Bundeswehr
Bundestag erteilt »robustes Mandat« für EU-Mission Atalanta - mit klaren Einschränkungen
Die Bundesmarine hat einen neuen Marschbefehl: Sie wird sich mit bis zu 1.400 Soldaten an der Bekämpfung von Piraten vor der Küste Somalias im Rahmen der EU-Mission "Atalanta" beteiligen. Der Bundestag nahm den entsprechenden Antrag der Bundesregierung ( 16/11337) am 19. Dezember gemäß der Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ( 16/11416) mit 491 gegen 55 Stimmen bei zwölf Enthaltungen an. Mit Ausnahme der Linken votierten alle Fraktionen mehrheitlich für den zunächst auf zwölf Monate begrenzten Bundeswehreinsatz, dessen Kosten die Regierung mit 45 Millionen Euro beziffert.
"Es ist ein robustes Mandat", wie Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bereits in der ersten Lesung am 17. Dezember betonte, das der Bundestag den deutschen Seestreitkräften ausgestellt hat. Der Einsatz von Waffengewalt ist ausdrücklich erlaubt, um Schiffe vor Überfällen zu schützen und Piraten gegebenenfalls aufzubringen, um sie an die Strafverfolgungsbehörden in den Ländern der Europäischen Union oder strafverfolgungswilliger Staaten in der Region zu überstellen. "Das geht vom Schuss vor den Bug bis hin zum Versenken von Piratenschiffen", erläuterte Jung. Waffengewalt würde aber in jedem Fall nur nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewendet. Eingesetzt werden können deutsche Soldaten auch als Begleitschutz auf Schiffen des Welternährungsprogramms (WFP), die Hilfsgüter in das vom Bürgerkrieg zerrüttete Somalia transportieren. Dem Schutz dieser Schiffe soll die Bundesmarine nach dem Willen der Regierung prinzipiell Priorität einräumen.
Gemäß der UN-Resolution 1816, die der Sicherheitsrat am 2. Juni verabschiedet hatte, darf die Marine auch in den Hoheitsgewässern Somalias operieren. Deutschland wird aber nicht von dem Recht Gebrauch machen, Piraten auch auf dem somalischen Festland zu bekämpfen. Dies stellte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der ersten Lesung des Regierungsantrages klar. Der UN-Sicherheitsrat hatte dies in seiner Resolution 1851 auf Inititative der USA am 16. Dezember ausdrücklich zugelassen.
Trotz ihrer Zustimmung wurde auch Kritik aus den Reihen der FDP und der Grünen laut. Die Liberalen hegen Zweifel, wie entschlossen die Regierung gegen die Piraterie am Horn von Afrika vorgehen will. "Nachdem dieses Mandat beschlossen worden ist, möchte ich nicht mehr lesen müssen, die Piraten hätten abgedreht, seien aber nicht verfolgt worden", mahnte Birgit Homburger (FDP). "Es geht nicht nur darum, Piraten zu verjagen, sondern es geht auch darum, Piraten zu jagen." Die Verteidigungsexpertin bezog sich damit auf die Ausführungen des SPD-Abgeordneten Rolf Mützenich, dass "Aufklärung, Schutz und Abschreckung" die richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Piraterie seien. Auch Jung und andere Vertreter der Regierungskoalition hatten sich in diesem Sinn geäußert.
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte die Ankündigung Jungs, Piraten nur dann vor ein deutsches Gericht zu stellen, wenn deutsche Interessen betroffen seien. Piraten müssten aber in jedem Fall ein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Wenn dies nur in Deutschland möglich sei, dann müsse dies auch in Deutschland geschehen. Koalition und FDP hatten sich dafür ausgesprochen, Piraten vor einem internationalen Strafgerichtshof anzuklagen.
Zwar sprach sich auch die Linksfraktion in der Debatte prinzipiell für eine Bekämpfung der Piraterie - notfalls auch mit Gewalt - aus. Dies müsse jedoch, forderte Paul Schäfer, im Rahmen einer internationalen Küstenwache unter dem Dach der Vereinten Nationen geschehen. Dieser Vorschlag wurde einhellig von allen anderen Fraktionen als nicht praktikabel verworfen. Er diene der Linken lediglich als Vorwand für ihr erneutes Nein zu einem Auslandseinsatz.
Alle drei Oppositionsfraktionen riefen die Regierung und die Europäische Union auf, sich verstärkt für eine Stabilisierung des zerrütteten Somalias einzusetzen und gegen die Ausplünderung der Fischbestände sowie das Verklappen von Abfällen vor der somalischen Küste vorzugehen. Dies seien die Hauptursachen für die Piraterie, weil den Menschen die Lebensgrundlage entzogen werde.
Die Bundeswehr wird für die EU-Mission, an der sich mindestens acht Staaten beteiligen werden, zunächst die Fregatte "Karlsruhe" mit ihren beiden bewaffneten Bordhubschraubern bereitstellen, die bereits im Hafen des benachbarten Dschibuti liegt. Gemäß des Mandates kann allerdings auch die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern", die im Rahmen des Anti-Terror-Einsatzes "Operation Enduring Freedom" in den Gewässern vor Somalia operiert, der EU-Mission unterstellt werden, um gegen Piraten vorzugehen.