr Eliasi (gewählt 1996) begann seine Reden immer mit einem Segensspruch für den verstorbenen Ayatollah Khomeini. Er meinte, dass die prophetischen Aussagen des Ayatollah die iranischen Juden dazu ermutigten, sich an die Spitze der islamischen Revolution 1979 zu stellen. Ebenso sprach Muris Motamed (gewählt 2002) nach den Wahlen bei seiner ersten Rede über die Milde und Großzügigkeit der Revolutionsführer gegenüber den iranischen Juden. In seinen islamapologetischen Vorträgen berief sich Motamed wiederholt auf die Reden von Khomeini und die Loyalität der persischen Juden zur Islamischen Republik. Am häufigsten lässt sich das islamapologetische Phänomen in den Reden und Schriften des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinschaft in Teheran, Harun Yeshaya'i, finden, der fast bei jedem Anlass seine Dankbarkeit für die Freundlichkeit und Toleranz gegenüber den Juden im Iran betont.
Die Restriktionen gegen Nichtmuslime sind nicht vorwiegend politischer, sondern vielmehr sozialer Natur. Eine Kontrolle ihrer rituellen Veranstaltungen, Kultur- und Schulprogramme sowie der Freizeitbeschäftigungen findet sowohl offiziell als auch inoffiziell statt. Die Strategien der führenden Kräfte der Islamischen Republik sind vielschichtig. Es sind vor allem drei Elemente, die das Maß der Toleranz gegenüber den religiösen Minoritäten bestimmen: die Regierungsbeamten, die öffentlichen Einrichtungen sowie die klerokratische Ideologie und ihre Definition von Politik. Während die ersten beiden Kräfte das Regime stützen, basieren die Säulen der Islamischen Republik auf dem dritten Element. Die schwierigen ökonomischen Verhältnisse und die internationale Empörung über die Menschenrechtsverletzungen im Lande führten Ende der 1980er Jahre zu einer Reduzierung des religiösen Fanatismus. Seitdem ist die politische Haltung religiösen Minderheiten gegenüber besonders undurchsichtig. In diesem Kontext bedeutet der "Dialog der Kulturen", den man im Iran als Dialog zwischen den Zivilisationen bezeichnet, in erster Linie die Zustimmung zur Superiorität der Zwölfer Schia, dann erst "Diskussion".
Heute besteht eine stille Vereinbarung zwischen den radikalen islamischen Gruppen und der Regierung, die allerdings nur solange legitim ist, wie das Gesicht der hohen Regierungsbeamten gewahrt wird. Der Umgang des iranischen Regimes mit religiösen Minderheiten entspricht dem alten Klischee von "Zuckerbrot und Peitsche". Seit den 1990er Jahren versucht das Regime, durch kalkulierte Maßnahmen auf die internationale Kritik an den Menschenrechtsverletzungen zu reagieren. Dazu gehören offizielle Einladungen an religiöse Führer außerhalb Irans, damit sie die "Freiheit" der religiösen Minderheiten in der Islamischen Republik selbst beurteilen können. Eine hochrangige kirchliche Delegation von assyrischen, griechischen und armenischen Klerikern besuchte 1998 das Land, erhielt glamouröse Publizität und einen eindrücklichen Empfang von den Regierungsbeamten und den Repräsentanten der christlichen Gemeinschaften im Iran.
Ein ähnliches Ziel verfolgen die Bemühungen der Regierung, einen Vergleich zwischen der Situation der religiösen Minderheiten im eigenen Land und jener der Muslime in Europa und in den USA anzustellen. Sie wollen zeigen, dass die Rechte der religiösen Minderheiten im Iran besser gewährleistet sind als die der Muslime im Westen. Öffentliche Missbilligungen Israels und des israelischen Umgangs mit den Palästinensern reflektieren das Konzept der Dämonisierung des "Imperialismus" und der Verachtung der Unterdrückung der Muslime durch die westlichen Mächte. Im Laufe der Zeit erwies sich diese strategisch durchdachte und geschickte Außenpolitik Irans durchaus als erfolgreich.
