Diesmal - die Unionsfraktion stellt nur vier Mitglieder mehr als die der SPD - sah es zunächst nach einer Ausnahme von dieser ungeschriebenen Regel aus. Doch blieb es bei dem bisherigen Brauch. Die Union setzte sich nicht nur bei der Kanzlerfrage durch, sondern auch bei der Bundestagspräsidentenfrage. Dafür erhielt die SPD durch eine Änderung der Geschäftsordnung als Kompensation zwei Vizepräsidenten.
Im Gegensatz zum Bundespräsidenten lässt der Bundestagspräsident, der der Volksvertretung, dem Bundesparlament, vorsteht, die Mitgliedschaft in der Partei nicht ruhen und nimmt an der rauhen politischen Auseinandersetzung teil, also auch an den Abstimmungen - anders als der Speaker in Großbritannien. Vom Bundestag für die Dauer der Legislaturperiode in der Konstituierenden Sitzung geheim gewählt, besteht keine Möglichkeit, ihn abzuwählen. Wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages erhält, ist gewählt. Findet sich im ersten Wahlgang keine Mehrheit, kommt ein zweiter zustande, bei dem neue Kandidaten vorgeschlagen werden können. Fehlt eine solche Mehrheit auch im zweiten Wahlgang, so treten im dritten Wahlgang die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen gegeneinander an. Das war erst einmal der Fall.
Obwohl keine rechtliche Möglichkeit besteht, den Bundestagspräsidenten abzusetzen, haben doch vier vorzeitig die "Segel gestrichen": 1950 Erich Köhler wegen seiner Amtsführung und seiner Krankheit; 1969 Eugen Gerstenmaier wegen der Kritik an seinem unglücklichen Engagement bei der Wiedergutmachung in eigener Sache; 1984 Rainer Barzel wegen des Vorwurfs, über eine Rechtsanwaltskanzlei Geld vom Flick-Konzern kassiert zu haben; 1988 Philipp Jenninger wegen der Kritik an einer Gedenkrede zur 50. Wiederkehr der "Reichskristallnacht". In allen Fällen waren die Präsidenten nicht zu halten, obwohl die Anschuldigungen zum Teil so gar nicht zutrafen.
Die Aufgaben des Bundestagspräsidenten sind vielfältig. Sie werden gemeinhin mit den folgenden vier Begriffen erfasst: Rechtsvertretung (der Präsident ist der rechtliche Vertreter des Parlaments) - Sitzungsleitung (ihm obliegt die Verhandlungsführung) - Hausherr (dazu gehört die Ordnungsgewalt gegenüber Mitgliedern der Bundesregierung und des Bundesrates und das Hausrecht, das es ihm gestattet, Personen des Hauses zu verweisen) - Behördenchef (er steht der mehr als 2.000 Personen umfassenden Verwaltung des Deutschen Bundestages in Berlin vor). Die Bundesversammlung, die nur zur Wahl des Bundespräsidenten zusammentritt, leitet der Bundestagspräsident.
Die deutsche Verfassungsgeschichte kennt herausragende Parlamentspräsidenten. Der letzte von der Frankfurter Nationalversammlung gewählte Parlamentspräsident (1848/49), Eduard Simson, war der erste Reichstagspräsident des Deutschen Reiches (1871 bis 1873). Allerdings stellte das Kaiserreich keine Demokratie dar (der Kanzler wurde vom Kaiser ernannt) - im Gegensatz zur Weimarer Republik. Der Sozialdemokrat Paul Löbe war von 1920 bis 1932 (mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1924) Reichstagspräsident, ehe er dem Nationalsozialisten Hermann Göring Platz machen musste. Löbe fungierte übrigens als der erste Alterspräsident des Deutschen Bundestages. Ihm folgten in dieser Funktion herausragende Politiker, darunter drei frühere Bundeskanzler: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Willy Brandt. Adenauer nahm die Funktion des Alterspräsidenten allerdings nach seiner Kanzlerzeit wahr. Der Alterspräsident (seit 2002 ist es Otto Schily) führt in einer neuen Legislaturperiode nur solange den Vorsitz, bis der neugewählte Bundestagspräsident sein Amt übernimmt. Er hält eine programmatische, oft launige Ansprache. So begrüßte Schily seinen 67-jährigen Bruder, der zum ersten Mal dem Parlament angehört, als "junges Nachwuchstalent".
