Stuttgart, Bielefeld, Dresden - seit Monaten tourt Priska Hinz kreuz und quer durch Deutschland. Die bildungs- und forschungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen besucht Unternehmen, diskutiert mit Politikern und Bildungsträgern. Die Botschaft, die sie überall gebetsmühlenartig wiederholt: Lernen muss uns lebenslang begleiten. "Wir leben in einer Wissensgesellschaft, in der aus Informationen immer schneller Wissen gewonnen und stetig aktualisiert werden muss", erklärt Hinz. Wichtigste Voraussetzung sei Bildung - auch nach der Schulzeit. "Die Unternehmen sollten diese als Chance begreifen", appelliert sie. Aber auch die Politik müsse endlich Rahmenbedingungen für ein leblanges Lernen schaffen.
"Zum Beispiel mit einem Erwachsenen-BAföG, das den Lebensunterhalt der Menschen in Bildungsphasen sichert", sagt Priska Hinz, die am Tisch in ihrem Berliner Büro Platz genommen hat. Kupferrote Strähnchen durchziehen ihre blonden, kurzen Haare, ebenso kupferrot wie die Bügel ihrer Brille. Die Augen dahinter halten stets Blickkontakt, wach, interessiert, aufgeräumt. "Wir wollen, dass auch Erwachsene mit Zuschüssen und Darlehen Unterstützung bekommen, um sich zu weiter zu qualifizieren."
Wer mit Priska Hinz diskutiert, merkt schnell, dass sie sich schon lange mit Bildung beschäftigt - nicht erst seit ihrem Einzug 2005 in den Bundestag. Doch Hinz ist schon von Berufs wegen Expertin: Die in Dietz an der Lahn 1959 geborene Politikerin ist ausgebildete Erzieherin. Bereits als 20-Jährige leitete Hinz eine Kindertagesstätte in Frankfurt am Main. Aber auch als Politikerin hat sie früh Verantwortung übernommen: Mitglied im Hessischen Landtag ist sie zum ersten Mal mit 23, Stadtkämmerin und Sozialdezernentin in Maintal mit 30 Jahren. Als sie Ministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit in Hessen wird, ist sie 39 Jahre alt. Zweifel, diese Aufgaben zu schultern, hatte Hinz aber nie: "Ich habe zwar gründlich überlegt, ob ich mir das zutrauen kann", sagt sie, hält inne und fügt verschmitzt lächelnd hinzu: "Man muss sich aber auch immer fragen, ob es jemand anders wirklich besser macht als man selbst."
Auslöser für ihr politisches Engagement war Anfang der 1980er- Jahre der Protest gegen die "Startbahn West": "Dass diese Erweiterung des Frankfurter Flughafens mitten durch ein Naherholungsgebiet gebaut werden sollte, hat mich maßlos gefuchst", erinnert sich Hinz. Sie schließt sich einer Bürgerinitiative an, klebt Plakate und lässt sich auch von Wasserwerfern nicht davon abhalten, an der Baustelle zu demonstrieren: "Die klassische grüne Sozialisation eben", sagt Hinz schmunzelnd. 1980 tritt sie dann der Umweltpartei bei.
An die ersten Jahre im Hessischen Landtag denkt Hinz gern zurück: Joschka Fischer war 1985 als erster Grüner als Umweltminister vereidigt worden. Für die Partei ein Aufbruch: "Ich dachte, ,hier passiert was Neues, wir Grüne habe es nun in der Hand'", erzählt Priska Hinz. Plötzlich wird sie ernst. Ihr Blick ist auf den Fernseher gefallen, der in der Ecke ihres Abgeordnetenbüros Unter den Linden 50 mit ausgestelltem Ton die Plenarsitzung im Bundestag überträgt.
Dort strömen die Abgeordneten aus dem Saal, um sich vor den Türen zu versammeln. "Hammelsprung!", ruft Hinz und läuft ins Mitarbeiterbüro nebenan, "da wird ja über unseren Antrag zur Menschenrechtspolitik abgestimmt!" Es hat Unsicherheiten bei der Abstimmung per Handzeichen gegeben. Nun werden die Stimmen gezählt, indem die Abgeordneten durch Türen den Saal wieder betreten, über denen "Ja", "Nein" und "Enthaltung" steht. Für Hinz ist klar: "Da muss ich hin! Kann mir jemand sein Fahrrad leihen?"
Als sie 20 Minuten später zurückkommt, lächelt sie. Sie hat es rechtzeitig geschafft. Der Antrag jedoch wurde abgelehnt. Priska Hinz nimmt es gelassen. So ist das eben in der Opposition, da ist ein langer Atem nötig. Das gilt gerade auch für die Weiterbildungspolitik: "Wir geben nicht auf, dass sich etwas verbessert", so Hinz. "Denn lernfähig soll ja auch die Regierung ein Leben lang bleiben."