Serie: Abgeordnete und ihre Berufsfelder
Damenschneiderin und Förster, Dolmetscherin und Winzer -
die Abgeordneten im Bundestag kommen aus ganz verschiedenen
Berufen. Die am häufigsten vertretene Berufsgruppe bilden mit
23 Prozent die Juristen. Der Rest der insgesamt 613 Abgeordneten
hat in 121 anderen Berufen Erfahrungen gesammelt. Eine kleine
Vorstellungsrunde...
Jeder kann Cornelia Hirsch anrufen. Die Nummer auf ihrer Homepage gewählt, und "Nele" Hirsch ist am Apparat, ohne Vorzimmerdame oder Sekretariats-Warteschleife. Die 27-jährige Bundestagsabgeordnete will für die Menschen erreichbar bleiben. Und sie will Politik dort machen, wo das wirkliche Leben passiert - auf der Straße, unter den Menschen. Doch dass sie dies als viertjüngste Abgeordnete vom Bundestag aus tun würde, hätte sie noch vor drei Jahren ganz sicher nicht gedacht.
Die studierte Asienwissenschaftlerin, geboren am 16. Januar 1980 in Stuttgart, entdeckte in der Schule ihre Vorliebe für Sprachen. "Beim Schüleraustausch nach Russland habe ich gemerkt, wie viel besser man eine Fremdsprache im Land lernen kann." Diese Erkenntnis wird zu einem wichtigen Puzzle-Teil im Leben von Nele Hirsch. Sie studiert an der Friedrich-Schiller Universität in Jena die Fächer Politikwissenschaft, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und Islamwissenschaft. Sie legt das Große Arabicum ab. Nach der Magisterzwischenprüfung wechselt sie im Herbst 2001 an die Kansai Gaidai Universität in Osaka, Japan. Danach verbringt sie einige Wochen in Peking.
Weil Cornelia Hirsch Gegensätze liebt, verschlägt es sie anschließend nach Syrien. Dort verbringt sie einige Wochen in Damaskus und studiert Arabisch an einer Sprachschule. Die Offenheit der Menschen und der Zusammenhalt in den Familien machen großen Eindruck auf sie. "Die Syrer leben viel mehr auf den Straßen", sagt die 27-Jährige.
Inspiriert von diesen ganz verschiedenen Lebensstilen und fremden Kulturen kehrt sie nach Deutschland zurück, wird politisch aktiv. Von 2003 bis 2005 sitzt sie im Vorstand des bundesweiten Studierendendachverbandes "freier zusammenschluss von studenInnenschaften" (fzs). Im Mai 2005 tritt Cornelia Hirsch der PDS bei. In der sich bildenden Linkspartei sieht sie ein Projekt mit Perspektive, das sie mitgestalten möchte. Gleichzeitig ist sie Mitglied im Jugendverband ['solid] - die sozialistische Jugend. Und dann geht alles Schlag auf Schlag. Bald gilt sie als eines der prominentesten aktiven Mitglieder des Jugendverbandes. Zur Bundestagswahl im September 2005 wird sie als Abgeordnete der Linksfraktion in das Parlament gewählt. Sie wird bildungspolitische Sprecherin der Fraktion und befasst sich mit den Themen Bildungspolitik, Forschung und Technologie. Studiengebühren werden zu einem ihrer Schwerpunktthemen. "Im Bundestag konnte ich endlich die Bundesregierung in der Fragestunde mit all den Fragen konfrontieren, die sich im Laufe der Zeit angestaut hatten", so Cornelia Hirsch. Ganz nach ihren Erfahrungen in Damaskus wird sie dort aktiv, wo die Menschen sind. Sie mischt sich unter Demonstrationen, meldet diese zum Teil selbst an und vermittelt bei Blockaden zwischen den Studenten und der Polizei.
Im Moment lägen ihre Fremdsprachenkenntnisse brach, bedauert Cornelia Hirsch. Aber eines Tages wird sie möglicherweise internationale Politik machen und wieder Russisch und Arabisch sprechen können.