Erich Köhler aus den Reihen der CDU, von Konrad Adenauer im Namen der Unionsfraktion vorgeschlagen, wurde der erste Bundestagspräsident (7. September 1949 bis 18. Oktober 1950). Geboren am 27. Juni 1892 in Erfurt, zählte der promovierte Volkswirt in der Weimarer Zeit zu den Mitgliedern der Deutschen Volkspartei. Nach 1945 Gründungsmitglied der CDU in Hessen, war er zwischen 1947 und 1949 Präsident des Zwei-Zonen-Wirtschaftsrates. Seine Amtsführung stand unter keinem guten Stern. Nach einem Nervenzusammenbruch erklärte Köhler im Oktober 1950 seinen Rücktritt. Bis 1957 gehörte der kränkelnde Politiker, der am 23. Oktober 1958 in Wiesbaden starb, dem Bundestag an.
Sein Nachfolger Hermann Ehlers (19. Oktober bis 29. Oktober 1954) war aus anderem Holz geschnitzt. Geboren am 1. Oktober 1904 in Berlin, gelangte der promovierte Jurist als Mitglied der Bekennenden Kirche im Dritten Reich nicht in den Staatsdienst. Bald erwarb er sich durch so zupackende wie unparteiliche Amtsführung großen Respekt. Wurde er zunächst nur mit einer Mehrheit von 61,8 Prozent gewählt, entfielen bei seiner Wiederwahl 93,2 Prozent auf ihn - ein Ergebnis, das bisher kein Nachfolger zu übertreffen wusste. Als einziger ist er - am 29. Oktober 1954 in Oldenburg - während seiner Amtszeit als Bundestagspräsident gestorben. Nach ihm wurde eine 1968 gegründete politische Stiftung benannt.
Eugen Gerstenmaier war so lange Bundestagspräsident wie niemand vor oder nach ihm (16. November 1954 bis 31. Januar 1969). Geboren am 25. August 1906 in Kirchheim/Teck, zeichnete sich der promovierte Theologe als Mitglied des Kreisauer Kreises durch mutige Widerstandsaktivitäten gegen das Dritte Reich aus. Nach dem 20. Juli 1944 bekam er eine Zuchthausstrafe von sieben Jahren. Gerstenmaier präsidierte mit Grandezza. Es hatte zuweilen den Anschein, als fühlte sich der selbstbewusste Gerstenmaier, 1956 zum stellvertretenden Vorsitzenden der CDU gewählt, mit dem Amt des Bundestagspräsidenten unterfordert. Die Umstände seines Rücktritts warfen einen Schatten auf seine langjährige erfolgreiche Tätigkeit. Danach zog sich Gerstenmaier ins Privatleben zurück. Er starb am 13. März 1986 in Remagen bei Bonn.
Gerstenmaiers Nachfolger, Kai-Uwe von Hassel (5. Februar 1969 bis 13. Dezember 1972), war am 21. April 1913 im damals zu Deutsch-Ostafrika gehörenden Gare geboren, siedelte mit der Familie nach Glücksburg über und ging später als Pflanzungskaufmann zurück nach Tanganjika. Von 1946 an CDU-Mitglied, von 1950 bis 1965 Mitglied des Landtags von Schleswig-Holstein und von 1954 bis 1963 Ministerpräsident dieses Landes, wurde er 1963 Bundesverteidigungsminister, 1966 bis 1969 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Nach dem Rücktritt Gerstenmaiers setzte sich von Hassel in einer Kampfabstimmung der Unionsfraktion knapp gegen Heinrich Köppler durch. Unter ihm kam es zu einer "Kleinen Parlamentsreform", die eine Reihe von Verbesserungen für die Abgeordneten brachte. Von Hassel gelang es, während der turbulenten, vorzeitig beendeten Legislaturperiode zwischen 1969 und 1972 die Polarisierung zwischen Union und SPD zu dämpfen. Am 8. Mai 1997 starb er in Aachen.
