In der umkämpften westsudanesischen Krisenregion Darfur scheint eine weitere humanitäre Katastrophe unausweichlich. Grund dafür ist ein gefährliches Vakuum, das dort nach Abzug der 7.000 Mann starken Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU), zu entstehen droht. Die AU beendet ihre Mission Ende September - für eine Verlängerung fehlen den afrikanischen Staaten nach deren Angaben die finanziellen Mittel - und die sudanesische Regierung wehrt sich vehement gegen den Einsatz von UN-Blauhelmen. Bei den anhaltenden Kämpfen in Darfur sind in den vergangenen drei Jahren Zehntausende ums Leben gekommen. Die Schätzungen schwanken zwischen 150.000 und 300.000 Todesopfern. Aus der Region mit ihren etwa sieben Millionen Einwohnern wurden mehr als 2,5 Millionen Menschen vertrieben. Viele Flüchtlinge irren ziellos durch das Wüstengebiet und sind hilflos den Attacken von arabischen Reitermilizen (Dschand-schawid) ausgesetzt. Es gibt Beweise, dass diese für zahlreiche Gräueltaten verantwortlichen Milizen von der Zentralregierung in der sudanesischen Hauptstadt Khartum unterstützt werden. Die Afrikanische Union scheint sich aber nicht nur aus finanziellen Gründen aus Darfur zurückzuziehen. Der AU-Vizevorsitzende Patrick Mazimhaka erklärte, es sprächen auch politische Überlegungen gegen eine Fortsetzung der Mission, die personell völlig unzureichend besetzt ist. Das deutet darauf hin, dass die AU es nicht auf einen dauerhaften Konflikt mit der Regierung in Khartum ankommen lassen will. Allerdings spricht die AU für eine Umwandlung ihrer Mission in einen mit robustem Mandat ausgestatteten Blauhelm-Einsatz aus. "Umfangreiche Verschwörung" Der sudanesische Präsident Omar Hassan Ahmad al-Baschir sprach kürzlich von einer umfangreichen Verschwörung, die "die Souveränität des Landes" untergraben wolle. Westliche Beobachter sind der Auffassung, Khartum lehne die Blauhelme ab, um sich bei seinen militärischen Angriffen gegen die nach Autonomie strebenden Rebellen nicht in die Karten schauen zu lassen. Journalisten wird die Einreise in die Region verwehrt, in den vergangenen Wochen sind mehrere Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen getötet worden. Unterdessen wird von weiteren Trup-penverlegungen nach Darfur berichtet. Auch von ver-stärkten Luftangriffen auf Gebiete, die von den Rebellen kontrolliert werden, ist die Rede. Der Weltsicherheitsrat hatte kürzlich die Stationie-rung von rund 20.000 Blauhelm-Soldaten und Polizis-ten in der Krisenregion beschlossen. Allerdings ist der Einsatz nur mit Zustimmung der sudanesischen Regierung möglich. Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Vereinten Nationen mit dem Sudan auf einen Einsatz werden einigen können, wenn der UN-Beschluss erst einmal gefasst sei. Der Optimismus des amerikanischen Diplomaten ist bis heute durch nichts gerechtfertigt. Zumal der sudanesische Präsident mit den Worten zitiert wird: "Solange ich im Amt bin, wird es keine internationale Militärintervention in Darfur geben." Der frühere UN-Sonderberichterstatter für den Su-dan, Ex-Innenminister Gerhart Rudolf Baum, fordert ein entschiedeneres Vorgehen der Staatengemein-schaft im Sudan. Die arabisch dominierte Regierung in Khartum halte immer noch daran fest, "unbeobachtet von der Völkergemeinschaft" die Krise militärisch und nicht politisch lösen zu wollen. Baum sprach in diesem Zusammenhang von einem drohenden Völkermord. Es könne eine ähnliche Situation eintreten wie vor einem Jahrzehnt in Ruanda. Daher müsse die internationale Gemeinschaft endlich entschlossen handeln und "deutliche und harte Sanktionen" gegen das Regime in Khartum verhängen. Die vor einem Jahr von allen Staatschefs in New York vereinbarte Pflicht der Vereinten Nationen, in solchen Fällen schützend einzugreifen ("responsibility to protect") greife in Darfur überhaupt nicht, beklagt Baum. Dagegen wehren sich vor allem Russland und China, die auch die Sudan-Resolution abgelehnt hatten. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregie-rung, Günter Nooke (CDU), hatte nach einer Reise durch das ostafrikanische Land gesagt, die Situation sei nach dem im Mai geschlossenen Friedensabkommen eher schlechter geworden. In den Dörfern sei die Gewalt alltäglich, so Nooke. Auch in den Lagern seien die Menschen nicht sicher. Frauen hätten ihm gesagt, sie seien von Angehörigen der Regierungstruppen vergewaltigt worden. Daher sei die Erwartungshaltung der Menschen in den Lagern an eine Blauhelm-Mission besonders groß. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat darauf hingewiesen, dass wegen der Kämpfe mehr als zwei Millionen Menschen in Flüchtlingslagern leben. Die Ministerin rief die Konfliktparteien dazu auf, die Arbeit der humanitären Helfer nicht länger zu behindern. "Wir dürfen in unseren Anstrengungen für eine dauerhafte Lösung nicht nachlassen, damit diese Flüchtlinge und Vertriebenen wieder in ihre Heimat zurückkehren können", so Wieczorek-Zeul. Das Entwicklungsministerium unterstützt Flüchtlinge aus Darfur mit rund zwei Millionen Euro.