Die vorliegenden Gesetzentwürfe und Anträge wollen eine bessere Beratung von Frauen erreichen, die vor der Frage einer Spätabtreibung stehen. Ist die derzeitige Beratung durch die Ärzte wirklich so schlecht?
Unserer Erfahrung nach nicht. Pro familia unterstützt umfassende qualifizierte Beratung, sowohl vor als auch nach einer Pränataldiagnostik. Diese Beratung, die auch über die Risiken der Diagnostik aufklärt, ist im Gendiagnostik-Gesetz eingeplant. Eine gesetzliche Beratungspflicht lehnen wir ab.
Warum? Schließlich sind Frauen, die innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate abtreiben wollen, auch zu einer Beratung verpflichtet.
Pro familia hat die gesetzlich vorgeschriebene Beratung der Schwangeren, ohne die kein straffreier Abbruch möglich ist, übernommen, obwohl sie dieser kritisch gegenübersteht. Eine Beratung muss grundsätzlich freiwillig und unabhängig gegenüber Dritten sein. Ratsuchenden darf keine moralische Wertorientierung aufgedrängt werden. Unserer Erfahrung nach macht es sich keine Frau leicht mit der Entscheidung, abzutreiben. Sie braucht Verständnis, Zuwendung und Unterstützung. Die dreitägige verpflichtende Wartezeit, die in Zukunft zwischen Beratung und Abtreibung liegen soll, ist überflüssig.
Führt die Möglichkeit einer Spätabtreibung ohne vorherige Beratung dazu, dass behinderte Kinder gar nicht erst geboren werden?
Dem Gesetz zufolge ist die Abtreibung aufgrund einer Behinderung des Kindes nicht möglich. Alle vorgeschlagenen Änderungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes werden keinen Schwangerschaftsabbruch nach medizinischer Indikation verhindern.
Werden Mütter und Väter ausreichend über ein Leben mit einem behinderten Kind aufgeklärt?
Da ist sicher noch einiges an Aufklärung zu leisten. Eltern mit behinderten Kindern brauchen erheblich bessere staatliche Förderung und verlässliche gesellschaftliche Unterstützung. Das Wichtigste ist dabei, dass ein Mensch, egal, wie er aussieht, sich artikuliert oder sich bewegt, gesellschaftliche Teilhabe, Achtung und Würde erfährt. Dafür tritt pro familia mit vielen Projekten ein.
Was müsste geschehen, damit sich mehr Familien für ein Leben mit einem behinderten Kind entscheiden?
Je nach Grad der Behinderung brauchen manche Menschen und ihre Angehörigen mehr Hilfe als andere. Außerdem muss die gesellschaftliche Akzeptanz größer werden. Da sind andere Länder weiter. Eine Mutter sollte nicht Angst davor haben müssen, von ihrer Nachbarin dafür verachtet zu werden, dass sie ein behindertes Kind austrägt, das dem Staat möglicherweise Kosten verursacht.
Die Fragen stellte
Sandra Ketterer.