Annemarie Renger (SPD), geboren am 7. Oktober 1919 in Leipzig, wurde die erste Bundestagspräsidentin (13. Dezember 1972 bis 14. Dezember 1976). Dies war in doppelter Hinsicht neu. Die Tochter eines "Arbeiterführers" wurde nach dem Krieg eine enge Mitarbeiterin des charismatischen sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Kurt Schumacher (bis zu dessen Tod 1952). Sie gehörte von 1953 bis 1990 dem Deutschen Bundestag an (in den Anfangsjahren als "Miss Bundestag" tituliert). Die parlamentarische Geschäftsführerin wurde 1972 Bundestagspräsidentin. Das Schicksal ihres Vorgängers blieb ihr nicht erspart: Sie musste als Vizepräsidentin in das zweite Glied treten (1976 bis 1990). In der Partei spielte Annemarie Renger - die stets Antikommunistin geblieben war, darin ihrem Vorbild Schumacher ähnlich - von den 80er-Jahren an kaum noch eine Rolle. Der Zusammenbruch der DDR war für sie eine große Genugtuung.
Karl Carstens, geboren am 1. Dezember 1914 in Bremen, übte vom 14. Dezember 1976 bis zum 31. Mai 1979 das Amt des Bundestagspräsidenten aus. Der habilitierte Jurist war von 1949 bis 1954 Bevollmächtigter des Landes Bremen in Bonn, in den 60er-Jahren Staatssekretär - im Auswärtigen Amt, im Verteidigungsministerium und als Chef des Bundeskanzleramtes. Erst 1972 gelangte Carstens in den Bundestag; bereits ein Jahr später löste er Rainer Barzel als Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU ab. In der nächsten Legislaturperiode übernahm er das Amt des Bundestagspräsidenten. Drei Jahre später wurde er Bundespräsident (1979 bis 1984). Die Vorbehalte gegenüber dem konservativen Carstens als Bundestagspräsident wie als Bundespräsident konnte dieser aufgrund seiner strikt überparteilichen Amtsführung entkräften. Der nüchtern wirkende Norddeutsche starb am 30. Mai 1992 in Meckenheim bei Bonn.
Richard Stücklen, geboren am 20. August 1916 in Heideck/Mittelfranken, war vor (1976 bis 1979) und nach (1983 bis 1990) seiner Wahl zum bisher einzigen Bundestagspräsidenten aus den Reihen der CSU (31. Mai 1979 bis 29. März 1983) Bundestagsvizepräsident. Von 1949 bis 1990 - also mehr als 40 Jahre - war der Elektroingenieur Mitglied des Deutschen Bundestages. Fast zehn Jahre (1957 bis 1966) wirkte er als erfolgreicher Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen. Danach wurde er CSU-Landesgruppenvorsitzender. Obwohl seine Tätigkeit als Bundestagspräsident auf große Zustimmung stieß (zum Beispiel durch seinen Humor, der kritische Situationen entspannen konnte), musste er das Amt nach knapp vier Jahren abgeben, weil die CDU darauf bestand, das Amt zu besetzen. Stücklen erlag am 2. Mai 2002 im Alter von 85 Jahren in seiner Heimat Weißenberg einem Herzleiden.
Rainer Barzel, geboren am 20. Juni 1924 in Braunsberg (Ostpreußen), gehörte als promovierter Jurist 30 Jahre lang (1957 bis 1987) dem Bundestag an, davon fast zehn Jahre als Fraktionsvorsitzender der Union (1964 bis 1973), unter anderem auch zur Zeit der Großen Koalition. Als Parteivorsitzender der CDU (1971 bis 1973) scheiterte 1972 sein Versuch knapp, mit Hilfe des "Konstruktiven Misstrauensvotums" Willy Brandt vom Amt des Bundeskanzlers abzulösen. Hingegen verlor die Union unter Barzel die Bundestagswahl 1972 klar. Vor seiner Zeit als Bundestagspräsident (29. März 1983 bis 25. Oktober 1984) kam Barzel zweimal kurzfristig zu Ministerehren: 1962/1963 als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und - 20 Jahre später - 1982/1983 erneut in diesem Amt (unter der Bezeichnung als Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen). Das Amt des Bundestagspräsidenten brachte ihm kein Glück. Eine Finanzaffäre, die - wie später herauskam - keine war, führte zu seinem Abgang. Barzel meldet sich noch heute oft zu Wort.
