Es rumpelt in Bayern: Der Umweltminister ist schon wieder in einen Gammelfleisch-Skandal verwickelt, der CSU-Fraktionschef lässt den CSU-Regierungschef im Regen stehen und wird selbst entzaubert, und über eine spektakuläre Internet-Aktion will ein CSU-Vorstandsmitglied eben diesen Regierungschef in den Ruhestand schicken. Die CSU ist aus dem Takt. Längst wuchern Spekulationen über eine Kabinettsumbildung - und sogar um die Frage, ob die Partei noch mit dem seit seinem Berlin-Rückzug geschwächten Edmund Stoiber als Spitzenmann in den Landtagswahlkampf 2008 ziehen wird.
Rücktrittsforderungen von Medien und Opposition prasselten vor allem auf Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) ein. Sein Haus hatte nämlich eine E-Mail mit detaillierten Hinweisen auf Gammelfleisch in einem geheimen Kühllager beim Münchner Schlachthof unbearbeitet zurückgeschickt, weil der Informant keinen Absender angegeben hatte. Der Fleisch-Skandal wurde trotzdem aufgedeckt, weil die Mail gleichzeitig bei der Stadt München eingegangen war, die prompt reagierte. Mit groß- angekündigten Sofortmaßnahmen hatte Schnappauf schon auf eine Serie vorausgegangener Gammelfleisch-Fälle reagiert und Rücktrittsforderungen stets abgeblockt. Der Minister bekam bisher Rückendeckung durch den Regierungschef. Stoiber, der in seinem Kabinett aus guten Gründen auf den Regionalproporz achtet, braucht den fleißigen, aber zuletzt recht glücklosen Oberfranken und Vorsitzenden des dortigen CSU-Bezirksverbands. Deshalb hält man es in der CSU für wahrscheinlich, dass Schnappauf im Fall der Fälle nicht zurücktreten muss, sondern nur ein anderes Ressort erhält, vielleicht Europa oder Justiz, womöglich auch die Staatskanzlei.
Vor dem Umweltausschuss ging Schnappauf aber erstmal forsch in die Offensive und kanzelte die Angriffe von SPD und Grünen, die ihn als "Sicherheitsrisiko" bezeichneten, als "politischen Schall und Rauch" ab. Verantwortlich für die Skandale machte Schnapp- auf die kriminellen Machenschaften der Fleisch-Mafia. Als jüngste Erfolge von "hohem Kontrolldruck und verstärkter Kontrollintensität" präsentierte er die Bilanz seiner neuen Spezialeinheit. Die habe seit 1. Oktober 58 Betriebe kontrolliert und sei elf Mal fündig geworden - 22 Tonnen Lebensmittel wurden beschlagnahmt. Aus dem Takt schien unterdessen auch die CSU-Fraktion geraten zu sein. Sie hatte drei Stunden lang über einen späteren Ladenschluss debattiert, für den sich insbesondere Wirtschaftsminister Erwin Huber, die Staatskanzlei und sogar Stoiber selbst eingesetzt hatten. Am Ende wurde die Liberalisierung mit 51 gegen 51 Stimmen abgelehnt. Im Feuer stand plötzlich Fraktionschef Joachim Herrmann, dem große Ambitionen auf das Ministerpräsidentenamt nachgesagt werden. Der habe keine klare Position bezogen und durch eine Abstimmung zur falschen Zeit für das Patt und die Niederlage Stoibers in der Fraktion gesorgt, hieß es aus CSU-Kreisen. Mehrere Abgeordnete sprachen von einer Führungsschwäche Herrmanns. Dieser verwies auf das Kabinett, das beim Ladenschluss bisher keine klare Linie gezeigt habe.
Was klare Linie ist, zeigte die CSU-Fraktion dem Kabinett, als sie zur gleichen Zeit eine Lockerung des Denkmalschutzes blockierte. Die Staatsregierung hatte diesen Entbürokratisierungsplan in einem Gesetz zur Erweiterung der kommunalen Handlungsspielräume beschlossen. Nun dürfte unter den Tisch fallen, dass die Kommunen darüber befinden, ob bei einer Maßnahme das Landesdenkmalamt eingeschaltet wird. Für weitaus größere Schlagzeilen sorgte eine Aktion der Fürther Landrätin Gabriele Pauli (CSU), die immerhin dem Vorstand der Partei angehört. Sie hatte ein brisantes Internetforum eingerichtet: Es ging um die von Pauli verneinte Frage, ob Stoiber bei der Bayernwahl 2008 nochmals antreten solle. Binnen drei Tagen kamen über 150 E-Mails und von den meisten sah sich die Stoiber-Kritikerin bestärkt. Die 49-Jährige will nun erreichen, dass der Spitzenkandidat über eine Urwahl von der CSU-Basis bestimmt wird. So wird inzwischen gerätselt, ob nach weiteren Pannen, auch hinsichtlich der Landtagswahl im Herbst 2007, nicht nur Minister zur Disposition stehen.