Ernährung
Neue Unterrichtsfächer sollen die schlechten Essgewohnheiten von Schülern verändern
Morgens ohne Frühstück aus dem Haus, in der großen Pause dann eine Pudding-Schnecke vom Bäcker neben der Schule. Mittags ein Hamburger in der Stadt, bevor es zur Informatik-AG geht. Und gegen den Durst gibt es Cola. Was manche Kinder und Teenager als normale Ernährung im Laufe eines Schultages wahrnehmen, hat Folgen: 15 Prozent der Drei- bis 17-jährigen sind nach Angaben einer Studie des Berliner Robert-Koch-Instituts zur Kindergesundheit übergewichtig oder sogar adipös, also stark übergewichtig. Umgerechnet sind das bundesweit 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche. Der Grund: Zu wenig Bewegung, zu viele Fertiggerichte und Snacks. Dabei ist dick sein auch ein soziales Problem und betrifft vor allem Kinder aus ärmeren Familien.
Trotzdem stieß die Forderung, Ernährungskunde als eigenes Fach an den Schulen einzurichten, bisher bei vielen Vertretern der Kultusministerkonferenz oder dem Deutschen Lehrerverband auf Ablehnung. Zu voll seien die Stundenpläne und nicht für jedes akute Problem der Gesellschaft könne ein eigenes Schulfach die Lösung sein, so lautete der Tenor.
Doch am bisherigen Unterricht lässt sich vieles verbessern, das hat schon im Jahr 2000 eine Studie der Paderborner Universität und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung über die Qualität der Ernährungsbildung an deutschen Schulen gezeigt: In vielen Schulen fanden sich demnach Fächer wie Hauswirtschaft nur im Wahlangebot und konkurrierten mit Computerkursen oder wirtschaftlichen Themenangeboten. Die Hälfte der Bundesländer ließ in den Gymnasien hauswirtschaftliche Anteile ganz außen vor. Darüber hinaus mangelte es an Fachlehrern, und in vielen Schulbüchern fanden sich zahlreiche ungenaue, einseitige oder gar falsche Darstellungen, die populäre Ernährungsirrtümer weiter verbreiteten: Etwa, dass Zuckerkonsum Diabetes mellitus auslöse oder zu viel Trinken ungesund und belastend sei.
Acht Jahre ist die Studie alt, und obwohl die Probleme nach wie vor bestehen, erhöht sich jetzt die Sensibilität für das Problem, so die Einschätzung von Ines Heindl, Leiterin des Instituts für Ernährungs- und Verbraucherbildung an der Universität Flensburg. Die Ökotrophologin war zusammen mit anderen Wissenschaftlern an einem Modellprojekt des Bundesverbraucherministeriums beteiligt. Das Expertenteam entwickelte ein neues, bundeseinheitliches Curriculum für die Ernährungs- und Verbraucherbildung,
Dabei geht es längst nicht mehr nur um gesunde Ernährung. Der Unterricht soll auch andere Fragen der Schüler beantworten, etwa "Wie wirkt sich das, was ich verbrauche, auf die Umwelt aus?", "Wie gehe ich mit Geld um?", "Wie kann ich die Qualität von Dienstleistungen beurteilen?" oder "Welche und wie viel Arbeit steckt in einem Produkt?"
"Es wird eine Weile dauern, bis sich solche Querschnittsthemen auch in der Lehrerausbildung niederschlagen", sagt Heindl, die selbst angehende Lehrer in dem Bachelor-Studienfach "Gesundheit und Ernährung" unterrichtet. Jetzt liegt es an den Ländern, ob und wie sie das Curriculum umsetzen. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beispielsweise laufen die ersten Modellprojekte.