EHERECHT
Koalitionsabgeordnete wollen Schutz vor Vielehen
Rückfall ins Mittelalter oder mehr Freiraum für die Religionen? Eine Änderung im Personenstandsgesetz, nach der rein kirchliche Eheschließungen von 2009 an möglich werden, hat zu einer heftigen Debatte geführt. "Harem könnte bald legal werden", titelte die Berliner "tageszeitung".
Dem Bundesinnenministerium ging es mit der Rechtsänderung natürlich nicht darum, in Deutschland den Harem salonfähig zu machen. Seit mehr als 100 Jahren ist vorgeschrieben, dass vor einer kirchlichen erst die standesamtliche Heirat erfolgen muss. Diesen alten Zopf will das Ministerium abschneiden, weil damit die Religionsausübung beschränkt werde. Eine kirchliche Heirat löse keine weltlichen Rechtsfolgen aus, argumentieren die Beamten.
Dass es um eine tiefere Symbolik geht, war verantwortlichen Abgeordneten zunächst verborgen geblieben. Die großen Kirchen erklärten zwar, sie wollten auch ohne den Paragrafen an dem bisherigen Verfahren festhalten, aber es gibt auch andere Religionsgemeinschaften. "Nach deutschem Recht sind Vielehen verboten, und wir können kein Gesetz in Kraft setzen, dass es möglich macht, in 24 Kirchen 24 Partner zu heiraten", sagt der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. Die türkische Frauenrechtlerin Seyran Ates warnt: "Die Imam-Ehe ist dann völlig legal." Wenn hier erlaubt werde, was in der Türkei verboten sei, "fallen alle Hemmungen weg". Nach muslimischem Recht dürfe ein Mann bis zu vier Frauen heiraten. Diese seien aber bei nicht-staatlichen Eheschließungen viel schlechter abgesichert.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) spricht von einem "Rückschritt ins Mittelalter". Und die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sagt, sie habe "nullkommanull Verständnis", dass künftig in Deutschland die muslimische Vielehe legal sein soll, während sie in der Türkei verboten sei. Zwar weisen andere Islam-Experten darauf hin, dass die Bestimmung keine praktische Bedeutung bekommen werde, aber Stewens sagt, selbst ein Restrisiko, dass religiöse Fundamentalisten ausnutzen könnten, müsse beseitigt werden.
Die Politiker waren aber früh gewarnt: In einer Bundesratsvorlage war bereits im Oktober des Jahres 2005 gefordert worden, an dieser Bestimmung festzuhalten, weil kleine Religionsgemeinschaften die Lücke ausnutzen könnten. "Da ist uns etwas durchgegangen", sagt SPD-Politiker Wiefelspütz.