KULTUR
Richard Stang warnt vor einseitiger Orientierung
Kulturelle Weiterbildung wird sehr stark mit der Volkshochschule verbunden. Wann haben Sie denn zuletzt einen VHS-Kurs gemacht?
Das ist jetzt die Frage. Ich habe sehr viele Kurse unterrichtet, aber teilgenommen habe ich schon länger nicht mehr an einem. Dadurch, dass ich aber viele Projekte konzipiere, werde ich auch mit viel Neuem konfrontiert. Vor zwei Jahren war ich zum Beispiel auf einem Kunstsymposium der VHS Arnstadt. Da konnte man mit Künstlern zusammenarbeiten, etwa an Skulpturen. Das ist kein klassischer Kurs, aber auch ein Angebot, bei dem man sich mit Kunst und Künstlern auseinandersetzt.
Gibt es eigentlich geschlechterspezifische Unterschiede? Gehen die Männer eher in die Wirtschaftsklasse und die Frauen in die Kochgruppe?
Die neuesten Untersuchungen zeigen, dass die Männer sich tendenziell eher berufsorientierend weiterbilden und Frauen diese Angebote zwar ebenfalls wahrnehmen, aber sich auch in andere Bereiche orientieren. Der Anteil an Frauen in der kulturellen Bildung, zum Beispiel in Volkshochschulen, ist deutlich größer als der von Männern.
Gerade junge Erwachsene bilden sich vor allem streng berufsorientiert weiter. Wie würden Sie denen die Vorzüge kultureller Bildung nahebringen?
Im Berufsleben werden oft Kompetenzen wie Kreativität, Flexibilität, Innovations- und Kommunikationsfähigkeit gefordert. Diese Fähigkeiten waren in der kulturellen Bildung schon immer hoch angesehen. Und gerade weil dieser Bildungszweig Zugänge zu diesen Kompetenzen eröffnet, die sich nicht eng an den Vorgaben des Berufes orientieren, sind sie wertvoll. Gucken Sie sich doch Fortbildungen für das gehobene Management an, da sind kulturelle Bildungsangebote selbstverständlicher Bestandteil. Es wird also anerkannt, dass dieser Bereich wichtig ist für die berufliche Weiterbildung und dass Sie hier mit beruflicher Qualifizierung an Grenzen stoßen.
Aber wenn kulturelle Erwachsenenbildung so wichtig ist, warum wird dann die Förderung zurückgefahren?
Wir denken in Deutschland sehr stark in bestimmten Strukturen von Qualifizierung. Die Rahmenbedingungen, an denen wir uns orientieren, ändern sich zwar ständig, aber trotzdem hinken wir hinterher. Die Auseinandersetzungen um Pisa zeigen deutlich, dass wir an einem veralteten System festgehalten haben und neue Orientierung suchen müssen. Daher denke ich, dass sich die Haltung zur kulturellen Bildung über kurz oder lang ändern wird. Zur Zeit ist es noch so: Wenn ein internationaler Konzern seine Manager, die mit Japan verhandeln, in Ikebana-Kurse schickt, sieht man das als hochwertiges Angebot zur Förderung der interkulturellen Kompetenz an. Wird Ikebana aber an der VHS für die normale Bevölkerung angeboten, dann heißt es, naja, das ist so ein Bastelkurs.
Der Deutsche Kulturrat befürchtete nach der Föderalismusreform einen Rückgang der Finanzierung kultureller Bildungsprojekte. Hatte er recht?
Es ist eindeutig schwieriger geworden. Der Bund kann durch die Reform in manchen Bereichen nicht mehr so aktiv werden wie vorher. Prinzipiell gibt es dieses spezifisch deutsche Problem, dass wir Initiativen nur über einen begrenzten Zeitraum fördern. Kulturelle Projekte tragen sich aber kaum von selbst. Da muss in Zukunft mehr getan werden. Wir brauchen eine etablierte kulturelle Bildungsstruktur, die vernünftig finanziert wird. Auf diese Weise werden wir auch dazu beitragen, mehr Hochqualifizierte auszubilden. Aber es geht nicht nur um den Arbeitsmarkt. Auch im Alltag brauchen wir flexible und kreative Leute. Insgesamt wird in Zukunft die Fähigkeit, sein eigenes Leben eigenverantwortlich und flexibel zu gestalten, immer wichtiger werden. Da bietet die kulturelle Bildung unheimlich viele Ansatzpunkte.
Wie müsste die richtige Finanzierungsstruktur aussehen?
Wichtig wäre, wenn man Erwachsenenbildung schon fördert, die kulturelle Bildung zu integrieren. Ein Ansatz ist ja schon vorhanden. Man müsste Bildungsguthaben erhalten und diese Guthaben auch für Kulturkurse verwenden dürfen. Zurzeit bleibt dieser Bereich oft außen vor und die Anbieter müssen ihre Preise so hoch setzen, dass sich das nicht jeder leisten kann.
Die SPD fordert ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz. Könnte kulturelle Bildung dadurch auch gefördert werden?
Wir regeln in Deutschland immer sehr viel mit Gesetzen. Was aber vor allem wichtig ist, ist das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass kulturelle Bildung einen hohen Wert hat. Sicher kann man mit Gesetzen einiges regeln. Man kann sagen, der Bereich muss gefördert werden. Dann bleibt die Frage, wer ist dafür verantwortlich? Bleibt das an kommunalen oder regionalen Trägern von Weiterbildung hängen, sind die Länder mit beteiligt oder sogar der Bund? Da ist es mit Gesetzen allein nicht getan. Es muss der Wille dazu da sein, den Bereich als gleichwertig anzusehen.
Das Interview führte Sandra Ketterer.
Richard Stang ist Professor für Medienwissenschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" schrieb er ein Gutachten zur "Kulturellen Erwachsenenbildung".