Wer kennt nicht "Quincy" oder "Crossing Jordan". Gerichtsmediziner haben im Fernsehen Konjunktur. Doch wer weiß schon, was der Unterschied zwischen einem Gerichtsmediziner und einem Pathologen ist? Der Gerichtsmediziner wird gerufen, wenn es um einen mysteriösen Todesfall geht und hat so das Potenzial zum TV-Star. Der Pathologe hingegen hilft sogar, Leben zu retten, indem er oftmals Weichen für Diagnostik und Therapie stellt. Nicht so spannend für einen Krimi, aber keine schlechte Voraussetzung für die Politik. Diesen Eindruck jedenfalls gewinnt man im Gespräch mit dem Mediziner Harald Terpe, einziger grüner Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit. "Als Pathologe kümmert man sich ständig um Zusammenhänge, um Abhängigkeiten, Wirkungsweisen und Ursachen. Die Frage nach den Ursachen führt einen dann in jedes medizinische Teilgebiet hinein. So kommt ein sehr analytisch-synthetisches Wissen zustande. Der Pathologe ‚fesselt' sich im Kopf nicht schmalspurartig und läuft so nicht Gefahr, den großen Überblick zu verlieren." Dieser Grundansatz nütze ihm auch in der Politik. Politisch ist er seit der Wende aktiv, zog aber zunächst das kommunale ehrenamtliche Engagement in der Rostocker Bürgerschaft vor - bis 2005. Seitdem ist er Mitglied des Deutschen Bundestags. Er sieht bei seiner Arbeit sowohl den gesamtdeutschen Aspekt als auch die besonderen Auswirkungen von Gesetzesinitiativen auf die neuen Bundesländer. 17 Jahre nach der Wende sei es immer noch schwierig, den politischen Gefährtinnen und Gefährten klar zu machen, dass sich teilweise Gesetze, die der Bundestag verabschiedet, in Ost und West unterschiedlich auswirken. "Ich hatte die Erwartung, dass die Bundespolitik mehr auf die ostdeutschen Probleme eingeht. Da hätte ich mir im ersten Jahr mehr Erfolg gewünscht, wenn ich diese Probleme konkret angeschnitten habe", resümiert der 52-Jährige. Er erwartet, dass "Politik letztendlich das große gesellschaftliche Gleichgewicht im Auge hat". Der Mann, der nordostdeutsche Probleme in Berlin aus der Opposition zur Sprache bringen will, setzt illusionslos auf einen langwierigen Prozess, um diesem Ziel näher zu kommen. Unproblematischer sieht er es bei Themen, die keinen spezifischen Ost-West-Aspekt haben. Stichwort: Schutz vor Passivrauchen. Für ihn hinkt Deutschland da hinterher. Als drogen- und suchtpolitischer Sprecher der Grünen war Terpe an den interfraktionellen Diskussionen um einen Gruppenantrag beteiligt, in dem unter anderem ein Rauchverbot in allen öffentlichen Einrichtungen des Bundes gefordert wird. Und beim Thema Gesundheitsreform holt der Mediziner weiter aus. Terpe gehört zu denen, die eine Gesellschaft möchten, die das gesundheitliche Risiko solidarisch absichert. Deshalb ist er immer schon ein Anhänger der Bürgerversicherung gewesen. Kritisch bewertet er, dass in den vergangenen Jahren immer wieder nur Eingriffe an der Ausgabenseite vorgenommen wurden. Nach seiner Vorstellung müsse sich das Gesundheitswesen dahingehend verändern, die Möglichkeiten der Wertschöpfung optimal zu nutzen, das heißt, für mehr Wettbewerb zu sorgen und die Aufhebung der "Fesselung" derjenigen zu erreichen, die Leistungen im Gesundheitswesen erbringen. Er hält den Gesundheitsfonds für "Unfug" - so wie er in die Welt gesetzt worden ist. Den Konflikt der Großen Koalition hält er in diesem Punkt für nicht lösbar. Ist ein Arzt nun der bessere Gesundheitspolitiker? Da kommt kein schnelles Ja oder Nein: "Wir erleben immer wieder - das hat die unterschiedlichsten Ursachen -, dass oftmals Leute, die Fach- und Sachverstand haben, eigentlich als störend empfunden werden, wenn es um politische Entscheidungen geht. Es ist den Kolleginnen und Kollegen oftmals zu kompliziert, sich in diese fachlichen Einzelheiten und ‚lebensweltlichen' Einzelheiten zu begeben." Terpes Eindruck ist, dass sie dann gerne irgendwie entscheiden und nicht von Fachwissen genervt werden wollen. "Genügend Beispiele aus der Vergangenheit belegen, dass deswegen dann auch Fehlentscheidungen getroffen werden." Und noch etwas will Terpe in den politischen Diskussionen "zwischen den Zeilen" gelesen haben. Manchmal stehe so ein bisschen der Generalvorwurf im Raum, dass Ärzte, die Parlamentarier sind, auch zu einer Lobbygruppe gehörten. "Uns geht es aber darum, das Gesundheitswesen insgesamt als ein modernes, nach vorne schauendes, funktionierendes Gebilde zu gestalten", reagiert der Politiker auf diese Kritik. Dies sollte auch in der Öffentlichkeit deutlich werden. Doch wenn es um die Selbstdarstellung der Politik geht, diagnostiziert der Mediziner Mängel. Hier müsse etwas passieren: "Politik ist dann besonders gut, wenn sie auch verstanden wird." Seiner Auffassung nach leistet die Politik da zu wenig Aufklärungsarbeit. "Die Politik hat eine Verantwortung dafür. Ich bin überzeugt, dass dies zurzeit nicht funktioniert." Jedenfalls will Terpe Parlamentarier, Medien wie Bürger motivieren, sich für die richtige Informationsvermittlung einzusetzen. Bei seinem Engagement hilft ihm, dass er ein "sehr ausgleichender Charakter ist", wie er sagt. Wenn es stimmt, dass er gut zwischen polarisierenden Gruppen eine Plattform herstellen kann, dann wäre das doch eine Stärke. Oder? "Es kann zugleich auch eine Schwäche sein", findet Terpe. Politik kann auch bedeuten, dass man Konflikte deutlich machen muss und so das Potenzial für eine gute Konfliktlösung erarbeitet. "Aber dafür müssen die Spielregeln stimmen. Und da weiß ich, die stimmen in der Politik häufig nicht: "Politik ist keine Gruppentherapie." Damit meint Terpe, dass es in der Psychologie darauf ankommt, die Konflikte erst einmal richtig zu benennen, eventuell zu polarisieren und dann einen Ausweg zu suchen. Doch "was nützt es, in der Politik immer zu polarisieren, sodass sich möglicherweise persönliche Befindlichkeiten aufbauen. Dann ist man oft in der Situation, aus Gründen persönlicher Zerwürfnisse zu keinem politischen Ergebnis zu kommen. Obwohl man inhaltlich vielleicht übereinkommen könnte", erklärt er. Für ihn gilt also dann doch eher: Lieber moderieren als polarisieren.