ANBIETER
Die Gewerkschaften beklagen die schlechte Bezahlung von Weiterbildnern und fordern einen Mindestlohn. So einfach ist die Lage aber nicht
Die Stimmung der deutschen Weiterbildner bewegt sich irgendwo zwischen Sorge und Optimismus - zu diesem Fazit muss kommen, wer versucht, sich ein Bild vom Gemütszustand der Weiterbildungs-Anbieter hierzulande zu machen. Grund für das diffuse Bild ist die Tatsache, dass es die Weiterbildungsbranche per se nicht gibt.
Zwischen 17.000 und 20.000 verschiedene Weiterbildungsanbieter sind auf dem Markt vertreten, mit etwa 1,35 Millionen Dozenten und Trainern - und an diesem Punkt hört es mit der Eindeutigkeit auch schon auf. Da "Weiterbildner" kein geschützter Beruf ist und im Grunde jeder ohne Schwierigkeiten beschließen kann, sein Geld künftig mit der Schulung anderer Menschen zu verdienen, ist der Markt der Anbieter extrem unübersichtlich. Im "Integrierten Gesamtbericht zur Weiterbildungssituation in Deutschland", den das Familienministerium zuletzt 2006 vorlegte, heißt es deshalb auch, die Datenlage zum Weiterbildungssektor sei "problembehaftet". Die verschiedenen "Puzzleteile" der bundesweiten Weiterbildungsstatistik ließen sich "kaum zu einem aussagefähigen Gesamtbild des Weiterbildungsgeschehens zusammenfügen".
Für die Gewerkschaften ergibt sich denn noch ein klares Bild des Weiterbildungssektors - und das ist eher düster. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Gewerkschaft Wissenschaft und Erziehung (GEW) arbeitet die große Masse, etwa 74 Prozent, der Dozenten in der Weiterbildung als Selbstständige oder Honorarkräfte, nur 14 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in der Weiterbildung seien sozialversicherungspflichtig. Dabei seien die hauptberuflichen Honorarkräfte das "Prekariat unter den Weiterbildnern" - die meisten der Honorarkräfte verdienten monatlich weniger als 1.500 Euro brutto, so der GEW-Referent Arnfried Gläser. "Wer etwa in den geförderten Integrationskursen unterrichtet, bekommt pro Teilnehmer einen Stundenlohn von 2,35 Euro - und damit muss dann auch die Unterrichtsvorbereitung abgedeckt werden." In der Regel lägen die Honorarsätze zwischen 10 und 20 Euro pro Unterrichtseinheit. Viel ist das nicht - in einer Studie des Familienministeriums über die soziale Lage der Beschäftigten von Lehrenden in Weiterbildungseinrichtungen aus dem Jahr 2005 heißt es, etwa drei Viertel der freiberuflichen Honorarkräfte befänden sich in eine "prekären Lage".
Als Grund für das schlechte Ein- und Auskommen der freiberuflichen Dozenten gilt dabei vor allem der Sparkurs der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Zusammenhang mit der Hartz-Gesetzgebung, der vielen Weiterbildungsinstituten in den vergangenen drei Jahren schwer zu schaffen gemacht hat. Nach Angaben der BA waren deren Ausgaben für die berufliche Weiterbildung von etwas mehr als 2 Milliarden Euro im Jahr 2003 auf 904 Millionen im Jahr 2006 gesunken - für die Weiterbildungsanbieter, die ihre Leistungen hauptsächlich im Bereich der staatlich geförderten Maßnahmen anbieten, ein schwerer Schlag.
Auch wenn dieses Tief mittlerweile als überwunden gilt und die Ausgaben der BA wieder leicht steigen, kämpfen Verdi und GEW um einen Mindestlohn in der Weiterbildungsbranche - und stoßen dabei auf erbitterten Widerstand aus den vermeintlich eigenen Reihen. Denn auf dem Weiterbildungsmarkt tummeln sich auch viele Anbieter, die ihre Umsätze hauptsächlich aus Aufträgen der Privatwirtschaft beziehen. Und die sehen die Lage der Weiterbildner weit positiver: "Unsere Trendumfrage 2008 hat ergeben, dass unsere Mitglieder deutliche Umsatzsteigerungen erwarten", erklärt Carsten Löwe, Geschäftsführer des Wuppertaler Kreises. Diesem Dachverband der Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft gehören mehr als 50 Mitglieder an, die einen Jahresumsatz von etwa 1,1 Milliarden Euro erzielen. Deren 10.000 festen Mitarbeitern und rund 34.000 freien Dozenten und Trainern gehe es, so Löwe, "recht gut". Das bestätigt auch Bernhard Laukamp, Initiator des Netzwerks Trainertreffen, dem etwa 500 Berater und Coaches angehören. "Wer gut im Sattel sitzt, kann ein sehr gutes Auskommen haben - ein nicht unerheblicher Anteil unserer Trainer verdient mehr als 1.500 Euro pro Tag und das bei etwa 120 bis 150 Trainingstagen pro Jahr." Die Forderung der Gewerkschaften, einen Mindestlohn im Weiterbildungssektor einzuführen, sei daher "unsinnig". Ohnehin, so Löwe, halte man eine Standardisierung des Berufsstandes mit einheitlichen Zugangsvoraussetzungen und Qualifikationen "nicht für wünschenswert". Der Geschäftsführer des Wuppertaler Kreises sagt: "Das ist je nach Spezialisierung der Dozenten so unterschiedlich, dass es formal nicht definiert werden kann. Außerdem ist in unserem Beruf eine einmalige Qualifizierung gar nicht möglich - wer im Bereich des lebenslangen Lernens tätig ist, muss sich selbst auch immer weiterbilden."
Doch während auch die Gewerkschaften selbst eher pessimistisch sind, was den Mindestlohn in der Weiterbildungsbranche betrifft, ist die Entwicklung hin zu einheitlicheren Qualifikationsanforderungen wohl nicht mehr aufzuhalten: Im Juli einigten sich Gewerkschaften, Arbeitgeber und Ländervertreter auf einen Vorschlag für einen deutschen Qualifikationsrahmen, der Transparenz über unterschiedliche Qualifikationen, Abschlüsse und Kompetenzen schaffen soll und dessen Schaffung von der Regierungskoalition unterstützt wird. Ob damit die Weiterbildungslandschaft in der Bundesrepublik Deutschland allerdings übersichtlicher wird, bleibt abzuwarten.
Die Autorin ist freie Journalistin in Dresden.