Nach seinen Statuten ist der Nationale Ethikrat ein "nationales Forum des Dialogs über ethisches Fragen in den Lebenswissenschaften". Das klingt sperrig - und in der Tat ist das Themenspektrum, mit dem sich das Gremium seit seiner Gründung im Juni 2001 beschäftigt genauso umfangeich wie sein langer Name.
Seit seiner Gründung hat sich der Nationale Ethikrat ebenso mit dem Import menschlicher, embryonaler Stammzellen und dem Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken wie mit der Patientenverfügung und der Selbstbestimmung am Lebensende beschäftigt. Zu allen Themen hat der Ethikrat viel beachtete Stellungnahmen abgegeben, die Eingang in die öffentliche Diskussion der jeweiligen Themen gefunden haben. Diese Stellungnahmen erarbeitet der Ethikrat im Auftrag von Bundesregierung und Deutschem Bundestag; er ist aber auch befugt, eigenständig Berichte anzufertigen. Außerdem veranstaltet er mehrmals pro Jahr das "Forum Bioethik". Die letzte Jahrestagung im Oktober 2006 stand unter dem Motto: "Gesundheit für alle - wie lange noch?"
Die starke gesellschaftliche Akzeptanz, die der Ethikrat heute genießt, musste allerdings erst wachsen: Weil das Gremium im Juni 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder direkt berufen wurde, haftete ihm lange das Etikett an, ein "Abnickgremium" und "biopolitischer Weichmacher" für den Kanzler, so der Vorwurf der CDU-Abgeordneten Maria Böhmer, zu sein.
Kritik musste der Ethikrat auch aus dem Bundestag entgegen nehmen: Dort exisitierte seit 2000 eine Enquetekommission "Recht und Ethik der modernen Medizin", die sich auf einmal in unerwarteter Konkurrenz mit einem weiteren Ethikgremium, zu dem keinerlei Parlamentarier gehörten, konfrontiert sah. Tatsächlich fiel die Gründung des Ethikrates mit einem Kurswechsel der Deutschen Forschungsgemeinschaft zusammen: Die hatte noch 1999 nach Alternativen zur Forschung an embryonalen Stammzellen gesucht und überraschte 2001 mit der Forderung, diese Stammzellen einzuführen. Während sich die damalige Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und die frühere Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) diesen Plänen gegenüber skeptisch zeigten, wollte Schröder einen pragmatischen Umfang mit dem Thema und eine "Diskussion ohne Scheuklappen".
Doch schon in der ersten Stellungnahme des Ethikrats zu den Stammzellimporten zeigte sich: Die 25 Mitglieder aus allen Fachrichtungen waren nie Erfüllungsgehilfen einer vorbestimmten Politik, sondern kamen zu ausgewogenen Voten und argumentierten differenziert. Im Bericht des Ethikrates votierten 15 Mitglieder für einen Stammzellimport unter befristeten und strengen Bedingungen. Zehn lehnten ihn vorläufig ab - darunter waren vier Wissenschaftler, die den Import als grundsätzlich ethisch unzulässig werteten. Diese Differenziertheit verdankt der Rat unter anderem seiner Besetzung: Ihm gehören sowohl Biologen und Mediziner als auch Geisteswissenschaftler, Gewerkschafter und Kirchenvertreter an.
Sechs Jahre, nachdem der Ethikrat seine Arbeit aufgenommen hat, will die Große Koalition nun dessen vermeintlichen Geburtstfehler beheben: die mangelnde demokratische Legitimation. Bildungsministerin Anette Schavan (CDU) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die Mitglieder des Rats - der dann Deutscher Ethikrat heißen soll - je zur Hälfte von Bundestag und Regierung ausgewählt werden sollen. Abgeordnete sollen darin auch künftig nicht über ethische Fragen beraten: Nach Ansicht Schavans kann der Bundestag nicht sein eigener Berater sein. Dies wiederum sehen SPD und Opposition anders. Wie und in welcher Besetzung der Ethikrat künftig weiterarbeiten wird, ist daher noch offen - dass er es tut, ist angesichts der rasanten Entwicklungen in den Lebenswissenschaften mehr als wahrscheinlich - und wünschenswert.
Die Autorin ist Redakteurin bei "Das Parlament".