... der Untersuchungsausschuss des Bundestages?
Hier werden Zeugen vernommen und Beweise erhoben: Der
Untersuchungsausschuss ist die schärfste Waffe der Opposition.
Er dient der Regierungskontrolle - und der
Wahrheitsfindung.
Als die Bundesregierung im Februar 2006 dem Parlamentarischen
Kontrollgremium des Bundestags einen Bericht "zu Vorgängen im
Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des
internationalen Terrorismus" vorlegte, verlangten FDP, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. einen Untersuchungssausschuss.
Der umfangreiche Auftrag des 1. Untersuchungsausschusses im 16.
Deutschen Bundestag, auch "BND-Untersuchungsausschuss"
genannt, enthält vor allem Fragen zum Vorgehen gegen
Terrorverdächtige. Wurden sie in Flugzeugen des Geheimdienstes
CIA auch über
deutsches Staatsgebiet transportiert? Haben Bundesbehörden die
Reisedaten von Terrorverdächtigen an US-amerikanische Stellen
weitergegeben? War der Bundesnachrichtendienst (BND) in die
Entführung Khalid El-Masris verwickelt? Alle Themen
führen vor allem auf eine große Frage zurück: Was
wusste die Bundesregierung und wann erfuhr sie es? Der Bericht soll
bis zum Ende der Legislaturperiode vorliegen.
Der BND-Untersuchungsausschuss ist nicht der erste in der
bundesdeutschen Geschichte. Seit 1950 setzt der Bundestag
Untersuchungsausschüsse ein und befasste sich dabei mit
zahlreichen Themen. Oft erhalten die Ausschüsse in der
Öffentlichkeit bestimmte Titel. Der "Hauptstadt-Ausschuss" zum
Beispiel untersuchte 1950/51 die Hintergründe der Entscheidung
zugunsten von Bonn als Bundeshauptstadt. Der "Guillaume-Ausschuss" ging 1974/1975 der
Affäre um den enttarnten DDR-Spion im Kanzleramt, Günter
Guillaume, nach. Wie es zur
Lieferung von deutschen Kenntnissen über U-Boote nach
Südafrika kam, klärte der "U-Boot-Ausschuss" 1987 bis
1990. Den Zusammenhang zwischen Parteispenden und Waffenlieferungen
beurteilte der "Parteispenden-Ausschuss" von 1999 bis 2002. Und die
Verantwortung für das missbräuchliche Erteilen von Visa
durch bestimmte deutsche Botschaften im Ausland sollte der
"Visa-Untersuchungsausschuss" im Jahr 2005 klären.
Der Untersuchungsausschuss arbeitet grundsätzlich
unabhängig von anderen Staatsorganen und mit hoheitlichen
Mitteln. Mit ihm untersucht der Bundestag alle Sachverhalte, die er
in Erfüllung des Verfassungsauftrages als Volksvertretung
für aufklärungsbedürftig hält - und die im
weiteren Sinne die Kompetenz des Bundes betreffen. Vor allem
prüft der Untersuchungsausschuss mögliche Missstände
in der Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten
von Politikern. Auf Verlangen mindestens eines Viertels seiner
Mitglieder muss der Bundestag gemäß Artikel 44 des
Grundgesetzes einen solchen Ausschuss einsetzen. Zwar verhängt
er keine Strafen, doch für das Verfahren gelten ähnliche
Regeln wie vor Gericht.
Beweismittel sind neben Aktenmaterial von Bundesbehören vor
allem die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen. Der
Ausschuss kann das Erscheinen von Zeugen erzwingen. Im Falle einer
unrechtmäßigen Zeugnisverweigerung hat er das Recht, ein
Ordnungsgeld zu verhängen bzw. die Person in Haft nehmen zu
lassen. Wie vor Gericht können Zeugen nur dann die Aussage
verweigern, wenn sie sich selbst belasten würden. Die
Beweiserhebungen sind grundsätzlich öffentlich. Es
dürfen jedoch keine Ton- oder Filmaufnahmen gemacht werden.
Ausnahmen sind möglich, wenn mindestens zwei Drittel der
anwesenden Mitglieder und die zu befragende Person zustimmen.
Erstmalig in der Parlamentsgeschichte geschah dies in der 15.
Wahlperiode, als die Vernehmung des damaligen Außenministers
Joschka Fischer im Zuge der "Visa-Affäre" live übertragen
wurde.
Auch optisch erinnert der Ausschuss an einen Gerichtssaal: Im
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus direkt an der Spree nimmt der
Zeuge Platz an einem Tisch in der Mitte des Raumes, ihm
gegenüber sitzen die Abgeordneten. Der Ausschussvorsitzende -
derzeit Siegfried Kauder - eröffnet die Fragerunde, die so
genannte "Berliner Stunde". Für seine Fragen hat er kein
Zeitlimit. Nacheinander kommen Vertreter aller fünf Fraktionen
zu Wort, jede Fraktion hat in der 16. Wahlperiode zwischen 7 und 19
Minuten Zeit, je nach Fraktionsstärke. Bleiben Fragen offen,
können die Abgeordneten zusätzliche "Berliner Stunden"
verlangen.
Nach Abschluss seiner Arbeit legt der Untersuchungsausschuss dem
Plenum seinen schriftlichen Bericht vor. Dieser umfasst den Verlauf
des Verfahrens, die ermittelten Tatsachen und das Ergebnis. Kommt
der Ausschuss nicht zu einem einvernehmlichen Bericht, etwa weil
die Bewertung zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen
umstritten ist, kann die Minderheit ihre Sicht in einem Sondervotum
darstellen, das in den Bericht aufgenommen wird. Die Ergebnisse
haben keine sanktionierende Wirkung. Auch die Gerichte sind nicht
an die Ermittlungsergebnisse gebunden. Stattdessen verbindet der
Untersuchungssausschuss durch seine Arbeit wichtige Funktionen des
Parlaments: die Kontrolle der Regierung, die Information der
Öffentlichkeit, die Meinungsbildung sowie - je nach
Ermittlungsergebnis - auch die Notwendigkeit der
Gesetzgebung.