Öffentliche Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses
Als "willkürliche Freiheitsberaubung" und damit als
Verstoß gegen rechtsstaatliche Standards hat
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) die
Renditions-Praxis der USA kritisiert. Renditions wird die
Entführung Terrorverdächtiger und deren Transport in
getarnten Flügen zu Geheimgefängnissen genannt, gemeinhin
wird von CIA-Flügen
gesprochen.
Zum Auftakt ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
erklärte die SPD-Politikerin am Donnerstag, dem 26. Juni 2008,
auch beim Kampf gegen den Terrorismus dürften die Prinzipien
von Demokratie und Rechtsstaat nicht aufgegeben werden. Diesen
Grundsatz habe sie bereits 2003 in Washington mehrfach öffentlich und bei
Gesprächen mit der Regierung betont. Bei der Frage, mit
welchen Methoden man auf terroristische Bedrohungen reagieren
solle, herrsche zwischen Deutschland und den USA nicht immer
Übereinstimmung, so die Zeugin.
Zypries sagte, bis Mai 2006 hätten neben Medienberichten keine sicheren Kenntnisse über die Nutzung deutschen Luftraums für Renditions vorgelegen. Ein konkreter Verdacht habe lediglich seit 2005 zu Abu Omar vorgelegen; dieser Ägypter war 2003 in Mailand von CIA-Agenten gekidnappt und über die pfälzische US-Basis Ramstein nach Kairo gebracht worden.
Der Ausschuss befasst sich mit der Frage, ab wann deutsche
Behörden und die hiesige Regierung von den CIA-Flügen
wussten und welche Konsequenzen aus diesen Vorfällen gezogen
werden. Zur Stunde befragen die Abgeordneten im
Untersuchungsausschuss CDU-Innenminister Wolfgang
Schäuble.
Vor Zypries riefen Verfassungsschutz-Präsident
Heinz Fromm sowie der ehemalige BND-Präsident und heutige
Innen-Staatssekretär August Hanning dazu auf,
der Zusicherung von US-Außenministerin
Condoleeza Rice zu
vertrauen, Washington wolle
beim Antiterror-Kampf die deutsche Souveränität achten.
Mit diesen Worten reagierten die beiden Zeugen auf kritische Fragen
mehrerer Abgeordneter, ob man künftig nicht durch Kontrollen
sicherstellen solle, dass es nicht mehr zu Renditions unter
Inanspruchnahme deutschen Territoriums und Luftraums
komme.
Fromm und Hanning betonten, der
Verfassungsschutz und der BND würden gegen Partnerdienste der
USA nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln vorgehen. Diese "rote
Linie" dürfe nicht überschritten werden, warnte
Hanning. Sollte sich ein US-Dienst hierzulande
nicht an deutsche Regeln halten, so Fromm, dann
suche man das Gespräch, um Verstöße
abzustellen.
Die beiden Zeugen erklärten, sie hätten erst Anfang
2005 über Presseartikel von den Renditions der USA im Sinne
eines systematisch organisierten Transports von
Terrorverdächtigen außerhalb geregelter
Auslieferungsverfahren Kenntnis erhalten. Mehrere Abgeordnete
hielten Fromm und Hanning indes vor, bereits 2002
hätten Medien entsprechende Berichte veröffentlicht.
Zudem habe das europäische US-Hauptquartier Eucom in Stuttgart
frühzeitig auf das breit angelegte Programm dieser Flüge
hingewiesen. Dazu merkten die Zeugen an, es hätten damals
keine konkreten Anhaltspunkte existiert, dass deutsche Belange
durch US-Maßnahmen verletzt werden könnten.
Fromm sagte zu dem Fall Abu Omar,
nach dem Bekanntwerden dieses Transports 2005 habe die
Staatsanwaltschaft Zweibrücken Ermittlungen eingeleitet.
Überdies habe die deutsche Regierung in Washington wegen der Nutzung hiesigen Luftraums
interveniert. Da habe es "keinen Raum für eigene
Aktivitäten des Verfassungsschutzes" gegeben.
Fromm führte aus, einer stichprobenartigen Kontrolle von US-Flügen in Deutschland stünden allein schon praktische Schwierigkeiten wegen der Befugnisse seines Amts entgegen. Hanning erklärte, solche Überprüfungen seien auch nicht Sache des BND, sondern der dem Verkehrsministerium unterstehenden Flugkontrolle. Vor allem aber, so der Staatssekretär, solle man den Zusicherungen der US-Regierung glauben, in Deutschland würden sich Renditions nicht wiederholen. Mehrere Abgeordnete kritisierten hingegen, man dürfe es nicht bei dem Vertrauen in die US-Zusage belassen, künftig die deutsche Souveränität zu achten.