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Renate Gradistanac
Mitglied des Deutschen Bundestages
SPD
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26. Juni 2008

Weiber sind wie Wildbret

Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

leider blicken wir weltweit auf eine Jahrhunderte lange Diskriminierung gegen die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Frauen zurück. Darum setzen sich die Vereinten Nationen, die europäische Ebene, hier der Europarat mit seinem jüngsten Beschluss „Stoppt häusliche Gewalt gegen Frauen“, und auch der Deutsche Bundestag gegen jede Form von Gewalt gegen Frauen ein. Zu den vielfältigen Menschrechtsverletzungen an Frauen zählen die Zwangsverheiratung, Zwangsprostitution und Genitalverstümmelung.

Gewalt gegen Frauen drückt sich in allen Sprachen der Welt aus. Aus Rumänien stammt das Sprichwort: „Weiber sind wie Wildbret, je mehr Schläge, je besser sind sie.“ Aus Ungarn kommt: „Einen Knochen für meinen Hund, einen Stock für mein Weib.“ Und ein deutsches Sprichwort sagt: „Eine nicht geschlagene Frau ist wie ein ungesalzener Kohl.“

Bis vor 80 Jahren hatten deutsche Ehemänner ein verbrieftes Recht zur körperlichen Züchtigung ihrer Ehefrauen. Im Jahr 1928 wurde das Züchtigungsrecht des Ehemannes abgeschafft. Bis vor 50 Jahren, bis zum Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes im Jahr 1958, galt das männliche Entscheidungsrecht in allen ehelichen Angelegenheiten. Fast 40 Jahre später, im Jahr 1997, wurde endlich die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Und im Jahr 2002 trat schließlich das Gewaltschutzgesetz in Kraft. Damit wurde eine klare Rechtsgrundlage geschaffen: „Wer schlägt, muss gehen“.

Gesetzliche Regelungen sind für einen effektiven Gewaltschutz unabdingbar. Wir brauchen aber auch ein gesellschaftliches Klima, in dem Gewalt gegen Frauen konsequent geächtet und bekämpft wird. Dies ist das Ziel unserer rot-schwarzen Anträge zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt und zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung. Dies ist auch das Ziel des zweiten Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das umfassende Gesamtkonzept des ersten rot-grünen Aktionsplans aus dem Jahr 1999 wurde erfolgreich umgesetzt. Der zweite Aktionsplan setzt mit seinem ehrgeizigen Maßnahmenpaket da an, wo nach dem ersten Aktionsplan besonderer Handlungsbedarf besteht.

Präventionsarbeit muss möglichst früh ansetzen. Die erste repräsentative Studie zur Gewalt gegen Frauen belegt, dass jedes vierte Kind in Vorfälle häuslicher Gewalt involviert wurde. Jedes zehnte Kind wurde selbst körperlich angegriffen. Gewalterfahrungen in der Kindheit prägen das Erwachsenenleben. Sie erhöhen das Risiko, selbst einmal zum Täter oder Opfer häuslicher Gewalt zu werden. Um diesen Gewaltkreislauf zu durchbrechen, sind die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe von zentraler Bedeutung. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern die Länder und Kommunen auf, Beratungsangebote nicht weiter abzubauen, sondern auszubauen.

Es ist an der Zeit, Gewalt gegen ältere Frauen und Frauen mit Behinderungen verstärkt in den Blick zu nehmen. Diese können sich vielfach nicht aus eigener Kraft vor Gewalt schützen. Auch Frauen mit Migrationshintergrund werden besonders häufig Opfer von Gewalt. Überdurchschnittlich oft sind türkische Frauen betroffen. Fast die Hälfte von ihnen hat bereits körperliche Gewalt im häuslichen Umfeld erlebt. Diese Frauen sind in besonderem Maße auf leicht zugängliche Unterstützungsangebote angewiesen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern den Ausbau von niederschwelligen und mehrsprachigen Beratungs- und Informationsangebote sowie eine Öffentlichkeitskampagne.

Mit dem zweiten Aktionsplan hat sich die Bundesregierung verpflichtet, rund 130 neue Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern umzusetzen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden aufmerksam verfolgen, wie konsequent die Umsetzung erfolgt. Wir fordern das CDU-geführte Familienministerium auf, auch im eigenen Haushalt Mittel zur Verfügung zu stellen.