Öffentliche Petitionen geben jedem Bürger eine Stimme
Als Seismograph, der die Stimmung der Bevölkerung aufzeichnet, wird der Petitionsausschuss gerne beschrieben. Denn wo auch immer Gesetze, Verordnungen und Handlungen des Staates zu Problemen, Verwerfungen oder Erschütterungen führen, erfahren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages davon durch Petitionen aus erster Hand - auch wenn es sich zunächst nur um vermeintlich kleine "Beschwernisse" Einzelner handelt.
Der Parlamentarische Rat machte 1949 das Petitionsrecht im Grundgesetz zu einem unantastbaren Grundrecht. Artikel 17 des Grundgesetzes lautet seitdem: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden." Dieses Recht gilt für jede Person - für Erwachsene und Kinder ebenso wie für Inhaftierte, Soldaten, Geschäftsunfähige oder Menschen anderer Herkunft.
Die Abgeordneten des Petitionsausschusses sind verpflichtet, sich mit jeder einzelnen Beschwerde oder Anfrage auseinanderzusetzen. Nahezu 20.000 Petitionen erreichen Jahr für Jahr den Bundestag; die Zahl der Petenten und Unterstützer von Petitionen übersteigt inzwischen die Millionengrenze.
Seit über zwei Jahren gibt es die Möglichkeit, eine Öffentliche Petition einzureichen. Sie wird im Internet veröffentlicht, diskutiert und kann online unterstützt werden. Ein entsprechendes Formular ist auf der Internetseite des Petitionsausschusses abrufbar.
Der Petitionstext wird zunächst für sechs Wochen online gestellt. Alle Bürger können dann in einem Diskussionsforum das Für und Wider einer Eingabe diskutieren. Außerdem kann sie in diesem Zeitraum von beliebig vielen anderen Menschen durch Angabe ihres Namens "unterschrieben" werden. Je mehr Unterschriften eine Öffentliche Petition erhält, desto größeres Gewicht wird ihr dadurch im folgenden Verfahren verschafft.
Wenn die Eingabe bei den Mitzeichnern auf herausragende Resonanz gestoßen ist, kann der Ausschuss die Petition in einer öffentlichen Sitzung behandeln. Zu dieser sind der Petent sowie einschlägige Fachleute und die zuständigen Vertreter der Regierung eingeladen.
Erste Beispiele dieser neuen Form von öffentlichen Anhörungen betrafen den Nichtraucherschutz und die Forderung, Praktika von Hochschulabsolventen in ein reguläres Arbeitsverhältnis umzuwandeln, wenn sie länger als drei Monate dauern und in dem Berufsbild abgeleistet werden, für das der Hochschulabsolvent ausgebildet wurde.
Durch die Kopplung von Öffentlicher Petition und öffentlicher Anhörung kommt dem Petitionsausschuss eine völlig neue Bedeutung für die Willensbildung von Volk und Volksvertretung zu. Es wird deutlich, dass Petitionen in der Politik etwas bewegen können und nicht nur einen "Kummerkasten der Nation" darstellen.