Philipp Jenninger, geboren am 10. Juni 1932 in Rindelbach (Nordwürttemberg), fungierte vom 5. November 1984 bis zum 11. November 1988 als Bundestagspräsident. Der promovierte Jurist gelangte 1964 für die CDU in den Deutschen Bundestag und wurde 1975 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion. Nach Helmut Kohls Ernennung zum Kanzler wurde Jenninger zum Staatsminister im Bundeskanzleramt befördert. Als Bundestagspräsident ging es ihm insbesondere darum, die Arbeit an den Parlamentsneubauten voranzubringen. Tragischerweise stürzte der ausgemachte Freund Israels aufgrund einer Rede, die missverständlich war beziehungsweise missverstanden werden wollte - je nach Perspektive. Der verbitterte Jenninger verzichtete auf eine weitere Kandidatur für den Deutschen Bundestag. Von 1991 bis 1995 wirkte er als Botschafter in Österreich, von 1995 bis 1997 im Vatikan.
Rita Süssmuth, geboren am 17. Februar 1937 in Wuppertal, war eine politische Quereinsteigerin. Die Professorin für Erziehungswissenschaft trat erst 1981 in die CDU ein und machte schnell Karriere. Von 1985 bis 1988 leitete sie das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Nach dem plötzlichen Rücktritt Jenningers übte sie das Amt der Bundestagspräsidentin fast ein Jahrzehnt aus (25. November 1988 bis 26. Oktober 1998). Bundeskanzler Helmut Kohl wollte auf diese Weise ihre Wirkung neutralisieren. Das neue Amt hinderte sie nicht darin, sich als "Querdenkerin" zu profilieren. Als Parlamentspräsidentin setzte sie mannigfache Parlamentsreformen durch (zum Beispiel Verkleinerung der Zahl der Bundestagsabgeordneten). Obwohl die Union 1998 in die Opposition geriet, wurde die CDU-Abgeordnete 2000 Vorsitzende der Kommission für Zuwanderung der Bundesregierung. Im Jahre 2002 verzichtete Süssmuth auf eine erneute Kandidatur zum Bundestag.
Wolfgang Thierse, geboren am 22. Oktober 1943 in Breslau, wurde am 26. Oktober 1998 gegen den Wunsch des Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine zum Bundestagspräsidenten gewählt und übte dieses Amt nach seiner Wiederwahl 2002 bis zum 18. Oktober 2005 aus. Der Ostdeutsche war bis 1989 parteilos. In der DDR machte er mannigfache Minderheitserfahrungen. Als Katholik und als Nicht-Parteimitglied fühlte er sich - als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR - dort in der inneren Emigration. Im Januar 1990 trat der Germanist Thierse in die neugegründete SPD der DDR ein, deren Vorsitzender er von Juni bis September 1990 war. Seit dem 3. Oktober 1990 gehört Thierse dem Bundestag (damit schon der sechsten Legislaturperiode) an. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD machte sich besonders für die Interessen von DDR-Bürgern stark, um die innere Einheit der Deutschen zu fördern. Im Bundestag versah Thierse sein Amt mit rhetorischem Geschick.
Norbert Lammert, geboren am 16. November 1948 in Bochum, ist seit dem 18. Oktober 2005 der neue Bundestagspräsident. Der promovierte Sozialwissenschaftler gehört dem Bundestag seit 1980 an. Von 1989 bis 1998 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Bildungs-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium. In der letzten Legislaturperiode amtierte Norbert Lammert als Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Davor war er Kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Von 1996 an amtierte Lammert, der im Wahlkampf zum Kompetenzteam Angela Merkels gezählt hatte, als Vorsitzender der einflussreichen nordrhein-westfälischen Landesgruppe. Die ungewöhnlich hohe Zustimmung von 92,9 Prozent bei der Wahl zeugt vom Vertrauen des Hohen Hauses in den auf Ausgleich bedachten Lammert. Viele Abgeordnete erwarten von ihm eine durchgreifende Parlamentsreform.
