UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS
Steinmeier und Fischer weisen Beteiligung des BND im Irak-Krieg zurück. Union auf Distanz
Die Atmosphäre ist aufgeladen. Er werde "langsam etwas ärgerlich", kontert Frank-Walter Steinmeier im Untersuchungsausschuss insistierendes Nachbohren der Opposition und, was bemerkenswert ist, des Koalitionspartners Union. Bei einem Wortgefecht mit Hans-Christian Ströbele (Grüne) schlägt der Außenminister, während des Irak-Kriegs 2003 Chef des Kanzleramts, zornig mit der Hand auf den Tisch. Unions-Obfrau Kristina Köhler wiederum fragt den Vorsitzenden Siegfried Kauder (CDU) wütend, ob sie es hinnehmen müsse, dass des Zeugen "lange Antwort nichts mehr mit meiner Frage zu tun hat". Steinmeier seinerseits fährt Norman Paech von der Linkspartei genervt in die Parade: Er könne "den Jagdeifer der Opposition" verstehen, doch der Irak-Krieg sei "keine Sache für eine nachträgliche Kontrolle wie durch einen Rechnungshof".
Das gereizte Klima verwundert nicht: Der Ausschuss will von Steinmeier erfahren, ob jener Teil der von zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad gesammelten Informationen, der von Pullach ans US-Hauptquartier in Katar weitergeleitet wurde, für dessen militärische Strategie bedeutsam war. Und, falls ja, ob durch diese Kooperation im Hintergrund die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Regierung erschüttert ist, die eine Beteiligung an diesem Waffengang öffentlich abgelehnt hat. Brisant ist natürlich, dass Steinmeier SPD-Kanzlerkandidat ist.
Die Spannung wird noch erhöht, weil mehrere während des Irak-Feldzugs in führenden Stellungen tätige US-Generäle plötzlich via "Spiegel" verkünden, die vom BND nach Katar übermittelten Erkenntnisse seien für die US-Kriegführung von "unschätzbarem Wert", ja "unbezahlbar" gewesen. Damit widersprechen die US-Militärs den bisher im Ausschuss befragten Vertretern des BND bis hinauf zu Ernst Uhrlau als heutigem und Innenstaatssekretär August Hanning als früherem Präsidenten, die allesamt die Weitergabe "kriegsrelevanter" Nachrichten an die USA bestritten haben.
Steinmeier wie auch Ex-Außenminister Joschka Fischer agieren nach der Devise, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Der SPD-Politiker weist alle Vorwürfe mit Schärfe als "aberwitzig", "abenteuerlich", "absurd", als "Räuberpistolen" zurück. Anders als der gereizt wirkende Steinmeier zelebriert der Grünen-Politiker eine fast launige Joschka-Show.
Der heutige Minister betont, die BND-Agenten hätten in Bagdad in erster Linie Informationen für die Lagebilder der Regierung beschaffen sollen. Ansonsten habe Pullach der Weisung unterlegen, dass die nach Katar geschickten Meldungen für "operative Kampfhandlungen" ungeeignet sein müssten. Diese "rote Linie" sei nicht überschritten worden. Indes sagt Steinmeier auch, dass die BND-Erkenntnisse in allgemeine militärische Lagebilder der USA eingeflossen seien. Allerdings bezeichnet der SPD-Politiker die Vorstellung als "irrwitzig", dass zwei deutsche Agenten die Kriegsführung einer 150.000-Mann-Streitmacht hätten beeinflussen können, die "mit allen technischen Aufklärungsmitteln" ausgerüstet und für die zudem im Irak eine Vielzahl von Informanten tätig gewesen sei.
Die neuen Äußerungen der US-Generäle verurteilt Steinmeier als "vergiftetes Lob ehemaliger Pentagon-Propagandisten", die "alte Rechnungen begleichen" wollten. Fischer gibt Steinmeier Rückendeckung: Der Grüne geißelt die Thesen der US-Militärs als "tote publizistische Flugenten", die inhaltliche Substanz der Vorwürfe sei "sehr gering".
Das Lob aus den USA für die BND-Informationen charakterisiert der Ex-Minister als "Küsse voller Gift". Die Kritik, man habe beim Irak-Krieg "anders gehandelt als gesprochen", ist für Fischer "völliger Quatsch". Im Vergleich zu den trotz des deutschen Neins zum Waffengang der US-Luftwaffe gewährten Überflugrechten in Deutschland sei die BND-Aktion eine "Nebensächlichkeit" gewesen, die jetzt "aufgebauscht" werde. Fischer und Steinmeier rechtfertigen die Überflugrechte wie die Fortführung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit den USA mit dem Hinweis, die Bündnispflichten seien nicht in Frage gestellt worden.
SPD-Obmann Michael Hartmann spricht in einer Bilanz von einem "guten Tag" für die rot-grüne Regierung, "viele Vorwürfe würden nicht erhoben, wenn Steinmeier nicht Kanzlerkandidat wäre". Der Liberale Max Stadler sieht sich jedoch in seiner Auffassung bestätigt, dass BND-Meldungen eben doch in militärische Lagebilder der US-Armee einflossen und insofern eine deutsche Mitwirkung am Krieg gegeben sei.
Zudem wollen Opposition und Union von Steinmeier während der Sitzung wissen, ob denn präzise Datenangaben etwa über ein Offizierscasino in Bagdad oder über Stellungen irakischer Elitetruppen nicht für operative Kampfhandlungen hätten genutzt werden können. Der Außenminister lässt sich auf eine solche Debatte nicht ein: Das zu beurteilen, sei Sache des BND gewesen.
Die CDU-Abgeordnete Köhler legt solche nach Katar gelangten Meldungen Steinmeier sogar schriftlich vor und kommentiert erbost: "Sie schauen sich das ja nicht einmal an!" Linkspolitiker Paech wirft dem Zeugen vor, gegenüber Pullach nicht kontrolliert zu haben, dass die vorgegebenen Grenzen bei der Nachrichtenübermittlung auch beachtet wurden. Steinmeier kontert, das sei Sache der BND-Verantwortlichen gewesen.
Für Köhler ist die Aussage von Ex-Kanzler Gerhard Schröder nicht mehr haltbar, Deutschland werde sich auch nicht "indirekt" am Irak-Krieg beteiligen. Grünen-Sprecher Ströbele hofft bereits, dass sich Union und SPD nicht auf einen Abschlussbericht einigen können - der erst erscheinen wird, wenn die Bundestagswahl nicht mehr fern ist.