ERNÄHRUNG
Die EU plant im Kampf gegen Übergewicht ein neues Schulobst-Programm
Europas Schüler werden immer dicker. Jedes fünfte Kind - 22 Millionen insgesamt -leidet unter Übergewicht, berichten europäische Wissenschaftler. Besonders junge Briten, Italiener, Zyprer und Iren geben Anlass zur Sorge. Fünf Millionen werden dabei sogar als adipös, stark übergewichtig oder fettleibig bezeichnet. Allein diese Gruppe wächst jedes Jahr um 400.000.
Gegen dieses Problem will die EU etwas unternehmen. Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel stellte am 8. Juli ein öffentlichkeitswirksames Programm vor: Schüler sollen künftig in den Pausen kostenlos mit knackig-frischem Obst und Gemüse versorgt werden. 90 Millionen Euro will die Behörde sich das Programm jährlich kosten lassen. "Es ist wichtig, dass Kinder sich bereits in einem frühen Alter gesunde Essgewohnheiten aneignen", erklärt die Politikerin aus Dänemark.
Schon im Schuljahr 2009/10 soll das Programm starten, wenn Fischer Boels Ideen grünes Licht bekommen. Die EU-Regierungen und das Parlament müssen noch über die Vorschläge abstimmen. Jedes Land soll selbst entscheiden können, ob es an der Initiative teilnimmt. Und es muss einen finanziellen Eigenbeitrag leisten: 50 Prozent der Kosten.
Das ist die Sache allemal wert, meint Fischer Boel. Sie zitiert Studien, aus denen hervorgeht, dass Menschen ihre kulinarischen Gewohnheiten oft ein Leben lang beibehalten. Wer als Kind viel Obst isst, tut das auch als Erwachsener und kauft seinen Kindern ebenfalls viel Gesundes. Gerade Sprösslinge einkommensschwacher Familien könnten von dem Schulprogramm profitieren, glaubt Fischer Boel. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt eine Obst- und Gemüsedosis von 400 Gramm täglich. Die meisten Europäer sind davon weit entfernt.
Dennoch sind nicht alle von den Ideen der Kommissarin überzeugt. Kritik kommt etwa vom Europaparlamentarier Horst Schnellhardt (CDU): "Kostenlos Obst und Gemüse abzugeben, führt nicht zum gewünschten Ergebnis", glaubt dieser. "Da besteht die Gefahr, dass Lebensmittel in der Mülltonne landen. Stattdessen sollte man Obst und Gemüse zu reduzierten Preisen anbieten."
Sinnvoll wären auch erst einmal Pilotversuche, so Schnellhardt. Bereits bestehende nationale Projekte, bei denen Schulobst ausgegeben wird - wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen -, sollen jedoch nicht ersetzt, sondern nur ergänzt werden.
Fischer Boel denkt, dass ihr Schulobst-Programm nicht nur übergewichtigen Kindern hilft, sondern auch die Obst- und Gemüsemärkte in ganz Europa belebt. Berichte aus den USA und anderen Ländern geben Anlass zur Hoffnung. Dort änderten Teenager ihr Essverhalten tatsächlich nachhaltig, nachdem ihnen regelmäßig leckere, frische Rohkost serviert wurde. Allerdings: Der Pausenapfel allein reicht nicht aus. Zusätzlich gab es in den USA Nahrung für die grauen Zellen - in Form freiwilliger Kurse über gesunde Ernährung.