Berlin: (hib/KOS) Mit Nachdruck hat Luis Moreno-Ocampo am Montagabend zum Abschluss eines von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und vom Bundestags-Menschenrechtsausschuss in Berlin ausgerichteten Kongresses die Ausstellung des Haftbefehls gegen Omar al-Baschir durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verteidigt. Der Chefankläger gab sich überzeugt, dass der sudanesische Staatschef zur Rechenschaft gezogen werde, auch wenn dies vielleicht Monate oder Jahre dauern werde. Moreno-Ocampo sagte, in Darfur hätten sämtliche politische Verhandlungen die von Baschir zu verantwortenden Menschenrechtsverstöße nicht unterbinden können. Er warf dem Staatschef vor, in dieser sudanesischen Provinz ein Volk durch Aushungern und Folter ausrotten zu wollen. Aus Sicht des Generalanwalts konnte das Drama in Darfur stattfinden, "weil in der Weltgemeinschaft unterschiedliche Interessen verfolgt wurden". Der IStGH ziele im Sudan "nicht auf einen Regimewechsel", es gehe vielmehr um die individuelle Verantwortung eines einzelnen. Durch den Haftbefehl werde "ein rechtlicher Prozess ausgelöst". Gleichwohl rief Moreno-Ocampo die Regierungen der einzelnen Staaten auf, Baschir international zu isolieren, die diplomatischen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und so den Druck auf den Sudan zu erhöhen.
Der Chefankläger in Den Haag sagte, mit dem IStGH werde ein neues System des internationalen Strafrechts geschaffen. Es sei Aufgabe dieses Gerichtshofs, das Versprechen des Römischen Statuts einzulösen, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch eine internationale Instanz zu ahnden. "Unsere Untersuchungen nehmen an Fahrt auf", sagte Moreno-Ocampo. So sei man auch dabei, zu überprüfen, was während des Kriegs zwischen Russland und Georgien sowie im Gazakrieg geschehen sei.
Herta Däubler-Gmelin erklärte, von nun an müssten sich Staatenlenker für Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen. Mit diesem "politischen Pfund" müsse man wuchern. Die SPD-Politikerin, die den Menschenrechtsausschüssen des Bundestags und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vorsteht, appellierte an Russland, die USA und Israel, das Römische Statut zu ratifizieren und den IStGH anzuerkennen. Russland gehört zu den 47 Mitgliedsländern des Europarats, die USA und Israel haben einen Beobachterstatus.
Symeon Karagiannis, Professor an der Universität Straßburg, machte bei der Berliner Tagung darauf aufmerksam, dass die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats bei ihren Entscheidungen in dieser Runde keiner internationalen rechtlichen Kontrolle unterlägen. Die Angehörigen dieses Gremiums, dessen Beschlüsse über sonstigen Entscheidungen der Weltorganisation stünden, würden dies ablehnen. Aus Sicht des Europarats-Abgeordneten Dick Marty (Schweiz) stellt sich das Problem einer fehlenden juristischen Kontrolle etwa bei den umstrittenen "Schwarzen Listen", in denen der UN-Sicherheitsrat Terrorverdächtige vermerke. Nuala Mole erläuterte, dass es auch Defizite bei der internationalen rechtlichen Überwachung von Militärmissionen gibt, die wie etwa im Kosovo von mehreren Staaten gemeinsam gestellt würden. Mole ist Direktorin des AIRE-Zentrums in London (Advice on Individual Rights in Europe).
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