Berlin: (hib/CHE) Die im Konjunkturpaket II enthaltene Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren wird von Experten begrüßt. Gleichzeitig betonten die Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag, dies könne nur ein erster Schritt sein. Nötig sei vielmehr eine grundlegende Neuorientierung bei der Berechnung der Kinder-Regelsätze. So betonte Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund: "Auch mit der Erhöhung sind wir weiter im falschen System, weil nach wie vor keine kinderspezifische Regelung existiert." Kinder im Wachstumsprozess benötigten mehr Geld für Bekleidung und Nahrungsmittel als Erwachsene und außerdem zusätzliche Mittel für die schulische und außerschulische Bildung. "Deshalb ist jede Ableitung von 60 oder 70 Prozent eines Erwachsenen-Regelsatzes völlig falsch", ergänzte Hilgers.
Auch der Paritätische Gesamtverband zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit der Einführung der dritten Altersstufe von 6 bis 14 Jahren. Diese sieht vor, den Hartz-IV-Regelsatz für Kinder dieser Altersgruppe auf 246 Euro zu erhöhen. Bisher gab es zwei Altersstufen: Kinder bis 14 Jahre erhielten 211 Euro und Kinder ab 14 Jahre 281 Euro. Ulrich Schneider, für den Paritätischen Gesamtverband geladen, sagte, eine solche Dreiteilung entspreche den Entwicklungsphasen von Kindern und Jugendlichen sehr viel mehr als die alte Regelung. Die Höhe der Regelsätze hält der Verband aber nach wie vor für "nicht sachgerecht", da dem keine spezifische Bedarfsprüfung der Kinderbedarfe vorausgegangen sei. Auch Wilhelm Adamy vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) forderte "eigenständige, nicht vom Erwachsenensatz abgeleitete Kinderregelsätze".
Ein positives Echo bei den Experten fanden die Pläne der Bundesregierung, Kurzarbeit länger als bisher zu fördern und betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen in dieser Zeit zu unterstützen. Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) betonte Jürgen Wuttke, Kurzarbeitergeld könne ein wichtiger Ansatz sein, "um Beschäftigung im Rahmen des Gesamtpaketes zu stabilisieren". Auch sei das Ziel, Kurzarbeit für sinnvolle Qualifizierung zu nutzen "grundsätzlich vernünftig". Einschränkend fügte Wuttke hinzu: "Die vorgesehene rechtliche Verbindung von Kurzarbeit und Qualifizierung stellt dies aber geradezu auf den Kopf." Denn von ihr würde der Fehlanreiz ausgehen, "irgendeine Qualifizierung" durchzuführen, nur um die zusätzliche finanzielle Entlastung beim Kurzarbeitergeld zu erhalten. Nachbesserungsbedarf sieht die BDA auch in Bezug auf die sogenannten Beschäftigungssicherungsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei denen Arbeitnehmer zum Beispiel auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten. "Diese Vereinbarungen dürfen sich nicht nur für das Kurzarbeitergeld, sondern auch für das Arbeitslosengeld nicht zum Nachteil der Betroffenen auswirken", sagte Wuttke. Für den DGB betonte Wilhelm Adamy, dass die Anreize zur Qualifizierung während der Kurzarbeit zwar zu begrüßen seien, "es besteht jedoch die Gefahr von Mitnahmeffekten." Er forderte deshalb einen detaillierten Qualifizierungsplan, aus dem hervorgeht, inwieweit die Maßnahmen direkt dem Betrieb zugute kommen. Außerdem müsse man eine Grenze ziehen, an der die Verantwortung der Beitragszahler für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen aufhört. "Es kann nicht Aufgabe der Beitragszahler sein, einen Master oder Bachelor zu finanzieren", sagte Adamy.
Kritisch zu den Regierungsplänen äußerte sich Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. "Für kleinere Unternehmen ist das Weiterbildungserfordernis eine erhebliche finanzielle Belastung", sagte er. Eine "klare Absage" erteilte Dannenbring der Regelung, den Unternehmen erst dann die Sozialversicherungsbeiträge vollständig zu erstatten, wenn die Qualifizierungsmaßnahme mindestens die Hälfte der ursprünglichen Arbeitszeit beträgt. "Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist diese Quote viel zu hoch angesetzt", kritisierte er.
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