Offizielles
Biographie
Wahlkreis
Bundestag

Direkt vom MdB
Homepage
Berlin
Presse
Kontakte
Links

Themen
Reden
fotoalbum

Renate Gradistanac
Mitglied des Deutschen Bundestages
SPD
----

18. Juni 2009

Jede vierte Frau wird vom Partner geschlagen

Meine letzte Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestags

Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

im Jahr 2007 hat eine Richterin einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine vorzeitige Scheidung mit folgendem Argument abgelehnt: „Die Ausübung des Züchtigungsrechts begründet keine unzumutbare Härte.“ Antragstellerin war eine Deutsche mit Migrationshintergrund. Zuvor hatte die gleiche Richterin Maßnahmen zum Schutz derselben Frau nach dem Gewaltschutzgesetz getroffen. Sie hatte der Frau zum einen die gemeinsame Wohnung zugewiesen und zum anderen ein Näherungsverbot gegen den Ehemann erlassen. Obwohl der Fall bundesweit eine große öffentliche Empörung ausgelöst hat, zeigt er uns doch auch, wie Gewalt gegen Frauen auch heute immer noch verharmlost und entschuldigt wird.

Für einen effektiven Gewaltschutz brauchen wir ein gesellschaftliches Klima, in dem Gewalt gegen Frauen konsequent geächtet und bekämpft wird. Deshalb haben wir vor 10 Jahren, unter Rot-Grün, den ersten nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aufgelegt. Das Gewaltschutzgesetz trat im Jahr 2002 in Kraft. Seitdem können Opfer von Gewalt, zusätzlich zur Möglichkeit des Aufenthalts im Frauenhaus, eine Wegweisung des Täters aus der gemeinsamen Wohnung durchsetzen. Seit fünf Jahren liegt die erste repräsentative Studie zum Ausmaß der Gewalt gegen Frauen vor. 40 Prozent der befragten Frauen haben seit dem 16. Lebensjahr körperliche oder seelische Gewalt oder beides erlebt. Jede vierte Frau hat Gewalt im häuslichen Umfeld durch den Partner erlebt, wobei kein Zusammenhang zwischen Gewalt und Bildungsstand bzw. Schichtzugehörigkeit feststellbar war. Mit dem im Jahr 2007 in Kraft getretenen Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen, haben wir Stalking-Opfer besser geschützt. Ebenfalls im Jahr 2007 hat die Bundesregierung schließlich den zweiten Aktionsplan mit seinen 133 Maßnahmen aufgelegt. Er unterstreicht die Bedeutung der Frauenhäuser und fordert eine Vernetzung der Frauenhäuser untereinander und mit Frauenberatungsstellen und -notrufen.

Heute, meine Damen und Herren, beraten wir abschließend über vier Anträge zur Verbesserung der Situation der Frauenhäuser. Unser schwarz-roter Koalitionsantrag hat das Ziel, den Frauen bessere Schutzrechte zu ermöglichen, die vor Gewalt Schutz in einem Frauenhaus suchen. Er greift die Probleme und Forderungen auf, die uns aus der Praxis der Frauenhausarbeit berichtet wurden. Die Anhörung zur Situation der Frauenhäuser hat deutlich gemacht, dass die Finanzierung der Frauenhäuser in den Bundesländern einem Flickenteppich gleicht, der unterschiedlicher nicht sein könnte. Man kann sich daher durchaus fragen, ob hier noch von gleichwertigen Lebensbedingungen ausgegangen werden kann. Wir wollen daher, dass geprüft wird, ob eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung nicht doch möglich ist. In Frage käme zum Beispiel eine institutionelle Förderung wie sie in Schleswig-Holstein erfolgt. Angesichts der unterschiedlichen Finanzierungsregelungen in den Ländern und Kommunen ist es mir auch wichtig, dass Leitlinien zur Finanzierung von Frauenhäusern formuliert werden, die sach- und fachgerechte Kriterien und Qualitätsstandards enthalten. Diese sollen im Dialog mit den Bundesländern und Einrichtungsträgern erstellt werden. Wir fordern Verbesserungen bei den gesetzlichen Regelungen zur Kostenerstattung. Bürokratische Hemmnisse müssen abgebaut werden. Wir erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften der Sozialgesetzbücher II und XII sowie das Asylbewerberleistungsgesetz besser an die besondere Situation der Gewaltopfer angepasst werden. Auch für die Frauen, die grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen nach diesen Gesetzen haben, muss ein niedrigschwelliger Zugang zu den Frauenhäusern ermöglicht werden. Hierfür brauchen wir gesetzliche Regelungen, die unter anderem die besonderen Probleme von Frauen in Ausbildung und Studium sowie von Frauen mit Migrationshintergrund berücksichtigen. Frauenhäuser müssen allen betroffenen Frauen und ihren Kindern gleichermaßen offen stehen.

Im Jahr 2005 haben wir für das SGB II eine klarstellende Regelung zur Kostenerstattung getroffen, nach der die bisherige Wohnortkommune der Standortkommune des Frauenhauses, die anfallenden Kosten zu erstatten hat. Damit haben wir das für die Frauen unzumutbare Hin und Her zwischen den betroffenen kommunalen Trägern eigentlich beendet. Die Anhörung hat allerdings gezeigt, dass es hier in der Praxis, und das ist ein Skandal, meine Damen und Herren, Probleme gibt. Ich appelliere daher an die Länder und Kommunen, die Frauenhäuser finanziell sicher zu stellen, anstatt sie durch Kürzungen zu beeinträchtigen. Solange es Gewalt gegen Frauen gibt, werden wir unsere Frauenhäuser brauchen.