Der Präsident und seine Stellvertreter - seit 1994 heißt es in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, dass jede Fraktion mindestens durch einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin vertreten ist - bilden das Präsidium, das oberste Gremium im Bundestag. Ebenso wie beim Präsidenten erfolgt die Wahl bei den Stellvertretern für die Dauer einer Wahlperiode. Absprachen zwischen den Fraktionen gehen der Wahl in der Regel voraus, sodass Kampfabstimmungen prinzipiell unterbleiben. Die Parteien schlagen häufig Abgeordnete vor, die über eine gewisse Autorität auch bei Andersdenkenden verfügen. So war mit Richard von Weizsäcker ein späterer Bundespräsident Vizepräsident. Carlo Schmid von der SPD, ein führender Kopf im Parlamentarischen Rat, amtierte von 1949 bis 1972 als Vizepräsident des Deutschen Bundestages so lange wie kein anderer.
So viele Stellvertreter wie nie zuvor gehören dem Bundestagspräsidium an: Wolfgang Thierse und Susanne Kastner (jeweils SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU), Hermann Otto Solms (FDP), Katrin Göring-Eckardt. Bei der Wahl von Lothar Bisky (Linkspartei) gab es einen Eklat. Der Kandidat scheiterte in allen drei Wahlgängen. Viele Abgeordnete wollten den Vorsitzenden der Linkspartei, der im Verdacht steht, mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet zu haben, nicht als Vertreter des Bundestages sehen. Die Linkspartei will an Bisky festhalten.
Bis auf die Wahl des Jahres 1954 gab es stets nur einen Wahlgang. Seinerzeit setzte sich Eugen Gerstenmaier im dritten Wahlgang knapp gegen Ernst Lemmer durch. Dieser, der auch aus den Reihen der CDU stammte (er gehörte in der Weimarer Republik den Liberalen an), wurde von Hans Reif, einem FDP-Abgeordneten, zur Wahl vorgeschlagen. Gerstenmaier erhielt 204 Stimmen, Lemmer 190, 15 waren ungültig. Der Sieger bekam damit nicht einmal die Hälfte der abgegebenen Stimmen. So schlecht schnitt nie wieder ein Präsident ab. Bei den folgenden Wahlen erhielt Gerstenmaier überwiegend auch die Stimmen der Opposition (1957: 88,5 Prozent; 1961: 91,9 Prozent; 1965: 75,8 Prozent). Keiner wurde viermal gewählt wie Gerstenmaier. Rita Süssmuth gelang dies dreimal (1988: 80,0 Prozent; 1990: 80,8 Prozent; 1994: 83,0 Prozent), Hermann Ehlers, Kai-Uwe von Hassel, Richard Stücklen, Philipp Jenninger und Wolfgang Thierse je zweimal. Bei den insgesamt 22 Wahlen erhielt nur in sechs Fällen der Präsident nicht 75 Prozent der abgegebenen Stimmen: Hermann Ehlers (1950), Eugen Gerstenmaier (1954), Kai-Uwe von Hassel (1969), Philipp Jenninger (1984) bei ihren ersten Kandidaturen und Karl Carstens 1976. Fast alle Bundestagspräsidenten, die zur Wiederwahl anstanden, konnten sich gegenüber dem früheren Ergebnis verbessern. Das spricht für ihre Integrationsfähigkeit. Allerdings bekam Wolfgang Thierse bei seiner zweiten Wahl lediglich 59,9 Prozent der Stimmen.
Auch wenn dem Bundestagspräsidenten politische Macht im engeren Sinne nicht zufällt, spielt es keine geringe Rolle, wer dieses Amt ausübt. Jedem Bundestagspräsidenten ist zu raten, von seinem Amt unparteiisch Gebrauch zu machen. Das gebietet der Respekt vor dem Parlament - und damit auch vor dem Souverän, dem Volk. Wie immer man die einzelnen Bundestagspräsidenten einordnet und welche Kritik man an dem einen oder anderen gehabt haben mag - keiner hat seine Amtsführung missbraucht. Auch Norbert Lammert dürfte nicht polarisieren.