Zu seinem Schritt war Stoiber hinter den Kulissen von Spitzenpolitikern der CSU massiv gedrängt worden. In seiner kurzen Rücktrittsankündigung sagte er: "Der Erfolg und die Geschlossenheit der CSU und das Wohl und die Zukunftsfähigkeit des Freistaats Bayern waren und sind mein oberstes Ziel." Deshalb habe er sich entschlossen, bei den Landtagswahlen 2008 nicht mehr anzutreten und sein Amt als Ministerpräsident zum 30. September dieses Jahres abzugeben. Auf dem CSU-Parteitag im September will Stoiber auch nicht mehr als Vorsitzender kandidieren.
Die Partei muss nun baldmöglichst die Nachfolgefrage klären. Wie es aus der CSU-Fraktion hieß, sei eine Einigung auf Innenminister Günther Beckstein als künftigen Ministerpräsidenten und auf Wirtschaftsminister Erwin Huber als neuen CSU-Chef möglich. Allerdings meldete postwendend CSU-Vize und Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer Ansprüche auf den Vorsitz an. Seehofer hatte sich zuvor gegen die Schmutzkampagne eines Boulevardblattes gewehrt, das sein Privatleben aufs Korn genommen hatte. Daraufhin war spekuliert worden, wer den populären Parteivize mit den intimen Details aus dem Rennen kegeln wollte. Nach den Veröffentlichungen stellte sich die übrige Parteispitze demonstrativ hinter Seehofer.
Während der Kreuther Fraktionsklausur hatten zahlreiche CSU-Politiker Stoiber von der schlechten Stimmung an der Basis berichtet und ihm einen Rückzug nahegelegt. Gleichzeitig wurde aber versucht, mit und nicht gegen ihn eine einvernehmliche Lösung zu finden. Man einigte sich darauf, dass über die Frage der nächsten Spitzenkandidatur ein vorgezogener Parteitag im September befinden solle.
CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und Landtagspräsident Alois Glück sagten dazu übereinstimmend, dass die Führungsfrage schon bedeutend eher geklärt werden müsse. Stoiber wollte sich aber zunächst nicht unter Zeitdruck setzen lassen. In Wildbad Kreuth hatte er kurz zuvor erklärt, dass er für 2008 nochmals kandidieren "wolle, aber nicht müsse". Nach seiner Planung wollte er landesweit auf Parteiversammlungen um verlorene Sympathiewerte kämpfen.
Unterdessen wittert die Opposition in Bayern nach vier Jahrzehnten CSU-Alleinregierung die Chance eines Machtwechsels. SPD-Fraktionschef Franz Maget und die Führung der Grünen-Fraktion, Margarete Bause und Sepp Dürr, sehen keine handlungsfähige Regierung mehr und wollen im Landtag den Rücktritt Stoibers fordern. Sollte "sich das Chaos in der CSU fortsetzen und die Staatsregierung im Amt bleiben", will Maget Neuwahlen erreichen - entweder über eine mögliche (aber unwahrscheinliche) Selbstauflösung des Landtags, oder über einen Volksentscheid, für den eine Million Bürger stimmen müssten. Maget will trotz Stoibers Rücktrittsankündigung an diesen Plänen festhalten.
Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins Stern und des Fernsehsenders RTL ist die CSU durch ihren Führungskrise in der Wählergunst von zuvor 55 auf nur noch 49 Prozent gesunken. Der ausgeuferte Streit um Stoibers Zukunft hatte im Herbst begonnen. Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli, Vorstandsmitglied der CSU, gab dem Ministerpräsidenten in zahllose Mikrofone hinein den Rat, für die Landtagswahl 2008 nicht mehr anzutreten. Rückenwind bekam sie durch eine latente Unzufriedenheit an der Basis mit Stoibers unerwartetem Berlin-Rückzieher im Herbst 2005. Und sie startete ein Internet-Forum gegen den CSU-Chef, das die Diskussion weiter anheizte.
Vermutlich hätten die Partei-Oberen den Brandherd aber bald wieder gelöscht, wenn nicht das Stoiber-Lager die Situation stark unterschätzt hätte. Pauli, von Medien rasch zur "schönen Landrätin" gekürt, überraschte kurz vor Weihnachten die Öffentlichkeit mit einer Spitzel-Affäre: Ein Anrufer aus der Staatskanzlei soll einen Bekannten der Landrätin nach Alkoholprobblemen und Männerbekanntschaften Paulis ausgefragt haben. Tatsächlich musste dann Stoibers Büroleiter Michael Höhenberger den Hut nehmen. Pauli legte nach, machte den Ministerpräsidenten für das Nachspionieren verantwortlich und warb für eine Urabstimmung über den CSU-Spitzenkandidaten 2008. Eine Treue-Bekundung des CSU-Präsidiums Anfang Januar und ein eindeutiges Votum der Fraktion für eine Stoiber-Kandidatur 2008 hätten zwar fast zu einer Beruhigung der Lage geführt. Doch dann wollte Stoiber entgegen den Erwartungen bis 2013, also insgesamt noch volle sieben Jahre, durchregieren. Die Krise eskalierte endgültig. Immerhin sichert er sich mit seiner Rückzugserklärung einen würdigen Abgang.
Seine steile Karriere hatte er als CSU-Generalsekretär und rechte Hand seines Lehrmeisters Franz Josef Strauß begonnen. Er wurde Chef der Staatskanzlei und Innenminister unter Max Streibl, den er 1993 als Ministerpräsident beerbte (und dabei CSU-Chef Theo Waigel ausbootete). 1999 löste er Waigel als Parteichef ab. Ganz knapp nur verfehlte er sein größtes Ziel, bei der Bundestagswahl 2002 SPD-Kanzler Gerhard Schröder zu besiegen.
Als er nach dem Erfolg von CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Herbst 2005 trotz Zusage ein Amt als Superminister in Berlin ausschlug, drehte sich die Stimmung gegen ihn. Daran änderten auch seine großen Erfolge in Bayern nichts, zu denen wirtschaftliche Prosperität und ein Haushalt ohne Neuverschuldung zählen.