Im politischen Alltagsgeschäft spielt Ethik als Frage nach dem ,richtigen Handeln' keine Rolle. Denn die Arbeit von Abgeordneten steht unter der Überschrift größtmögliche Profilierung und Machterhalt innerhalb der Gruppe. Individualität wird großgeschrieben und Konkurrenz unter den Abgeordneten gehört einfach mit dazu. Eigentlich ist das nichts Ungewöhnliches, denn das findet sich auch fast in jeder Firma, jedem Krankenhaus und jedem Medienunternehmen. Dennoch wird aus meiner Sicht im Bundestag zu wenig dafür getan, diese ungeschriebenen Normen zu hinterfragen und gegenzusteuern.
In meinem Bereich, der Entwicklungspolitik, gehen die Meisten davon aus, dass Werte wie Solidarität, Erhalt des Friedens und Gerechtigkeit zur Leitlinie des politischen Handelns gehören. Seltsamerweise wird die hohe moralische Verpflichtung der Entwicklungsarbeit gleichzeitig gerne dazu benutzt, dass unser Engagement als ,Gutmenschentum' abqualifiziert wird. Ein Widerspruch, über den ich immer wieder staune. Es ist für mich normal, sich für eine gerechte Verteilung von Wohlstand und Chancen einzusetzen. Dies sind schließlich Voraussetzungen dafür, dass wir Frieden bewahren und die Umwelt schützen können."
Die Autorin ist entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.