Stellungnahme zur geplanten Diätenerhöhung / Abstimmung

Mai 2008

Mit Drucksache 16/6924 hat das Parlament am 16.11.2007 folgendes beschlossen:

„… soll die Abgeordnetenentschädigung in zwei Schritten an die Vergütung der Bürgermeister kleiner Städte … und der einfachen Bundesrichter angepasst werden, die bereits heute als Orientierungsgröße im Gesetz verankert ist. ….  Die Anhebung vom 1. Januar 2008 um 330 Euro entspricht …. Mit der Anhebung um weitere 329 Euro zum 1. Januar 2009, …, wird nicht nur die Orientierungsgröße erreicht, sondern auch die voraussichtliche Steigerung der durchschnittlichen Erwerbseinkommen bis zur nächsten Anpassung der Abgeordnetenentschädigung frühestens im Jahre 2010 berücksichtigt.“

Diesem Beschluss habe ich im November 2007 voller Überzeugung zugestimmt:

Abgeordnete haben einen äußerst verantwortungsvollen Aufgabenbereich, sie brauchen eine gute Grundbildung, bilden sich ständig weiter fort, haben eine anspruchsvolle Arbeitszeit und kommen vielfach aus Berufen, in denen sie heute unter Umständen deutlich mehr verdienen würden als im Parlament. Es ist m. E. also absolut gerechtfertigt, dass Abgeordnete ebenso viel verdienen wie Bürgermeister oder Bundesrichter.

Dieser o. g. Beschluss, der nach 6 Jahren ohne jeglichen Einkommenszuwachs in zwei Jahresschritten die Orientierungsgröße „Bürgermeister / Bundesrichter“ im Jahre 2009 erreichen wird, hat zugleich festgeschrieben, dass es „frühestens im Jahre 2010“ wieder eine Anpassung der Abgeordnetenentschädigung geben soll.

Ich kann die aktuell geplante Diätenerhöhung (Drucksache 16/9059) nicht mittragen, weil sie

  1. mit der  „Weitergabe“ der letzten Tariferhöhung an die Abgeordneten dem erst im November 2007 gefassten Beschluss zur Änderung des Abgeordnetengesetzes widerspricht – auch wenn die Weitergabe mit einem Jahr Zeitversetzung wiederum in 2 Schritten erfolgen soll.

  2. Aktuell kann die Tariferhöhung an viele Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht weitergegeben werden, weil sie nicht zu verkraften ist: In meinem Wahlkreis z. B. sind gerade die Krankenhäuser aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten, weil sie keinen anderen Weg mehr sehen – gerade die Pflegekräfte z. B. sind m. E. für ihre anspruchsvolle und aufreibende Arbeit viel zu niedrig bezahlt. Solange es nicht gelingt, Tariferhöhungen in solchen Berufen wirklich weiter zu geben, solange es nicht gelingt, wenigstens Mindestlöhne beim Koalitionspartner durchzusetzen, halte ich eine Einigung der Koalitionsspitzen auf den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht für mich zwingend zustimmungsfähig.

  3. Das Verfahren, mit dem die Erhöhung der Diäten beschlossen werden soll, entspricht einer klassischen Doppelbindungssituation: Die Diätenerhöhung ist als  ein Artikel  eingebunden in ein Artikelgesetz, mit dem zugleich die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst gesetzlich bestätigt wird. Wer also der allgemeinen Tariferhöhung (die gerade für Niedrigverdiener ganz wichtig ist) zustimmen will, muss automatisch auch der Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung zustimmen. Wer die Diätenerhöhung ablehnen will, muss automatisch auch die Tariferhöhung für den öffentlichen Dienst ablehnen.
    Aus diesem Dilemma sehe ich für mich drei mögliche Auswege:
    - Weil Doppelbindungen in der Politik als Verfahren moralisch verwerflich sind, stimme ich gegen das Artikelgesetz, - hoffend dass eine Mehrheit für die Tariferhöhung stimmt – allerdings ohne den Anspruch, dann selbst „eine weiße Weste“ zu haben.
    - Die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung wird ausgegliedert, so dass ich der allgemeinen Tariferhöhung zustimmen kann, die Diätenerhöhung zu diesem Zeitpunkt aber ablehnen kann.
    - Der Zeitpunkt der Diätenerhöhung wird auf 2010 verschoben – das wäre dann in Übereinstimmung mit dem Beschluss vom November 2007 und ich könnte auch dem Artikelgesetz insgesamt dann ohne Probleme zustimmen.

zur Übersicht Stellungnahmen

 

zurück zur Übersicht