Der Umgang der muslimischen Bürger mit ihren nichtmuslimischen Landsleuten im Iran lässt sich nicht verallgemeinern. Ihr Verhalten variiert von Stadt zu Stadt und von Person zu Person. Die herrschende religiöse Atmosphäre in der jeweiligen Stadt und auch in der Familie, die Erziehung der Kinder, das Milieu und das Niveau der erziehenden Familie und ihre finanziellen Verhältnisse sind ausschlaggebende Faktoren. Unter den aufgezählten Einflüssen ist der Grad der Religiosität der betreffenden Person das entscheidende Kriterium. Die stark säkularisierten Iraner zeigen sogar eine gewisse Zuneigung zu den religiösen Minderheiten, da sie feststellen, dass sie mit den Nichtmuslimen über Themen sprechen können, die gegenüber einem muslimischen Landsmann tabu wären. Das Anderssein als exotisches Phänomen innerhalb einer islamischen Gesellschaft, die versucht, alles gleichförmig zu gestalten, weckt das Interesse der gebildeten und toleranten Muslime an den religiösen Minderheiten. Ganz anders ist die Situation in den religiösen Schichten der islamischen Gesellschaft. Abgesehen von den traditionellen, rituellen und religiös geprägten Vorurteilen, welche die gläubigen Muslime in sich tragen, scheint ihre Annäherung an die religiösen Minderheiten allenfalls missionarischer Natur zu sein. Ein anderer Teil der iranischen Muslime versucht, die Minderheiten möglichst zu meiden. Viele befürchten, dass ein engerer Kontakt ihre soziale Stellung und berufliche Position gefährden würde.
Einer Minderheit anzugehören, egal, ob dies einen ethnischen, sprachlichen oder religiösen Ursprung hat, heißt, am Rande zu stehen. Die Assyrer und Chaldäer, die während der tausendjährigen Geschichte ihrer Existenz eine antagonistische Beziehung hatten und zum Teil blutige Auseinandersetzungen gegeneinander führten, heißen in der Islamischen Republik "Assyro-Chaldäer" und verfügen über einen einzigen Parlamentsabgeordneten. Die Armenier wiederum dürfen aufgrund ihrer größeren Zahl (ca. 250 000) zwei Vertreter schicken. Jedoch ist es dieser christlichen Gemeinschaft untersagt, ihren Religionsunterricht in Armenisch zu halten. Das gleiche gilt für die ca. 15 000 Angehörigen der jüdischen Minderheit. Das Hebräische wird latent mit Israel und demzufolge mit der "Zionistensprache" in Verbindung gebracht. Obgleich die 2600-jährige Geschichte der persischen Juden den Islam im Iran vom Alter her übertrifft, macht diese Tatsache sie nicht zu Einheimischen, und ihnen kann jederzeit Spionage für Israel zur Last gelegt werden. Das Baha'itum (ca. 300 000) ist nach Auffassung der Ideologen keine Religion, sondern eine "irregeleitete politische Sekte". Auch die Zoroastrier (ca. 50 000) sind mit ihrer "dualistischen" Ethikkonzeption in den Augen des Staates keine wahren Monotheisten.
Der Schiitimus war selbst Jahrhunderte lang Objekt der Minorität und Marginalität. Wieso gerade die Zwölfer Schia, die in der islamischen Geschichte politischer Verfolgung, Vertreibung und Exekution ausgesetzt war, nun als höchste staatliche Autorität Irans kein Verständnis für religiöse Minderheiten zeigt, ist eine brisante, aber zugleich komplexe Frage, deren Beantwortung Thema einer wissenschaftlichen Untersuchung sein könnte. 2
1 Aus
Platzgründen wurde auf eine Bibliographie verzichtet. Vgl.
für die verwendete und weitere Literatur Anm.2 und mein
Diskussionsforum für Orientalistik:
www.orientalistics.com.
2 Die Untersuchung über die
Situation der religiösen Minderheiten im Iran steht erst in
ihrer Anfangsphase. Neben einigen frühen allgemeinen,
historisch orientierten Werken über das jüdische Leben,
den sporadischen Anmerkungen über die persischen Juden in den
1980er und 1990er Jahren und ungeachtet der allgemeinen
Berichterstattungen von Menschenrechtsorganisationen,
stößt man bei der Bibliographierung der
Minderheitenforschung insbesondere bezüglich ihres aktuellen
Status unter der Islamischen Republik Iran, nur auf einen einzigen
Namen: Eliz Sanasarian. Vgl. Walter J. Fischel, The Jews of Persia,
1795-1940, in: Jewish Social Studies, 12 (1950) 2, S. 119-160;
Habib Levy, Târîkh-e yahudîyân-e Irân
[Geschichte der iranischen Juden], Teheran 1969; Laurence D. Loeb,
Dhimmi Status and Jewish Roles in Iranian Society, in: Ethnic
Groups, New York 1976; Sorour Soroudi, Jews in Islamic Iran, in:
Jewish Quarterly, 21 (Fall 1981); Bernard Lewis, The Decline and
Fall of Islamic Jewry, in: Commentary, Juni 1984, S. 44-54; Houman
Sarshar (ed.), Esther's Children, Bd. I-II, Philadelphia 2000; Eliz
Sanasarian, Religious Minorities of Iran, Cambridge 2000.