Am Anfang war das Wort der Autoindustrie: 1998 versprachen die
Bosse der Branche den europäischen Politikern, dass sie den
Kohlendioxid-Ausstoß der Neuwagen bis 2008 im Durchschnitt
auf 140 Gramm pro Kilometer drücken würden - zum Wohle
des Klimas. Die Autoindustrie sollte mit dieser Selbstverpflichtung
dazu beitragen, dass die EU ihr in Kioto gegebenes Versprechen
einhalten kann, den Ausstoß an Kohlendioxid und anderen
Treibhausgasen bis 2012 um acht Prozent unter das Niveau von 1990
zu senken
In Brüssel weiß man schon lange, dass die
Autohersteller dieses Ziel nicht erreichen werden. Ihre Ingenieure
haben den Verbrauch der Neuwagen in acht Jahren von
durchschnittlich 190 auf 163 Gramm pro Kilometer gesenkt. Das ist
weit entfernt vom selbst gesteckten Ziel und reicht auch nicht, um
die Gesamtemissionen des Straßenverkehrs zu senken.
Während die Industrie immer weniger klimaschädliche
Treibhausgase ausstößt, sind die Emissionen der Pkw seit
1990 um ein Viertel gestiegen.
Verantwortung der Kunden Das liegt daran, dass immer mehr,
größere und schnellere Autos verkauft werden. Die
Kunden, sagt der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA)
fragten die "Premiummodelle" eben stärker nach als
früher. Die Industrie mache für ihre sparsamen Modelle
"nicht genug Werbung", sagt dagegen der Europaabgeordnete Peter
Liese (CDU). Allerdings seien die Käufer der Sport- und
Luxuskarossen auch nicht einfach nur Opfer der Autowerbung - Liese
will die Autofahrer nicht aus der Verantwortung für den
Klimaschutz entlassen.
Für die Diskussion ist das bedeutsam. Die Industrie hatte
ihre Zusage 1998 unter der Voraussetzung gemacht, dass die Politik
die Nachfrage nach sparsamen Autos durch die Einführung einer
Kraftfahrzeugsteuer begünstigt, die sich am CO2-Ausstoß
orientiert. Auch diese Zusage blieb unerfüllt. Die Kommission
hat die CO2-basierte Kfz-Steuer zwar inzwischen vorgeschlagen, eine
Entscheidung des Ministerrats, die einstimmig erfolgen muss, ist
jedoch nicht absehbar.
Trotzdem kündigte Umweltkommissar Stavros Dimas schon im
Dezember an, die Kommission werde die Grenzwerte, zu denen sich die
Industrie 1998 verpflichtet hatte, verbindlich festlegen. Seitdem
tobt in der Kommission ein heftiger Streit. Industriekommissar
Günter Verheugen geht davon aus, dass man durch ein
Bündel anderer Maßnahmen eine noch stärkere
Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen kann: Energiesparende
Reifen, Biokraftstoffe, umweltbewusstes Verhalten am Steuer und ein
angemessener Ausbau der Verkehrsinfrastruktur könnten die
Emissionen noch unter die anvisierten 120 Gramm drücken.
Die 120 Gramm sind inzwischen zu einem politischem Symbol
geworden. "Wir brauchen ein Zeichen, das unseren klimapolitischen
Ambitionen entspricht", sagt der Klimadirektor der EU-Kommission,
Jos Delbeke. Schließlich mache sich die EU international
dafür stark, dass die Industrieländer ihre Treibhausgase
nach 2012 weiter reduzieren. "Hier geht es um unsere
Glaubwürdigkeit." Dabei ist es nicht gerade hilfreich, dass
ausgerechnet die Deutschen den Vorsitz im Ministerrat führen.
Von der Präsidentschaft wird normalerweise erwartet, dass sie
sich in solchen Kontroversen zurückhält. Statt dessen
stürzten sich die deutschen Minister in der vergangenen Woche
mit großer Leidenschaft in die Auseinandersetzung, allen
voran die Regierungschefin. "Mit aller Härte" wandte sich
Angela Merkel gegen die Pläne des EU-Umweltkommissars.
Wirtschaftsminister Michael Glos betrachtet sie gar als "einen
Angriff" auf deutsche Interessen.
Nur Umweltminister Gabriel unterstützte die Position des
Umweltkommissars. Im Umweltausschuss des Europaparlaments, wo er
sein Programm für die deutsche Ratspräsidentschaft
vorstellte, sagte er, er sei "ein bisschen erstaunt über die
schwierige Diskussion innerhalb der EU-Kommission." Gesetze, mit
denen Grenzwerte bindend vorgeschrieben werden, seien
"unerlässlich".
Richtig ist, dass die deutschen Autobauer die
größten Probleme hätten, den Grenzwert von 120
Gramm einzuhalten. Denn sie sind die größten Hersteller
Sprit fressender Premiummodelle in Europa. Jeder zweite Job in der
deutschen Autoindustrie ist vom Geschäft mit leistungsstarken
Limousinen, Sport- oder Geländewagen abhängig.
Die Kommission hat eine Entscheidung bereits zwei Mal vertagt.
"Wir wollen eine Lösung, die klimapolitisch anspruchsvoll ist
und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen
Autoindustrie nicht gefährdet", sagt ihr Sprecher Johannes
Laitenberger. Das Kollegium sei sich einig über das Ziel, aber
noch nicht über den Weg dahin. Allerdings hat es in der
vergangenen Woche Verheugens Position gestärkt - durch einen
Richtlinienentwurf für Biokraftstoffe. Dadurch könnte der
CO2-Ausstoß verringert werden, ohne den Flottenverbrauch zu
reduzieren.
Die Mitarbeiter des Umweltkommissars bereiten inzwischen den
Rückzug vor. Die Kommission denke nicht daran, einen Grenzwert
von 120 Gramm festzulegen, den jedes Fahrzeug einhalten müsse,
unterstreicht Jos Delbeke. Vielmehr gehe es darum, dass alle
Neufahrzeuge diesen Emissionswert im Durchschnitt einhalten.
Für den Porsche wäre in diesem Konzept also Platz, wenn
andere Modelle deutlich unter den 120 Gramm bleiben.
Mehr zum Thema unter: www.europaparl.de
Fakten
- Im Kioto-Protokoll haben sich die Unterzeichnerstaaten
verpflichtet, ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2012 um
acht Prozent im Vergleich zum Wert von 1990 zu senken.
- EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will dafür auch den
Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen kräftig reduzieren -
auf 120 Gramm je Kilometer. Bisher liegen die Werte im Durchschnitt
bei 160 Gramm.
- Bisher existiert nur eine freiwillige Selbstverpflichtung der
Fahrzeughersteller. Bis Ende 2008 sollen danach nur noch 140 Gramm
CO2 je Kilometer aus dem Auspuff kommen.