BILDUNGSFORSCHUNG
Der Bund hat auf diesem Feld eine seiner wenigen Zuständigkeiten. Hier investiert er in diesem Jahr mehr als 108 Millionen Euro
Der Fachkräftemangel ist ein Schlagwort, mit dem die Industrie regelmäßig laut klagend in die Öffentlichkeit zieht. Für bestimmte Regionen und Branchen wie etwa der Biotechnologie oder der Mikrosystemtechnik trifft das auch zu. Deren Not könnte in Zukunft ein Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) unter dem sperrigen Namen "Betriebliche Qualifikationsbedarfsdeckung im Fachkräftebereich wachsender Beschäftigungsfelder" lindern. BIBB-Wissenschaftler wollen herausfinden, welche Art von Ausbildung Beschäftigte mit mittlerem Qualifikationsniveau in diesen boomenden Branchen haben. "Der Kenntnisstand zum Fachkräftebedarf ist noch sehr gering. Wir wissen deshalb nicht, ob die Firmen eher auf Beschäftigte aus der dualen Ausbildung, der Weiterbildung oder aus den Hochschulen setzen", sagt die Projektleiterin Bettina Trappmann-Webers.
Das Projekt von Trappmann-Webers ist nur eines von insgesamt rund 25 zur Berufsbildungsforschung, die das BIBB im Rahmen der Bildungspolitik der Bundesregierung derzeit betreut. Auch an anderen Orten der Republik haben sich Wissenschaftler dank Mitteln aus dem Bundeshaushalt der Bildungsforschung verschrieben, etwa am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung oder an rund einem halben Dutzend Forschungsinstituten der Leibniz-Gemeinschaft. Selbst das Bundesforschungsministerium (BMBF) investiert pro Jahr rund 1,2 Millionen Euro in die eigene Ressortforschung, um etwa die Ausbildungspotenziale von Zeitarbeitsfirmen erforschen zu lassen. Insgesamt steckte die Bundesregierung dieses Jahr mehr als 108 Millionen Euro in die Bildungsforschung - und damit deutlich mehr als noch vor zwei Jahren (79,5 Millionen Euro).
Einen kräftigen Schub soll die Bildungsforschung bundesweit durch das Rahmenprogramm zur Empirischen Bildungsforschung erfahren, das Bundesregierung und Kultusministerkonferenz Ende vorigen Jahres präsentierten. Rund 120 Millionen Euro stellt das BMBF dafür in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung. Bund und Länder wollen damit vor allem ein nationales "Bildungspanel" aufbauen, das Bildungsverläufe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über längere Zeiträume untersuchen, Nachwuchswissenschaftler fördern und Forschungsprojekte unterstützen soll. Lob für das "Bildungspanel" gab es auch aus den Reihen der Opposition. Insgesamt jedoch geht der bildungspolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Priska Hinz, das Forschungsprogramm nicht weit genug: "Als inhaltliche Schwerpunkte fehlen der Bildungserfolg von Migranten und pädagogische Konzepte zur individuellen Förderung. Und im Bereich Weiterbildung ist die Datenlage, vor allem was die Teilnahme an Qualifizierung und die Rolle des informellen Lernens angeht, immer noch unzureichend und unübersichtlich", kritisiert Hinz. Wer sich wie Bildungsministerin Annette Schavan die "wissensbasierte Steuerung" auf die Fahnen schreibe, müsse auch dafür sorgen, dass die Bildungsstatistik stimme.
Doch kontinuierliche und bundesweite Daten zu bekommen, ist schwierig: Sowohl die Aus- als auch die Weiterbildung sind geprägt durch eine große Vielfalt an thematischen Bereichen, Trägern oder Institutionen. "Es gibt bundesweit keine umfassende amtliche Statistik. Für eine indikatorengestützte Berichterstattung über Verfügbarkeit und Teilnahme an Weiterbildungsangeboten in Deutschland besteht noch erheblicher Forschungsbedarf", konstatiert Stefan Kühne, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung am Projekt "Nationale Bildungsberichterstattung" arbeitet. Hierzulande mahnen Bildungsexperten auch wegen des für 2011 von der OECD avisierten Starts der PIAAC-Studie schon seit längerem, Erhebungen zur Weiterbildung zu entwickeln oder sie mit bereits bestehenden kompatibel zu machen. Denn davon gibt es hierzulande bereits einige: So befragt das auch über Mittel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finanzierte Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg schon seit Jahren in der repräsentativen Studie "IAB-Betriebspanel" bundesweit Unternehmen unterschiedlicher Größe und aus allen Wirtschaftszweigen zur ihrer ökonomischen Situation.
Die Unternehmen sind es auch, die letztlich von den Ergebnissen des BIBB-Forschungsprojektes von Trappmann-Webers profitieren sollen. "Das Projekt kann der Politik Hilfestellung leisten, um geeignete Maßnahmen für künftige Entwicklungen zu ergreifen. Damit können bestehende Berufsbilder modernisiert und neue Berufe entwickelt werden." Die Fachkräftenot könnte dadurch zumindest für manche Branchen ein Ende haben.