Frau Löhrmann, die Grünen-Basis hat auf dem Parteitag zum Afghanistan-Einsatz den Vorstand überstimmt. Hat Sie das gefreut?
Erstmal ist es wichtig, dass wir Grünen diese Debatte überhaupt führen. Alle anderen Parteien drücken sich davor. Darauf bin ich stolz. Der Beschluss entspricht letztendlich der Linie des Landesverbandes NRW. Insofern war ich natürlich schon zufrieden. Freude ist aber nicht die passende Kategorie. Schließlich geht es um ein sehr ernstes Thema, und da bleiben auch immer Zweifel.
Lebt die Basis auf?
Die grüne Basis war immer da. Aber es stimmt: Die Führung hat die Stimmung an der Basis nicht genau genug wahrgenommen. Möglicherweise wurde die Kritik am Einsatz der Tornados unterschätzt. Sie ist so stark, dass das grundsätzliche Ja zum ISAF-Mandat als schwierig empfunden wird. Auch unsere Basis will Verantwortung für Afghanistan übernehmen, befürchtet aber eine Eskalation des Einsatzes. Das war das vorherrschende Gefühl, eine zu starke Betonung des Militärischen.
Konnte sich die Basis durchsetzen, weil Joschka Fischer nicht da war?
Nein. Das Problem war einfach, dass für den Antrag des Bundesvorstandes mit denselben Worten geworben wurde wie für den Basisantrag von Robert Zion. Und da haben die Delegierten gedacht: Wählen wir doch lieber direkt das Original. Aber in den zentralen Fragen gibt es nach wie vor eine Übereinstimmung von Basis und Parteispitze: Beide lehnen die "Operation Enduring Freedom" ab, befürworten aber den ISAF-Einsatz. Beide fordern einen Strategiewechsel. Dem wird man nicht mit einem Ja im Bundestag bei der uns von der Bundesregierung aufgezwungenen gekoppelten Abstimmung gerecht..
Werden die Anträge der Führungsspitze in Zukunft wieder basisnäher sein?
Ich glaube, die Spitze und auch die Fraktion haben das Signal der Basis verstanden. Es gibt zwar kein imperatives Mandat für die Abstimmung im Bundestag über den Afghanistaneinsatz, aber einen eindeutigen Beschluss, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Das muss ernst genommen und in der parlamentarischen Arbeit berücksichtigt werden. Dieser Beschluss war kein Betriebsunfall. Ein "Weiter so" wäre nicht richtig.
Bald findet Ihr nächster Parteitag statt, diesmal zum Thema "Agenda 2010". Robert Zion bereitet einen Antrag für ein bedingungsloses Grundeinkommen vor. Erwartet uns eine neue Abkehr von der Regierungspolitik?
Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung ein Präjudiz für weitere Entscheidungen ist. Aber es kommt darauf an, dass die Basis ernst genommen wird. Wir sind immer dazu aufgerufen, Entwicklungen aus der Regierungszeit neu zu beurteilen und nachzusteuern, und das tun wir auch: Wir sind lernfähig.
Die Fragen stellte
Annika Joeres